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Tag der Erlösung mahnt eine neue Weltfriedensordnung an

Erklärung des pax christi-Präsidenten Bischof Heinz Josef Algermissen, Fulda, zum 70. Jahrestag der Befreiung Deutschlands von Nationalsozialismus und Krieg am 8. Mai 1945

Der 8. Mai 1945 war ein Tag der Erlösung. An diesem Tag wurde Deutschland von der NS-Schreckensherrschaft befreit. Das Morden und der Krieg hatten ein Ende, in Europa war der Zweite Weltkrieg vorbei. Rund 50 Millionen tote Zivilisten und Soldaten, Millionen Flüchtlinge und durch den Krieg Traumatisierte, zerstörte Städte und Landschaften waren zu beklagen. Besonders gelitten haben mit sechs Millionen Toten Polen und die Sowjetunion mit rund 25 Millionen Toten. Der von Deutschland ausgegangene Zweite Weltkrieg war nicht nur ein Krieg gegen Staaten, sondern ausdrücklich gegen die Bevölkerung. Militärisches Handeln gab den Rahmen für Massenverbrechen an Juden, sowjetischen Kriegsgefangenen, Sinti und Roma, Behinderten und Zwangsarbeitern.

Umso mehr markiert der 8. Mai für alle überlebenden Opfer die Befreiung, das Ende ihrer Leiden, der Lager, des Exils. Diese Befreiung anzunehmen und einzusehen, fiel der deutschen Gesellschaft und ihren Institutionen lange nicht leicht. Verleugnung und Verdrängung der Fakten wie der Schuldfrage erschwerten den befreienden Umgang mit der eigenen Geschichte.

Auch den Kirchen fiel es nicht leicht, ihren Anteil an der Tragödie zu verstehen. "Der Charakter dieses vorsätzlich heraufbeschworenen Krieges wurde auch von vielen Christen lange verkannt, seine Dimensionen wurden erheblich unterschätzt", so haben wir Bischöfe es in unserem Wort "Gerechter Friede" (2000) zur Sprache gebracht. Und haben festgestellt: "Die Verwüstungen des Nationalsozialismus wirken bis heute fort" (Nr. 120).

Auch wenn wir aus Distanz und heutiger Sicht versuchen, die Ängste vor der Diktatur wie auch die Begeisterung für das NS-System zu verstehen, bleibt doch die Frage offen, warum nur relativ wenige die Kraft und den Mut zu Widerstand und Ablehnung fanden und demgegenüber eine Mehrzahl, auch in den Kirchen, in Gehorsam oder Anpassung dem System folgte. Einige, die aus dem christlichen Glauben heraus handelten, dürfen wir als Vorbilder nennen: Franz Jägerstätter, Josef Ruf, Nikolaus Groß, die Geschwister Scholl, Alfred Delp und Dietrich Bonhoeffer.

Angesichts dieser Verbrechen waren Schuldbekenntnisse notwendig, ist die Bitte um Verzeihung immer wieder angebracht. Womit wir nicht rechnen konnten, geschah: Den Deutschen wurde die Hand zur Versöhnung gereicht. Französische Christen, selber von Verfolgung bedroht, begannen einen Weg des Gebetes für das feindliche Deutschland und sprachen von Vergebung. Für pax christi begann damit vor 70 Jahren auch der eigene Weg einer internationalen Bewegung für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung. Dankbar erinnern wir uns in diesem Jahr auch an die Botschaft der Vergebung, die uns später von den polnischen Bischöfen geschenkt wurde.

Die Auseinandersetzung mit Krieg und faschistischen Ideologien ist nicht einfach abgeschlossen, immer wieder treten neue rechtsextreme Organisationen in Europa auf und tragen ihre Ablehnung von Fremden, Flüchtlingen und Zuwanderern auch gewalttätig in die Öffentlichkeit.

Auch wenn Europa jetzt auf 70 Jahre Frieden dankbar zurückblicken darf, sind doch die Wunden des Krieges in einigen europäischen Ländern wie zum Beispiel in Italien und Griechenland nicht geschlossen. Noch immer warten Opfer deutscher Kriegsverbrechen auf ein Zeichen der Anerkennung ihrer Leiden und des Eingeständnisses der Schuld der Täter. "Sie erfolgte oft verspätet, zögerlich und gelegentlich widerwillig. Manches Mal kam sie nur zustande, weil politische oder wirtschaftliche Interessen dies nahelegten. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind deshalb aufgerufen, die noch offenen Entschädigungsfragen konsequenter im Sinne der Opfer zu regeln… Wiedergutmachung bedeutet… für die Opfer oft einen wichtigen Schritt, weil so die Ernsthaftigkeit der Umkehr der Täter glaubhafter wird" (Gerechter Friede, Nr. 119).

70 Jahre Frieden sind auch ein Herausforderung, Gegenwart und Zukunft in Frieden zu gestalten. Der Ruf nach einer größeren Verantwortung Deutschlands in der Welt, öfter mit dem Ruf nach mehr militärischem Einsatz verbunden, muss als Ruf zur Verantwortung für eine gerechte Friedensordnung verstanden werden, die mit zivilen Mitteln zu erreichen ist. Die massiven Rüstungsexporte Deutschlands stehen dem diametral entgegen.

Deutschland hat zusammen mit seinen Partnern in der EU eine Verantwortung für Frieden. In einer Zeit, in der die Kriegsgefahr von vielen Menschen wieder als real erlebt wird, ist eine neue Entspannungs- und nicht Abschreckungspolitik das Gebot der Stunde in Europa.

Mit den Vereinten Nationen, der Weiterentwicklung des Völkerrechts und dem Internationalen Strafgerichtshof wurden wichtige Konsequenzen aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen. Was aussteht, ist eine Weltfriedensordnung, die auch den Opfern der Weltwirtschaft gerecht wird, so dass Menschen nicht mehr an Hunger sterben und Zugang zu elementaren Gütern wie Wasser, Bildung und sozialem Frieden bekommen.

Berlin/Fulda, 29. April 2015

+ Heinz Josef Algermissen
Präsident von pax christi Deutschland
Bischof von Fulda

Quelle:  pax christi Deutschland - Pressemitteilung vom 29.04.2015.

Veröffentlicht am

30. April 2015

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