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Sich kümmern um die Geplagten und die Unbekümmerten plagen. Eine Biographie Dorothy Days

Dieser Essay von Jim Forest über Dorothy Day wurde für die “Encyclopedia of American Catholic History” verfasst, die von Liturgical Press herausgegeben wird. Jim Forest, einst leitender Redakteur bei “The Catholic Worker”, ist der Autor der Bücher “Love is the Measure: A Biography of Dorothy Day” und “Living With Wisdom: a Biography of Thomas Merton”. Beide erschienen bei Orbis.

Von Jim Forest

Dorothy Day, Begründerin der Catholic Worker-Bewegung, wurde am 8. November 1897 in Brooklyn, New York geboren. Nachdem die Familie Day das Erdbeben von 1906 in San Francisco überlebte, zog sie in eine Mietwohnung an der Chicagoer South Side. Dies bedeutete für sie einen großen Abstieg, der durch John Days Arbeitslosigkeit bedingt war. Aus dieser Zeit stammt Days Verständnis für die Scham, die Menschen empfinden, wenn sie in ihren Bemühungen scheitern.

Dorothy Day begann in Chicago positive Eindrücke vom Katholizismus zu gewinnen. In ihrem späteren Leben erinnerte sie sich an eine Begegnung mit der Mutter einer Freundin, einer gläubigen Katholikin, die gerade neben ihrem Bett betete. Ohne verlegen zu sein, schaute sie zu Day auf, sagte ihr, wo ihre Tochter zu finden war, und betete weiter. “Ich verspürte einen Ausbruch von Zuneigung ihr gegenüber, die ich niemals vergessen werde”, erinnerte Day sich später.

Als John Day zum Sportredakteur einer Chicagoer Zeitung ernannt wurde, zog die Familie in ein komfortables Haus an der South Side um. Dorothy begann, Bücher zu lesen, die ihr Gewissen berührten. Upton Sinclairs Roman “Der Dschungel” inspirierte Day dazu, lange Spaziergänge in den armen Wohngegenden von Chicagos South Side zu unternehmen. Es war der Beginn eines lebenslangen Angezogenseins von Orten, um die viele Menschen einen Bogen machen.

Day hatte die Gabe inmitten urbaner Trostlosigkeit Schönes zu entdecken. Düstere Straßen verwandelten sich durch die scharfen Gerüche: Geranien und Tomatenpflanzen, Knoblauch, Olivenöl, gerösteter Kaffee, Brot und Brötchen in Bäckereiöfen. “Hier,” sagte sie, “war genug Schönheit, um mich zufrieden zu stellen”.

Day bekam im Herbst 1914 ein Stipendium, das sie an die Universität von Illinois in Urbana führte. Sie war jedoch eine widerstrebende Studentin. Sie beschäftigte sich vor allem mit radikalen gesellschaftlichen Themen. Sie nahm nicht am gemeinschaftlichen Leben auf dem Campus teil, und bestand darauf, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, statt vom Geld ihres Vaters zu leben.

Sie brach zwei Jahre später ihr Studium ab, und zog nach New York, wo sie eine Stelle als Reporterin bei “The Call” fand, der einzigen sozialistischen Tageszeitung der Stadt. Sie erstattete Bericht über Kundgebungen und Demonstrationen und interviewte verschiedenste Menschen, vom Butler über den Arbeitgeber bis hin zum Revolutionär.

Als nächstes arbeitete sie für “The Masses”, ein Magazin, das gegen amerikanische Einmischung in den europäischen Krieg war. Im September verweigerte die Post die Zustellung des Magazins. Regierungsbeamte beschlagnahmten Ausgaben, Manuskripte, Abonenntenlisten und Schriftverkehr. Fünf Redakteure wurden wegen Volksverhetzung angeklagt.

Im November 1917 kam Day ins Gefängnis, weil sie eine der vierzig Frauen war, die vor dem Weißen Haus gegen den Ausschluss von Frauen vom Wahlecht demonstrierten. Die Frauen kamen in ein auf dem Lande gelegenes Arbeitshaus, wo sie grob behandelt wurden. Die Frauen reagierten darauf mit einem Hungerstreik. Schließlich kamen sie auf Geheiß des Präsidenten frei.

Zurück in New York, erkannte Day, dass Journalismus eine dürftige Antwort auf den Weltkrieg war. Im Frühjahr 1918 meldete sie sich für eine Krankenschwesternausbildung in Brooklyn an.

Ihre Überzeugung, dass die soziale Ordnung ungerecht war, veränderte sich von ihrer Jugend bis zu ihrem Tod im Wesentlichen nicht. Sie fühlte sich jedoch nie einer politischen Partei verbunden.

Ihre religiöse Entwicklung war ein langsamerer Prozess. Als Kind besuchte sie den Gottesdienst in einer Episkopalkirche. Als junge Journalistin in New York ging sie manchmal spät nachts in die katholische St. Joseph’s Church an der Sixth Avenue.

Die katholische Art der Gottesverehrung sprach sie an. Während sie über den katholischen Glauben wenig wusste, faszinierte sie die geistige Disziplin des Katholizismus. Sie sah die katholische Kirche als “die Kirche der Einwanderer, die Kirche der Armen.”

Als sie 1922 in Chicago als Reporterin arbeitete, teilte sie ihr Zimmer mit drei jungen Frauen, die an jedem Sonntag und Feiertag zur Messe gingen, und sich jeden Tag Zeit für das Gebet nahmen. Es war ihr klar, dass “die Teilnahme am Gottesdienst, die Anbetung, das Dankgebet, die Fürbitte… die edelsten Handlungen sind, zu denen wir in diesem Leben fähig sind.”

Ihre nächste Anstellung fand sie bei einer Zeitung in New Orleans. Da sie in der Nähe der St. Louis Cathedral wohnte, ging Day oft in die Abendandacht.

Zurück in New York, kaufte Day 1924 ein Strandhaus auf Staten Island. Das nötige Geld dazu hatte sie aus dem Verkauf der Filmrechte zu einem Roman. Zu dieser Zeit begann auch ihre vierjährige Lebensgemeinschaft mit Forster Batterham, einem englischen Botaniker, den sie durch ihre Freunde in Manhattan kennen gelernt hatte. Batterham war ein Anarchist, der Ehe und Religion ablehnend gegenüberstand. In einer Welt von solcher Grausamkeit hielt er es für unmöglich, an Gott zu glauben. Zu dieser Zeit war Days Glaube an Gott bereits unerschütterlich. Es bedrückte sie, dass Batterham kein Gefühl für die Präsenz Gottes in der Welt hatte. “Wie kann es keinen Gott geben,” fragte sie “wenn es all diese wundervollen Dinge gibt?” Er nahm Anstoß an ihrer “Vertiefung in das Übernatürliche”, was zum Streit zwischen ihnen führte.

Was für sie alles auf eine andere Ebene brachte, war ihre Schwangerschaft. Sie war vor Jahren schon einmal schwanger gewesen, das Resultat einer Affäre mit einem Journalisten. Daraus erwuchs die große Tragödie ihres Lebens, eine Abtreibung. Die Affäre und ihr furchtbares Nachspiel waren Gegenstand ihres Romans “The Eleventh Virgin”. Die Abtreibung habe sie unfruchtbar gemacht, so glaubte Day in den darauf folgenden Jahren. “Lange Zeit hatte ich gedacht, dass ich kein Kind gebären könne, und der Wunsch in meinen Herzen, ein Baby zu haben, wurde immer größer”, gestand sie in ihrer Autobiographie “The Long Loneliness”. “Ich fühlte, dass mein Heim ohne ein Kind kein richtiges Heim war.”

Ihre Schwangerschaft in der Beziehung mit Batterham erschien Day wie ein Wunder. Aber Batterham sah keinen Sinn darin, Kinder in eine solch grausame Welt zu setzen.

Am 3. März 1927 wurde Tamar Theresa Day geboren. Day konnte sich keinen besseren Ausdruck für ihre überwältigende Dankbarkeit vorstellen, als Tamar katholisch taufen zu lassen. “Ich wollte meinem Kind die Orientierungslosigkeit ersparen, die ich oft erlebte, ich wollte gläubig sein, und ich wollte, dass mein Kind gläubig wird, und wenn die Zugehörigkeit zu einer Kirche ihr die unschätzbare Güte des Glaubens an Gott, und die umgängliche Liebe der Heiligen zuteil werden ließe, dann musste sie katholisch getauft werden.”

Nach Tamars Taufe kam es zum endgültigen Bruch mit Batterham. Am 28. Dezember 1927 wurde Day in die katholische Kirche aufgenommen. Es begann eine Phase in ihrem Leben, in der sie versuchte, ihren Glauben und ihre radikal-sozialen Werte miteinander zu vereinbaren.

Im Winter 1932 fuhr Day nach Washington, D.C., um für die Zeitschriften “Commonweal” und “America” über den “Hunger March” zu berichten. Day beobachtete den Zug der Demonstranten durch die Straßen Washingtons, sie trugen Schilder auf denen sie Arbeit forderten, eine Arbeitslosenversicherung, Renten, Entlastungen für Mütter, medizinische Versorgung und Wohnraum.

Day hielt sich aus allem heraus, weil sie eine Katholikin war und die Kundgebung von Kommunisten organisiert wurde, einer Partei, die nicht nur mit dem Kapitalismus, sondern auch mit der Religion auf Kriegsfuß stand. Es war der 8. Dezember, das Fest der unbefleckten Empfängnis. Nachdem sie die Kundgebung verfolgt hatte, ging Day zum Schrein der unbefleckten Empfängnis, wo sie ihre Qual in einem Gebet ausdrückte: “Ich sprach ein besonderes Gebet, ein Gebet unter Tränen und Seelenqual, dass sich mir irgendein Weg auftun möge, um die Begabungen, die ich besaß für die Arbeiter und die Armen zu nutzen.”

Als sie am nächsten Tag in ihr Appartement in New York zurückkehrte, traf Day Peter Maurin, einen 20 Jahre älteren französischen Immigranten.

Maurin, ein ehemaliger Mönch, verließ Frankreich 1908 in Richtung Kanada, und fand seinen Weg in die USA. Als er Day traf war er Handlanger in einem Ferienlager für katholische Jungen im Staate New York, und erhielt dafür Verpflegung, Eintritt in die Bücherei des Kaplans, eine Unterkunft in der Scheune und gelegentliches Taschengeld.

Während seiner Wanderjahre gelangte Maurin zu einer franziskanischen Einstellung, das Leben in Armut als Berufung betrachtend. Sein zölibatäres, unbelastetes Leben bot ihm Zeit für Studien und Gebete, woraus sich eine Vision einer sozialen Ordnung formte, die die Grundwerte der Evangelien beinhaltet, “in der es für den Menschen leichter wäre, gut zu sein.” Als geborener Lehrer fand er lernwillige Zuhörer, darunter George Schuster, Redakteur beim “Commonweal”-Magazin, der ihm Days Adresse gab.

So bemerkenswert wie die Vorsehung ihres Zusammentreffens, war Days Bereitschaft, zuzuhören. Es schien ihr, dass er die Antwort auf ihre Gebete verkörperte, jemand, der ihr helfen konnte, herauszufinden was ihre Bestimmung war.

Was Day tun sollte, sagte Maurin, war, eine Zeitung zu gründen, um katholische Soziallehre zu veröffentlichen, und die Schritte zur friedlichen Umgestaltung der Gesellschaft voranzutreiben. Day begrüßte die Idee bereitwillig. Wenn ihre familiäre Vergangenheit, ihre Arbeitserfahrung und ihr Glaube sie auf etwas vorbereitet hatten, dann darauf.

Day erreichte, dass Paulist Press bereit war, 2500 Exemplare einer achtseitigen kleinformatigen Zeitung für den Preis von 57 Dollar zu drucken. Ihre Küche war das Redaktionsbüro der neuen Zeitung. Sie beschloss, die Zeitung für einen Penny pro Exemplar zu verkaufen, “so billig, dass sich jeder leisten konnte, sie zu kaufen.”

Am 1. Mai 1933 wurde die erste Ausgabe des Catholic Worker am Union Square verkauft.

Wenige Presseerzeugnisse hatten einen so unmittelbaren Erfolg. Bis Dezember steigerte sich die monatliche Auflage auf 100 000. Den Lesern begegnete im Catholic Worker eine einzigartige Stimme. Sie drückte Unzufriedenheit mit der sozialen Ordnung aus, und ergriff die Seite der Gewerkschaften, aber ihre Vision der idealen Zukunft hinterfragte sowohl den Industrialismus als auch die Urbanisierung. Sie war nicht nur radikal, sondern religiös. Die Zeitung führte nicht nur Beschwerden, sondern bat die Leser um persönliche Stellungnahme.

Im ersten halben Jahr war “The Catholic Worker” nur eine Zeitung, aber als der Winter nahte, klopften Obdachlose an die Tür. Maurins Artikel forderten die Erneuerung der uralten christlichen Praxis der Gastfreundschaft den Wohnungslosen gegenüber. Auf diese Weise könnte die Anhängerschaft Christi entsprechend Jesus’ Worten handeln: “Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen”. Maurin war gegen die Vorstellung, dass Christen sich nur um ihre Freunde sorgen sollten, und die Sorge um Fremde unpersönlichen Wohltätigkeitsorganisationen überlassen sollten. Jeder sollte ein “Christenzimmer” haben, und jede Kirchengemeinde ein “Haus der Gastfreundschaft” um die “Botschafter Gottes” zu empfangen.

Umgeben von Menschen in Nöten und als ein Anziehungspunkt für Freiwillige, die aufregende Ideen im Catholic Worker entdeckten, war es bald unausweichlich, dass die Redakteure bald Gelegenheit bekommen würden, ihre Prinzipien in die Praxis zu übersetzen. Days Appartement wurde zum Saatkorn für viele weitere Häuser der Gastfreundschaft.

Bis zum Winter wurde ein Appartement mit Platz für zehn Frauen gemietet, kurz darauf auch eines für Männer. Als nächstes kam ein Haus in Greenwich Village dazu. 1936 zog die Gemeinschaft in zwei Häuser in Chinatown um, aber auch durch Erweiterungen konnte man unmöglich allen einen Platz bieten, die darauf angewiesen waren. Es waren hauptsächlich Männer, wie Day schrieb, “graue Männer, von der Farbe lebloser Bäume und Büsche und winterlicher Erde, die bis dahin nicht das Grün der Hoffnung in sich trugen, die sprießende Kraft des Glaubens.”

Viele waren überrascht, dass im Gegensatz zu den meisten karitativen Zentren, sich bei “Catholic Worker” niemand daran machte, sie zu missionieren. Ein Kruzifix an der Wand war das einzige unmissverständliche Zeichen für den Glauben derer, die sie willkommenhießen. Die Belegschaft erhielt nur Verpflegung, einen Platz am Tisch und gelegentlich Taschengeld.

“The Catholic Worker” wurde zur nationalen Bewegung. 1936 gab es bereits 33 über das ganze Land verstreute Catholic Worker- Häuser. Aufgrund der Depression gab es mehr als genug Menschen, die sie brauchten.

Die Einstellung von Catholic Worker denen gegenüber, die aufgenommen wurden, wurde nicht immer geschätzt. Das waren nicht die “deserving poor”, die unverschuldet Verarmten, wie manchmal bemängelt wurde, sondern Trinker und Taugenichtse. Ein Sozialarbeiter, der zu Besuch war, fragte Day, wie lange es den “Kunden” erlaubt war, zu bleiben. “Wir lassen sie für immer bleiben”, antwortete Day mit einem entschlossenen Blick. “Sie leben mit uns, sie sterben mit uns, und wir geben ihnen ein christliches Begräbnis. Wir beten für sie nach ihrem Tod. Wenn sie einmal aufgenommen wurden, sind sie ein Teil der Familie. Oder besser, sie waren schon immer ein Teil der Familie. Sie sind unsere Brüder und Schwestern in Christus.”

Manche rechtfertigten ihre Einwände mit Zitaten aus der Bibel. Hatte nicht Jesus gesagt, die Armen werde es immer geben? “Ja”, sagte Day einmal, “aber wir sind nicht glücklich damit, dass es so viele sein müssen. Die Klassenstruktur ist unser Werk, und wir sind es, die ihr Bestehen rechtfertigen, nicht Gott, und wir müssen alles tun was wir können, um sie zu ändern. Wir drängen auf einen revolutionären Wandel.”

Catholic Worker experimentierte auch mit landwirtschaftlichen Gemeinschaften. 1935 wurde auf Staten Island ein Haus mit Garten gemietet. Bald darauf kam “Mary Farm” in Easton, Pennsylvania, ein Anwesen, das schließlich wegen Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaft aufgegeben wurde. Eine weitere Farm wurde im Staate New York, nahe Newburgh erworben. Unter dem Namen “Maryfarm Retreat House” sollte sie länger Bestand haben. Später kam die “Maurin Peter Farm” auf Staten Island hinzu, die später nach Tivoli, und dann nach Marlborough umzog, beides im Hudson Walley gelegen. Day sah schließlich ein, dass die Berufung des “Catholic Worker” nicht so sehr die Schaffung von landwirtschaftlichen Modellkommunen, sondern von ländlichen Häusern der Gastfreundschaft war.

Was Day den meisten Ärger einbrachte, war ihr Pazifismus. Eine gewaltfreie Lebensführung war, wie sie meinte, tief in den Evangelien verankert. Sie nahm Jesus’ Aufforderung “Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen”, genauso ernst, wie die frühen Christen.

Viele Jahrhunderte lang hatte die katholische Kirche Kriege gutgeheißen. Päpste hatten Armeen gesegnet, und riefen zu Kreuzzügen auf. Im 13. Jhd. hatte der Heilige Franz von Assisi den Pazifismus wieder belebt, aber bis in das 20. Jhd. war es Katholiken unvorstellbar, eine solche Position einzunehmen.

Das erste Bekenntnis des Catholic Worker zum Pazifismus, veröffentlicht 1935, war ein Dialog zwischen einem Patrioten und einem Christen, in dem der Patriot dem Christen vorwarf, eine noble, aber unpraktikable Lehre zu vertreten. Mit solchen Artikeln hatten wenige Leser ein Problem, bis der spanische Bürgerkrieg 1936 ausbrach. Die faschistische Seite, angeführt von Franco, präsentierte sich als der Hüter des katholischen Glaubens. Beinahe jeder Bischof, und jede Publikation sammelte sich hinter Franco. Da Catholic Worker für keine der Seiten im Krieg Partei ergriff, verlor sie zwei Drittel ihrer Leser.

Jene, die hinter Franco standen, warnte Day zu Anfang des Krieges, “sollten einen Blick auf die Geschehnisse in [Nazi-] Deutschland werfen.” Sie äußerte ihre Sorge um die Juden, und war später unter den Gründern des Komitees der Katholiken gegen Antisemitismus.

Dorothy verfolgte den japanischen Angriff auf Pearl Harbor und den Kriegseintritt Amerikas und sie verkündete, dass die Zeitung ihren pazifistischen Standpunkt beibehalten werde. “Wir werden die Worte Christi drucken, der immer mit uns ist,” schrieb Day. “Unser Manifest ist die Bergpredigt.” Gegen den Krieg zu sein, fügte sie hinzu, hatte nichts mit Sympathie für Amerikas Gegner zu tun. “Wir lieben unser Land… Wir waren das einzige Land auf der Welt, wo Männer und Frauen aller Nationen Zuflucht vor Unterdrückung fanden.” Aber die Maßnahmen, die die Catholic Worker-Bewegung unterstützte, waren Werke der Barmherzigkeit, und nicht Werke des Krieges. Sie drängte “unsere Freunde und Verbündete sich um die Kranken und Verwundeten zu kümmern, um den Anbau von Nahrungsmitteln für die Hungernden, um die Fortsetzung unserer barmherzigen Arbeit in unseren Häusern und auf unseren Farmen.”

Nicht alle Mitglieder der Catholic Worker-Gemeinschaften waren einverstanden. Fünfzehn Häuser der Gastfreundschaft schlossen in den Monaten nach dem Kriegseintritt der USA. Days Ansichten setzten sich aber durch. Jede Ausgabe des “Catholic Worker” bekräftigte aufs Neue ihr Verständnis eines christlichen Lebens. Die jungen Männer, die sich währen des Krieges mit der Catholic Worker-Bewegung identifizierten, verbrachten einen Großteil der Kriegsjahre meist im Gefängnis oder in ländlichen Arbeitslagern. Einige leisteten ihren Dienst als unbewaffnete Sanitäter.

Der zweite Weltkrieg endete 1945, aber aus ihm entstand der Kalte Krieg, der mit Atomwaffen ausgerüstete “Kriegsstaat” USA, und eine Reihe kleinerer Kriege, in die Amerika oftmals involviert war.

Eines der Rituale im Leben der New Yorker Catholic Worker-Gemeinschaft, die Ende der 50er Jahre begonnen wurden, war die Weigerung, an den jährlichen staatlichen Zivilschutzübungen teilzunehmen. Eine solche Vorbereitung auf einen Angriff erschien Day als Teil des Versuchs, den Atomkrieg so darzustellen, als könnte man ihn überleben und gewinnen, und so die Milliardenausgaben für das Militär zu rechtfertigen. Als am15. Juni 1955 die Sirenen heulten, war Day unter einer kleinen Gruppe von Menschen, die vor dem Rathaus saßen. “Im Namen von Jesus, der Gott ist, der Liebe ist, werden wir diesem Befehl zu heucheln, zu evakuieren und sich zu verstecken, nicht gehorchen. Wir werden uns nicht darauf dressieren lassen, uns zu fürchten. Wenn wir uns auf die Atombombe verlassen, dann haben wir keinen Glauben an Gott” stand auf einem Flugblatt von Catholic Worker. Day beschrieb ihren zivilen Ungehorsam als einen Akt der Buße für den Abwurf von amerikanischen Atombomben auf japanische Städte.

Im ersten Jahr wurden die Dissidenten gerügt. Im Jahr darauf, wurden Day und andere für fünf Tage ins Gefängnis gesteckt. Als sie im darauffolgenden Jahr wieder verhaftet wurde, verurteilte sie der Richter zu 30 Tagen Gefängnis. 1958 hob ein anderer Richter die Strafe auf. 1959 kam Day wieder ins Gefängnis, aber nur für fünf Tage. 1960 dann erschienen anstatt nur einer handvoll, 500 Menschen im City Hall Park. Die Polizei verhaftete nur wenige, es fiel auf, dass Day nicht unter denen war, die herausgegriffen wurden. 1961 schwoll die Menschenmenge auf 2000 an. Dieses Mal wurden 40 verhaftet, Day aber war wieder nicht darunter. Es erwies sich als letztes Jahr der Generalproben für den Atomkrieg in New York.

Ein weiterer Schwerpunkt bei Catholic Worker war die Bürgerrechtsbewegung. Wie üblich wollte Day die Menschen, die beispielhaftes taten, besuchen, und ging deshalb nach Koinonia, einer christlichen landwirtschaftlichen Gemeinde im ländlichen Georgia, wo Schwarze und Weiße friedlich zusammenlebten. Als Day 1957 zu Besuch war, wurde die Gemeinschaft angefeindet. Eines ihrer Häuser wurde mit Maschinengewehren unter Beschuss genommen, und Mitglieder des Ku-Klux-Klans hatten auf ihrem Land Kreuze verbrannt. Day bestand darauf, beim Wachposten vorbeizuschauen. Als sie bemerkte, dass ein herannahendes Auto verlangsamte, duckte sie sich just in dem Moment, als eine Kugel vor ihren Augen die Lenksäule traf.

Ihre Sorge um die Einstellung der Kirche gegenüber Krieg führte Day zum Zweiten Vatikanischen Konzil, einem Ereignis, von dem Papst Johannes XXIII. erhoffte, es würde “die einfachen und klaren Linien, die das Gesicht der Kirche Jesu’ zu ihrer Entstehungszeit hatte”, wiedergewinnen helfen. Im Jahre 1963 war Day eine von 50 “Mütter für den Frieden”, die nach Rom gingen, um Papst Johannes für seine Enzyklika “Pacem in Terris” zu danken. Dem Tode nahe, konnte der Papst sie nicht persönlich empfangen, aber bei einer seiner letzten öffentlichen Audienzen segnete er die Pilger, und bat sie, ihre Arbeit fortzuführen.

1965 kehrte Day nach Rom zurück, um an einem Fasten teilzunehmen, um “unser Gebet und unsere Hoffnung” auszudrücken, dass der Konzil sich zu dem klaren Statement “Stecke dein Schwert an seinen Ort!” bekennen möge. Day sah das unangekündigte Fasten als ihren bescheidenen Beitrag zur Unterstützung der Bemühungen der Bischöfe, mit einer klaren Stimme an die moderne Welt zu sprechen.

Die Fastenden hatten im Dezember 1965 Grund zum frohlocken, als die “pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von Heute” von den Bischöfen bestätigt wurde. Das Konzil bezeichnete jede Kriegshandlung, die “darauf ausgerichtet ist, wahllos ganze Städte oder weite Gebiete mit ihren Einwohnern zu zerstören” als “ein Verbrechen gegen Gott und die Menschheit”. Das Konzil rief die Regierungen dazu auf, Wehrdienstverweigerer rechtlich zu berücksichtigen, und bezeichnete jene, die Befehlen gehorchen, die die Unschuldigen und Wehrlosen verachten, als ” kriminell”.

Kriegshandlungen, die “wahllos ganze Städte oder weite Gebiete mit ihren Einwohnern …zerstören”, waren auf der Tagesordnung im Gebiet von Vietnam, das sich 1965 und in den Folgejahren unter heftigem US-Bombardement befand. Viele junge Mitglieder von Catholic Worker mussten ins Gefängnis, weil sie ihrer Einberufung nicht Folge leisteten, während andere Ersatzdienst leisteten. Fast jeder bei Catholic Worker nahm an Protesten teil. Viele kamen wegen zivilen Ungehorsams ins Gefängnis.

Wahrscheinlich hat es keine andere Zeitung gegeben, dessen Redakteure so oft aus Gewissensgründen ins Gefängnis gingen. Day selbst wurde 1973 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, als sie an einem verbotenen Streik zur Unterstützung von Farmarbeitern teilnahm. Damals war sie 75.

Day lebte genug lange, um für ihre Leistungen Anerkennung zu ernten. 1967, als sei ihren letzten Besuch in Rom machte, um am internationalen Kongress der Laien teilzunehmen, fand sie sich unter den zwei Amerikanern - der andere ein Astronaut - die eingeladen waren, die Kommunion aus den Händen von Papst Paul VI. zu empfangen. Anlässlich ihres 75. Geburtstages widmete ihr das “Jesuit Magazine America” eine Sonderausgabe, das sie als diejenige bezeichnete, die beispielhaft für “das Streben und das Handeln der Katholischen Gemeinde Amerikas während der vergangenen 40 Jahre” steht. Die Notre Dame Universität von Indiana zeichnete sie mit ihrer Laetare-Medaille aus, und dankte ihr dafür, “sich um die Geplagten gekümmert, und die Unbekümmerten geplagt” zu haben.

Unter denen, die sie besuchen kamen, als sie nicht mehr in der Lage war, zu reisen, war Mutter Theresa aus Kalkutta, die einst das Kreuz, das nur voll ordinierte Mitglieder der Missionarinnen der Nächstenliebe tragen, an Days Kleid geheftet hatte.

Lange vor ihrem Tod am 29. November 1980 wurde Day von vielen als Heilige angesehen. Keines ihrer Worte ist besser bekannt, als ihre schroffe Antwort: “Nennt mich nicht eine Heilige. Ich möchte nicht so einfach abgetan werden.” Nichtsdestoweniger hat sie das Andenken vieler Heiliger liebevoll gehütet, und ist nun selbst Aufnahmekandidat für den Kalender der Heiligen. Die Claretiner starteten Bemühungen, um ihre Heiligsprechung voranzutreiben.

“Wenn ich etwas in meinem Leben erreicht habe,” bemerkte sie einmal, “dann weil ich mich nie schämte, über Gott zu sprechen.”

Quelle: www.catholicworker.com . Übersetzung: Csilla Morvai

Veröffentlicht am

17. August 2003

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