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Die Flammen Shells brennen in Nigeria als Höllenflamme

Von Mandisi Majavu - ZNet Kommentar 10.08.2003

“Sind jene von dieser Erde, die die Wälder abbrennen und die Hügel eggen - sie, die leben, damit die Erde stirbt…”, so die Worte des nigerianischen Dichters Niyi Osundare. Die transnationalen Ölgesellschaften haben in Nigeria mehr erreicht als das. Aktivisten wurden ins Exil vertrieben oder vom Staat gehängt, erschossen - um zu gewährleisten, dass Royal/Dutch Shell, Chevron-Texaco und ExxonMobil mit ihren Ölbohrungen und ihrer Exploitation der Menschen fortfahren können. Das nigerianische Öl stammt größtenteils aus dem Niger-Delta, im Süden des Landes. Hier verlaufen 6000 Kilometer Ölpipeline, die das Delta im Zickzack durchkreuzen. Sie wurden auf Kosten der Bauernhöfe der lokalen Bevölkerung gelegt, man hat die Höfe zerstört.

1958 wurde in Nigeria Öl entdeckt. Seither macht es 90 Prozent der Exporteinnahmen des Landes aus. Besonders fündig geworden ist man im Lande der Ogoni, im nordöstlichen Niger-Delta. Oft wird gesagt, dass in diesem Landstrich während der drei Dekaden der Bohrungen geschätzte 900 Millionen Barrels gefördert wurden - im Wert von gleichfalls geschätzten $100 Milliarden - nur, dem Ogoni-Land sieht man es nicht an. Der nigerianische Pastor Barry Saro Barinaadaa Wuganaale befindet sich derzeit auf Südafrika-Mission, “zur Awareness-Kultivierung” bezüglich der Notlage des Ogoni-Volks. Er sagt, die transnationalen Gesellschaften hätten nichts getan, das Leben der Menschen zu verbessern. Selbst die Schulen der Region hätten die Gemeinden selbst errichtet.

In seinem Buch ‘Im Schatten des Märtyrers’ (‘In the shadow of a saint’) fördert Ken Wiwa, Sohn des toten nigerianischen Dichters, Menschenrechts- und Umweltaktivisten Ken Saro Wiwa, zutage, dass der nigerianische Staat trotz durchschnittlicher jährlicher Öleinnahmen von $30 Milliarden in den Jahren 1990 bis 2000 Auslandsschulden in Höhe von $40 Milliarden angehäuft hat. Mit Kapitalinvestitionen und Infrastrukturausbau ist diese Summe am wenigsten zu erklären. Nigeria hat sich den Ruf des korruptesten Staats der Welt nicht dadurch erworben, dass es sich als besonders populäres afrikanisches Land erwiesen hat. Erst in jüngster Zeit unternahm die Regierung gewisse Anstrengungen, das Leben der Menschen zu verbessern. Aber auch das ist mehr als alles andere eine Public-Relations-Aktion. So setzte die Regierung im Dezember 2001 die sogenannte ‘Niger Delta Development Commission’ (NDDC) ein, um dem Eindruck entgegenzuwirken, der Ölreichtum des Niger-Deltas komme dieser Region nicht zugute. Es wird behauptet, in den vergangenen beiden Jahren hätte die NDDC 4 Milliarden naira ($2 Millionen) in den Bau von Schulen, Gesundheitszentren, Straßen, in erstmalige Stromversorgung und den Bau von Wasserleitungen für die Gemeinden überall in der Region investiert. Es sind die Menschen selbst, die diese Berichte widerlegen. Die Leute aus den Gemeinden kidnappen weiterhin ausländische Arbeiter der Ölgesellschaften im Land. Diese Taktik wenden Nigerianer schon seit Jahren an - in ihrem Kampf um mehr Beteiligung am Ölreichtum des Landes. Ende Juni 2003 wurden 3 ausländische Arbeiter einer Ölgesellschaft, die mit Shell in Kontrakt steht, entführt. Die Kidnapper forderten ein Lösegeld von $ 200 000 für deren Freilassung. Glücklicherweise kamen die Männer nach 2 Wochen Gefangenschaft gesund frei. Gruppen von Frauen besetzen (indem sie die laufende Schicht machen) Ölpumpen-Anlagen und übernehmen sie. Sie fordern von den Ölfirmen Arbeit und bessere Bedingungen. Dass dies kein Symptom für eine bösartige Gesellschaft ist, braucht nicht erst erwähnt zu werden, vielmehr sind es Signale; man hat es hier mit einem Sozialgefüge zu tun hat, das viele Menschen nach wie vor im Stich lässt.

Nigeria ist Afrikas führender Ölproduzent - und es ist der sechstgrößte Rohölproduzent weltweit. Dennoch leben 70 Prozent aller 120 Millionen Einwohner Nigerias unterhalb der Armutsgrenze. Es ist ganz simpel: trotz geschätzter $600 Milliarden Öleinnahmen seit 1960 leben 70 Prozent der Nigerianer von weniger als 1 Dollar am Tag. Wer das für keinen ausreichenden Grund hält, weshalb jene 70 Prozent armen Nigerianer nach einer Art Revolution rufen, bei der auf den Straßen Köpfe rollen sollen (und zwar buchstäblich!), dem ist nicht zu helfen. Was die Nigerianer stattdessen bekommen, sind Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe, also verseuchte Luft. Sie ist Folge der Ölbohrungen, des auslaufenden Öls und der Gasflammen, die seit mehr als 33 Jahren 24 Stunden am Tag brennen. Im Juni 2003 starben Berichten zufolge rund 125 Menschen, als im Südosten Nigerias eine Ölpipeline brach und ein Feuer verursachte. Derartige Pipeline-Feuer sollen in den vergangenen 4 Jahren mehr als 2000 Menschen das Leben gekostet haben. Der schlimmste Vorfall ereignete sich 1998 in der Stadt Jesse im Niger-Delta; damals fielen mehr als 1200 Menschen einem massiven Großfeuer zum Opfer. Bewohner von Onich Amaiyi im Niger-Delta, Ort des jüngsten Brandes, machen die Nigerian National Petroleum (NNPC), ein Staatsunternehmen, dafür verantwortlich. Die Schlamperei der NNPC sei schuld. Lange bevor das Feuer ausbrach, habe man das Unternehmen auf das Ölleck aufmerksam gemacht. Wie nicht anders zu erwarten, streitet NNPC ab, vor dem Brand Kenntnis von dem Leck erhalten zu haben. Dem widerspricht, dass der stellvertretende Gouverneur des Bundesstaats Abia, in dem der Ort Onichi Amaiyi liegt - sein Name ist Chima Nwafor - gegenüber Journalisten geäußert haben soll, er sei der Meinung, Einwohner hätten das Pipeline-Leck an die NNPC gemeldet. “Wir werden untersuchen, weshalb die NNPC nicht sofort auf die Notrufe reagierte.”

Wer den Mund aufmacht und für die 70 Prozent der Armen in Nigeria eintritt, wird früher oder später gehängt - siehe Ken Saro Wiwa. Im Jahr 1990 hat er die ‘Bewegung für das Überleben des Ogoni-Volks’ (MOSOP) gegründet. Sein Ziel: “das Volk der Ogoni zu mobilisieren und zu empowern, damit sie gegen die Zerstörung ihrer Umwelt durch Shell protestieren sowie gegen ihre Verunglimpfung und Entmenschlichung durch die Militärdiktatoren Nigerias”. 5 Jahre später wurde Ken Saro Wiwa durch den Staat gehängt - aufgrund aufgebauter Vorwürfe. Der inzwischen verstorbene damalige Präsident, General Sani Abacha, hatte seine Hinrichtung befohlen. Wiwa habe eine Rolle bei der Ermordung von Chief Edward Kabani gespielt. Einer der empörendsten Momente im Fall Saro Wiwa, als Shell mit dem Statement herauskam: “…die, die Afrika am besten kennen, wie Nelson Mandela, traten für stille Diplomatie ein”. Der Kampf jedoch war mit der Ermordung Saro Wiwas durch die Regierung nicht beendet. Das Volk organisiert sich weiterhin, es belagert das Silber und Gold des Empire - um es mit Arundhati Roys Worten auszudrücken. Die nigerianischen Präsidentschaftswahlen, April/Mai 2003, waren von Unregelmäßigkeiten überschattet. Einige Herausforderer warfen der Regierung Wahlbetrug vor. Als jedoch George Bush - ein Präsident, der ja in Sachen Freiheitsexport reist -, Nigeria letzten Monat besuchte, hatte er, anders als für die Irakis, keinen “Instant-Mix Imperial-Demokratie” (Roy) im Gepäck. Dabei besitzt Nigeria den wichtigsten Inhaltsstoff für jenen Instant-Mix Marke Bush: Öl. Aber Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo scheint es meisterhaft zu verstehen, das Imperium glücklich zu machen. Solange Obasanjo sich nicht in Profitangelegenheiten und Interessen des Imperiums mischt, darf er, wenn es ihm beliebt, Diktator spielen, Präsident auf Lebenszeit. Und er kann massenhaft seine eigenen Leute töten, wenn es ihm Spaß macht, solange er beim Morden darauf achtet, die Sicherheit der Leute des Imperiums nicht zu gefährden. Sonst wird Bush die Sache zum Kochen bringen und Öl hinzufügen - und dann bomben.


Quelle: ZNet Deutschland vom 13.08.2003. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: “In Nigeria The Flares Of Shell Are Flames Of Hell”

Veröffentlicht am

19. August 2003

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