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Wie in Afghanistan

Die Bundesregierung hat die Ausdehnung eines weiteren Bundeswehr-Einsatzes in Mali in den von Attentaten gezeichneten Norden des Landes beschlossen. Nach der Stationierung deutscher Blauhelmtruppen (MINUSMA) im nordmalischen Gao werden Soldaten der Bundeswehr dort künftig auch Einheiten der malischen Armee trainieren. Im Norden des Landes werden regelmäßig Anschläge auf Konvois ausländischer Truppen verübt; zuletzt kamen am Dienstag drei französische Soldaten durch einen Sprengstoffanschlag ums Leben. Beobachter warnen zudem, die Ausbildungsmaßnahmen im Norden könnten aufgrund von Besonderheiten, die sich aus einem im Sommer 2015 geschlossenen Friedensabkommen ergeben, künftige Touareg-Aufstände begünstigen. Drei Jahre nach ihrem Beginn zeigt die Intervention in Mali klare Parallelen zum Einsatz in Afghanistan: Von einer "Stabilisierung" des Einsatzgebiets kann keine Rede sein; vielmehr dehnt sich, wie es in einem malischen Geheimdienstbericht heißt, die "terroristische Bedrohung" auf das Zentrum und den Süden des Landes aus. Anschläge werden mittlerweile nicht nur auf MINUSMA, sondern auch auf die EU-Truppe EUTM Mali verübt.

Einsatz in Nordmali

Die Bundesregierung hat am gestrigen Mittwoch die Ausdehnung des Ausbildungseinsatzes der Bundeswehr in Mali beschlossen. Grundlage ist die Entscheidung des Europäischen Rats vom 23. März, die European Union Training Mission in Mali (EUTM Mali) in Zukunft nicht mehr auf den Süden des Landes zu beschränken. Vielmehr soll die Ausbildung malischer Soldaten auch in Gebieten weiter nördlich bis zum Nigerbogen durchgeführt werden; dabei werden insbesondere die Städte Timbuktu und Gao einbezogen. Damit wird sich die Präsenz der Bundeswehr in Nordmali noch weiter verstärken. Bereits am 28. Januar hatte der Bundestag der Entsendung von bis zu 650 deutschen Soldaten nach Nordmali zugestimmt - im Rahmen der UN-Blauhelmtruppe MINUSMA (Mission multidimensionnelle intégrée des Nations Unies pour la stabilisation au Mali). Seit dem 3. Februar richten sich deutsche Truppen in einem MINUSMA-Lager in Gao ein; bislang sind rund 200 Soldaten dort eingetroffen, im nächsten Schritt sollen 200 weitere folgen. Im Rahmen von EUTM Mali, die seit August 2015 vom deutschen Brigadegeneral Franz Xaver Pfrengle geführt wird, sind ebenfalls ungefähr 200 deutsche Soldaten in dem Land stationiert, bislang allerdings im Süden unweit der Hauptstadt Bamako.

Nebenwirkungen…

Werden deutsche Truppen im Rahmen von MINUSMA in Gao stationiert, um dort niederländische Einheiten zu ersetzen, so erfolgt die Entsendung von Bundeswehrsoldaten in Umsetzung einer neuen Beschlusslage in Mali selbst. Ein Friedensabkommen, das Malis Regierung am 21. Juni 2015 mit Touareg-Rebellen geschlossen hat, sieht vor, dass diese in die malische Armee eingegliedert, dabei aber nur im Norden des Landes - in ihren Wohngebieten - eingesetzt werden. Entsprechend wird nun auch ihre militärische Ausbildung dort durchgeführt. Beobachter betrachten dies mit erheblicher Skepsis. So wird einerseits darauf verwiesen, dass zumindest Teile der einzugliedernden Touareg-Milizen in den riesigen, kaum kontrollierbaren Wüstengebieten Nordmalis in Schmuggelgeschäfte aller Art involviert sind; setze man sie als Soldaten im Norden ein, könne dies ganz offenkundig zu ernsten Interessenkonflikten führen, heißt es.Thomas Scheen: Ein neuer Friedensschluss in Bamako. Frankfurter Allgemeine Zeitung 22.06.2015. Zudem erinnern nicht wenige daran, dass bereits im Verlauf der Rebellion des Jahres 2012 diverse Touareg-Einheiten aus der Armee desertierten - oder sogar gleich zu den Rebellen überliefen.Alexis Arieff: Crisis in Mali. Congressional Research Service. www.crs.org 14.01.2013. Womöglich bereite man, indem man Touareg-Kämpfer im Norden ausbilde, einer künftigen weiteren Rebellion den Boden, warnen manche: "Die Tuareg bekommen eine eigene Armee, die von Bamako bezahlt wird."Thomas Scheen: Ein neuer Friedensschluss in Bamako. Frankfurter Allgemeine Zeitung 22.06.2015.

… und Risiken

Bereits jetzt weist die Militärintervention in Mali klare Parallelen zum Einsatz in Afghanistan auf. So ist es zwar gelungen, Nordmali der Kontrolle jihadistischer Milizen zu entreißen, ganz wie es 2001 gelang, die Herrschaft der Taliban vorläufig zu beenden. Dennoch werden die Interventionstruppen - MINUSMA-Einheiten, aber auch Soldaten der französischen "Anti-Terror"-Operation Barkhane - regelmäßig von Anschlägen getroffen. Laut einem Bericht der UNO sind zuletzt etwa zwei von drei MINUSMA-Konvois, die aus Gao weiter nach Norden Richtung Anéfis aufbrachen, auf Sprengfallen getroffen; von den Konvois, die aus Gao nach Osten Richtung Ménaka fuhren, wurden sogar vier Fünftel attackiert.Report of the Secretary-General on the situation in Mali. United Nations Security Council, S/2015/1030, 24.12.2015. MINUSMA gilt mit mittlerweile deutlich mehr als 80 Todesopfern als der zur Zeit gefährlichste UN-Einsatz überhaupt. Als Bundespräsident Joachim Gauck am 12. Februar für einige Stunden Mali besuchte, kamen sieben Soldaten durch einen Angriff auf das MINUSMA-Lager in Kidal ums Leben; der Angriff war ausweislich eines Bekennerschreibens eine ausdrückliche Warnung vor der Fortführung der auswärtigen Militärintervention. Erst am Dienstag wurden erneut drei französische Soldaten getötet, als ihr Wagen an der Spitze eines "Operation Barkhane"-Konvois auf eine Sprengfalle fuhr. Zumindest die bei MINUSMA eingesetzten Bundeswehrsoldaten werden im Rahmen ihrer "Aufklärungs"-Aktivitäten regelmäßig im Konvoi durch Nordmali fahren müssen.

Der Terror dehnt sich aus

Weit davon entfernt, von den Interventionstruppen wirksam stabilisiert zu werden, erlebt Mali inzwischen sogar eine Ausweitung des Terrors. Zum einen haben altbekannte Strukturen wie Al Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) und deren Abspaltung "Al Mourabitoun" ihre Attentate verstärkt; auf ihr Konto gehen die mörderischen Anschläge auf Hotels und ein Strandgebiet in Malis Hauptstadt Bamako (20. November 2015), Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou (15. Januar 2016) und dem ivorischen Badeort Grand-Bassam (13. März 2016), bei denen insgesamt rund 70 Menschen getötet wurden. Möglicherweise stecken AQIM und "Al Mourabitoun" auch hinter dem Angriff auf ein von EUTM Mali genutztes Hotel in Bamako (21. März 2016), der allerdings ohne EU-Verluste zurückgeschlagen werden konnte. Vielleicht noch schwerer wiegt jedoch, dass neben den altbekannten Terrorstrukturen, die in Malis Norden fest verankert sind, inzwischen auch eigenständige Terrororganisationen im Zentrum und im Süden des Landes entstehen. So werden mehrere Anschläge im Süden dem "Front de libération du Macina" zugeschrieben, einer Organisation, die sich auf die Region Macina um die zentralmalische Stadt Mopti bezieht. "Die terroristische Bedrohung" habe sich "mit dem Auftauchen neuer Gruppen im Zentrum und im Süden auf fast das gesamte Staatsgebiet ausgedehnt", heißt es in einem Bericht des malischen Geheimdiensts, aus dem kürzlich die Zeitschrift "Jeune Afrique" zitierte.Mali: Keïta et Koufa, l’inquiétant duo terroriste du Sud. www.jeuneafrique.com 03.12.2015.

Von Mauretanien bis Tschad

Dass die Bundeswehr ihre Aktivitäten nach Nordmali ausdehnt, entspricht nicht zuletzt der Berliner Rahmenstrategie. Experten haben regelmäßig darauf hingewiesen, dass Schmuggler und Jihadisten, die Berlin und die EU vor allem repressiv zu bekämpfen versuchen, in den kaum kontrollierbaren Weiten der Sahara und des Sahel grenzüberschreitend operieren. Daher sei es "sinnvoll, wenn Berlin künftig seine außen- und sicherheitspolitischen Bemühungen noch stärker auf regionale Ansätze … ausrichtet", hieß es im vergangenen Jahr exemplarisch bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS).Michael Hanisch: Eine neue Qualität des Engagements. Deutschlands erweiterter militärischer Einsatz in Nord-Mali. Arbeitspapier Sicherheitspolitik Nr. 8/2015. S. dazu Ein Feuerring bis Mali . Der deutsch geführte Polizeieinsatz EUCAP Sahel Mali bildet die Polizei, die Gendarmerie und die Nationalgarde Malis aus. Neben ihm unterhält EUCAP Sahel einen weiteren Ableger im benachbarten Niger. EUTM Mali wird laut Angaben der Bundeswehr künftig die Ausbildungsmaßnahmen so gestalten, dass die "Interoperabilität und Kooperation der Streitkräfte der Staatengruppe G5 Sahel" gewährleistet ist.Ausweitung der EU-Ausbildungsmission in Mali beschlossen. www.bundeswehr.de 04.04.2016. Zu "Sahel G5" haben sich im Februar 2014 die fünf Staaten zusammengetan, in denen Frankreich die "Anti-Terror"-Operation "Barkhane" führt: Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad. Der Verbund wird von der EU in den kommenden fünf Jahren mit einer Milliardensumme unterstützt. Ohne Operationen bis in die Wüstenregionen hinein wären Erfolge allerdings kaum denkbar. Die Bundeswehr operiert daher künftig auch in Malis Norden.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 14.04.2016.

Fußnoten

Veröffentlicht am

14. April 2016

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