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Syrien: Schneisen für Hilfe

Das Schicksal der Stadt Madaja sollte der internationalen Syrien-Diplomatie verdeutlichen, dass sie sich nicht länger an der Assad-Frage abarbeiten sollte

Von Lutz Herden

Die Tragödie der Städte Madaja, Fua und Kefraja taugt zur Lektion. Zeigt sich doch, dass es überall dort in Syrien unmöglich ist, minimale menschliche Standards zu wahren, wo sich die Kriegsfurie ungehindert austobt. Madaja lässt wissen, es kann unter diesen Umständen viel zu lange dauern, bis durch überparteiliche Vermittlung - in diesem Fall das Internationale Komitee vom Roten Kreuz - 70.000 Menschen vor Verhungern und Siechtum gerettet werden. Bürgerkrieg kann heißen, dass die Kombattanten Zivilisten als Geiseln nehmen. Solches geschieht besonders dann, wenn in Wohnvierteln gekämpft wird. Nirgendwo lässt sich besser Deckung finden. Doch kann sich das Grauen wie bei Madaja genauso aus Besetzung und Belagerung ergeben. In einem äußeren Ring durch die Assad-Armee und Hisbollah-Milizen eingekreist, herrscht in der Stadt selbst die Willkür von Rebellenverbänden, von denen Flüchtende beschossen wurden. Es tauschte den sicheren Tod gegen den sicheren Tod, wer nur weg wollte.

13 Millionen Menschen leben in Syrien faktisch in der Kampfzone. Ihnen kann es jederzeit ergehen wie den Todgeweihten von Madaja. Allein das ist Anlass genug, der im Herbst reanimierten Syrien-Diplomatie vor Augen zu halten, unter welchem Zeit- und Erfolgsdruck sie steht. Ihre Unterhändler sollten nicht länger darüber streiten, ob und wie das Baath-Regime und Präsident Baschar al-Assad ein politisches Bleiberecht in Anspruch nehmen dürfen. Vorläufig bleibt Russland bei seinen Garantien, weil es den syrischen Staat als Anker der Stabilität für alternativlos hält. Folglich sollte Realpolitik dort ansetzen, wo sich der Krieg, wenn schon nicht beenden, so doch eindämmen lässt.

Punktuelles Vorgehen

Warum nicht Madaja auch als Exempel dafür begreifen, dass sich lokale Feuerpausen und humanitäre Korridore aushandeln lassen? Sie werden gebraucht, wo Städte für Menschen keine Heimstatt mehr, sondern ein Albtraum sind. Vielleicht ist punktuelles Vorgehen überhaupt der Weg, zunächst ein kleines Terrain zu befrieden, das zur Keimzelle von Schutzzonen wird. Das im Westen geschätzte Prinzip der Schutzverantwortung könnte sich einmal ganz anders Geltung verschaffen, würde der UN-Sicherheitsrat nicht Staaten, sondern Hilfsorganisationen mit Mandaten ausstatten.

Quelle: der FREITAG vom 15.01.2016. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

15. Januar 2016

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