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“Nicht in meinem Namen - wir werden uns widersetzen”

Zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2004 veröffentlicht das Komitee für Grundrechte und Demokratie einen Appell zur deutschen Asyl- und Flüchtlingspolitik.

Der von Prof. Dr. Albert Scherr (Migrationsforscher und Vorstandsmitglied des Komitees für Grundrechte und Demokratie) anlässlich einer inhumanen Abschiebung im November diesen Jahres initiierte Appell “Nicht in meinem Namen - wir werden uns widersetzen” kritisiert, dass in der alltäglichen Abschiebepraxis ständig menschenrechtliche Prinzipien verletzt werden und die zu achtende Menschenwürde zur rhetorischen Formel verkomme. Eine Debatte über eine menschenrechtsorientierte Flüchtlings- und Asylpolitik werde kaum noch geführt.

In wenigen Tagen haben über 150 Ärztinnen und Ärzte, WissenschaftlerInnen, LehrerInnnen, Kirchenleute und JournalistInnen den Aufruf unterstützt, unter anderem von Matthias Jochheim (Arzt und IPPNW), Dr. Rolf Gössner (Rechtsanwalt und Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte), Dr. Jürgen Miksch (Vorsitzender von PRO ASYL) und Dieter Wunder (Gustav Heinemann-Initiative)

In dem Appell heißt es (vollständiger Text folgt weiter unten):

“Wir betrachten die Kritik der bundesdeutschen Asyl- und Flüchtlingspolitik als Verpflichtung und werden uns im Rahmen unserer politischen und beruflichen Möglichkeiten dafür einsetzen, dieser Politik jede direkte und indirekte Unterstützung zu verweigern sowie über ihre inhumanen Konsequenzen aufzuklären.”

Die alltäglichen Grund- und Menschenrechtsverletzung im Kontext der deutschen Asyl- und Flüchtlingspolitik machen es dringender denn je erforderlich, dass sich Menschen, einzeln und gemeinsam, dieser Politik verweigern und praktisch widersetzen.

Nachfolgend der Appell und seine UnterzeichnerInnen:

Ein Appell zur Deutschen Asyl- und Flüchtlingspolitik

Nicht in meinem Namen - wir werden uns widersetzen

Am 16.11.2004 wurden vom Frankfurter Flughafen die hochschwangere Jenny Setiawan aus Indonesien, ihr pakistanischer Lebenspartner Imran Firasat und ihr Sohn Aman nach Indonesien abgeschoben. Sie bekundeten, in Pakistan werde eine interreligiöse Ehe unter Strafe gestellt, so dass sie nicht hätten heiraten können. Das “Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge” glaubte dem Paar nicht und unterstellte ihnen, lediglich ein “vermeintliches Paar” zu sein. Eine anstehende Härtefallentscheidung des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags wurde nicht abgewartet. Die Abschiebung scheiterte letztlich, weil der Bundesgrenzschutz notwendige Papiere vergaß. Auf dem 24-stündigen Rückflug nach Frankfurt wurden Jenny Setiawan schmerzstillende Mittel verweigert. Der zweite Abschiebeversuch wird behördlich vorbereitet.

Dies ist nur eine exemplarische Geschichte über eine versuchte Abschiebung in Deutschland, die öffentlich geworden ist. In der alltäglichen Abschiebepraxis werden ständig menschenrechtliche Prinzipien verletzt. Die Rede von der zu achtenden Würde des Menschen verkommt zur rhetorischen Formel.

Eine Debatte darüber, wie eine tatsächlich an den Menschenrechten orientierte Flüchtlings- und Asylpolitik hergestellt werden kann, wird kaum noch geführt. Nach wie vor weigert sich die Bundesregierung, langjährig in Deutschland geduldeten Flüchtlingen ein Bleiberecht einzuräumen, “Menschen ohne Papiere” eine Chance auf Legalisierung und damit auf Integration zu eröffnen, den Vorbehalt gegen die UN-Kinderrechtskonvention zurückzunehmen oder die UN-Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familien zu ratifizieren, um nur einige gravierende menschenrechtlich drängende Herausforderungen zu benennen.

Stattdessen geht die Aufrüstung der “Festung Europa” nach innen und außen weiter, indem “Ausreiselager”, euphemistisch “Ausreiseeinrichtungen” genannt, im Zuwanderungsgesetz verankert werden, und über den Bau von Auffanglagern (“Empfangszentren”) in Nordafrika öffentlich nachgedacht wird. Im Abwehrkampf gegen Flüchtlinge und Immigranten treten in Deutschland offensichtlich menschenrechtliche Maßstäbe in den Hintergrund.

Diese Politik geschieht nicht in unserem Namen, sie repräsentiert nicht unseren politischen Willen und unsere ethisch-politischen Überzeugungen.

Wir betrachten die Kritik der bundesdeutschen Asyl- und Flüchtlingspolitik als Verpflichtung und werden uns im Rahmen unserer politischen und beruflichen Möglichkeiten dafür einsetzen, dieser Politik jede direkte und indirekte Unterstützung zu verweigern sowie über ihre inhumanen Konsequenzen aufzuklären.

V.i.S.d.P.: Dr. Albert Scherr / Komitee für Grundrechte und Demokratie

Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Appells:

Carolin Ackermann, Schneiderin / Gülden Akgün, Studentin / Astrid Andre-Nimrich, Ärztin / Dr. Sünne Andresen, Sozialwissenschaftlerin / Erdmuthe Arnold, Rentnerin / Oliver Ballweg, IT-Systemelektroniker / Dr. Med. Johannes Bastian / Waltraud Beck / PD Dr. Johannes M. Becker, Politikwissenschaftler / Christine Becker / Sigrid Becker-Wirth, MediNetz, Bonn / Arne Behrensen, Politikwissenschaftler / Rotraut Bieg-Brentzel, Studienrätin i.R. / Lars Bietendorf / Dr. Renate Bitzan, Universität Göttingen / Sandra Blessin, BUKO Agrar Koordination / Judith Brand, Sozialarbeiterin / Annegret Brein, Ortsbeirat / Bundeskoodination Internationalismus (BUKO) / Dr. Ursula Burkhardt / Dr. Sven-Uwe Burkhardt Jurist, Universität Göttingen / Dr. med.Gudrun Chatterjee / Heinz-Dietrich Clemens, Diplompsychologe / PD Dr. Franz J. Conraths / Osman Derya, stellvertretender Vorsitzender von TÜDAY / Dr. Hanjo Dieckmann, Kulturwissenschaftler / Helmut Dietrich, Forschungsgesellschaft Flucht und Migration / Peter Dippoldsmann, Jurist und Verwaltungswissenschaftler / Stephan Dünnwald, Journalist / Dr. Franck Düvell, Sozialwissenschaftler, Universität Bremen / Dr. med. Winfrid Eisenberg, Kinderarzt, Vorstandsmitglied der IPPNW / Christiane Ensslin, Redakteurin / fluchtpunkt, Kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge / Flüchtlingsrat Hamburg / Flüchtlingsrat Leipzig / Dr. Franz Forsmann und Marilen Forsmann / FriedensinitiativePalästina Kassel / Hiltrud Gass / Dr. Peter Gärtner, Physiker / Brigitte Gärtner-Coulibaly / Hermann Gendrisch / Corinna Genschel, Universität Potsdam / Dr. med. H. W. Gierlichs / RA Dr. Rolf Gössner, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte / Mechthild Gunkel, Pfarrerin / Astrid Günther, Industreikauffrau / Christine Gräbsch, Juristin und Kriminologin /Karl-Dieter Hahn / Gundolf Hambrock / Susanna Harms, Politikwissenschaftlerin / Helma Haselberger, Freie Architektin / Annette Herkenrath, Studentin / Hessischer Flüchtlingsrat / Prof. Dr. Joachim Hirsch / Dr. Arnd Hofmeister, Hochschule Magdeburg-Stendal / Thomas Hohlfeld, Politologe / Hans-Werner Hoppe / Ulrike Hormel, Pädagogische Hochschule Freiburg / Giesbert Hunold / Ernst -Ludwig Iskenius Arzt, Refugio / Alfred Jäckle, Oberstudienrat / Nicole Jäckle, Diplompsychologin / Matthias Jochheim, Arzt, IPPNW / Frank John, selbst. Buchhalter / Monika Jostes, Lehrerin / Klaus Jünschke, Sozialwissenschaftler / Pater Wolfgang Jungheim, Pax Christi Lahnstein-Nassau / Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen, Bremen und Hamburg / Waltraud Keck, Krankenschwester / Dr. Richard Kelber, Sozialwissenschaftler / Barbara Kempf, Lehrerin / Albrecht Kieser, Journalist / Karl Kircher / Gerhard Klas, Journalist / Monika Kleck / Simon Kleschin / Bärbel Knorr, Dt. Aids-Hilfe / Ulla Köster-Gendrich / Albrecht Koschützke, Friedrich-Ebert-Stiftung / Dr. med. Johannes Kossen, IPPNW-Mitglied / Herbert Kramm-Abendroth / Prof. Dr. Friedel Kriechbaum / Prof.Dr. Timm Kunstreich, Ev. Fachhochschule für Sozialpädagogik des Rauhen Hauses / Dr. Thomas Kunz, Politikwissenschaftler / Heinz Lägler, SoR i.R. / Dr. Conrad Lay, Rundfunkautor / Lebenshaus Schwäbsche Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie / Dr. Werner Lehne, Universität Hamburg / Ekkehard Lentz, Sprecher Bremer Friedensforum / Dr. Susanne Lettow, Philosophin / Herbert Leuninger, Pfr. i. R. / Dr. Manfred Lotze, Vorstandsmitglied der IPPNW / Dr. Andreas Lüddecke, PR-Berater und Journalist / Heiko Lüßmann, Diplomsozialpädagoge / Dr. Reinhold Lütgemeier-Davin, Studiendirektor / Kamil Majchrzak, Journalist / Edith und Hansjörg Meister / Dr. Angelika Medlin und Dr. Rainer Medlin, Bremen / Monika Meisterernst / Dr. Jürgen Miksch, Vorsitzender von PRO ASYL / Dirk Monnet-Zuther, Betriebsrat / Birgit Morgenrath, Journalistin / Jens Neumann / Julia Niemann, Schülerin / Volker Nimrich, Leherer / Henning Oeljen, Zweiradmechanikermeister / Dr. Benjamin Ortmeyer, Vorstand GEW Frankfurt am Main, / Ulrich Peschel / Christian Piko, Student der TU Berlin / Dr. iur. Helmut Pollähne, Universität Bremen / Dr. Maria Elvira Polleiro / Britta Rasch-Menke, Ökumenische Ausländerarbeit Bremen / Timo Reinfrank, Politikwissenschaftler / Lars Reppesgaard, druckreif Redaktionsbüro / res publica, Menschenrechtsorganisation, München / Karl Rössel, Journalist / Norbert Rütsche, Journalist / Prof. Dr. Werner Ruf / Prof. Dr. Fritz Sack, Universität Hamburg / Kerstin Salvador, Propyläen Verlag / Antje Sanogo, Diplompädagogin Münchner Aids-Hilfe / Prof. Dr. Birgit Sauer, Institut für Politikwissenschaft Universität Wien / Joachim Schaefer, Pastoralreferent kath. Domgemeinde Wetzlar / Michael Schmid, Pädagoge / Maria Schüller, Regisseurin, Autorin, Journalistin / Tobias Schwarz, Initiative gegen Abschiebehaft / Christine Schweitzer / Wolfgang Seiring / Wolfram Siede, Mediengestalter / Ulrike Sparr, Bezirksabgeordnete Hamburg-Nord, GAL-Fraktion / Gabriele Spieker, Pfarrerin / Luca Stein, Arzt / Manfred Stenner, Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative / Ingrid Stipper, Psychologin / Prof. Dr. Benedikt Sturzenhecker / Alexander Thal, Diplom-Sozialpädagoge / Sonja Tesch, Komitee für Grundrechte und Demokratie / Kira S. Tolksdorf, Sozialpädagogin / Regine Trenkle-Freund, Sprecherin des Ak Asyl Friedrichsdorf / Marco Trotta, Student / Carmen und Denis Uber / Dr. Wolfgang Uellenberg - van Dawen, DGB Regionsvorsitzender Köln / Kathrin Vogler, Geschäftsführerin Bund für Soziale Verteidigung / Dirk Vogelskamp, Komitee für Grundrechte und Demokratie / Ulrich Vollmers, Ausbildungsleiter im Studienseminar Wetzlar / Barbara Voß, Ärztin / Kurt Walker / Dr. Jutta Weber / Monika Weiß-Imroll, Lehrerin / Burkhard Werner, Café Exil / Thomas Wernicke, Lehrer / Dr. Waltraut Wirtgen, Ärztin, Psychotherapeutin / Regine Wittram, Ärztin / Nuray Yildirim, Stadtverordnete Kassel / Verena Zahner, Studentin der Medizin / …. und noch weitere Namen

Quelle: Komitee für Grundrechte und Demokratie vom 09.12.2004

Veröffentlicht am

09. Dezember 2004

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