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Kämpfe im Sahel (II)

Mit dem Putsch in Mali verkomplizieren sich die Bemühungen Berlins um stärkere Einflussnahme auf die strategisch wichtige Sahel-Region. Am vergangenen Mittwoch haben in der malischen Hauptstadt Bamako Teile des Militärs geputscht und die Regierung von Staatspräsident Amadou Toumani Touré abgesetzt. Unmittelbarer Auslöser war die Unzufriedenheit vieler einfacher Soldaten mit der Strategie der malischen Regierung im Konflikt mit den Tuareg im Norden des Landes. Berlin hat in den vergangenen Jahren eng mit dem malischen Militär kooperiert. Frankreich hingegen ist dazu übergegangen, im Norden Malis mit eigenen Truppen zu intervenieren - unter Umgehung der Regierung in Bamako. Kritische Stimmen aus Mali befürchten nun, westliche Staaten, etwa Frankreich, könnten den Putsch als Vorwand für eine umfassendere militärische Intervention in ihrem Land nutzen. Gleichzeitig verschärft sich die Konkurrenz zwischen Deutschland und Frankreich um geostrategischen und ökonomischen Einfluss in der Sahel-Region.

Putsch

Am vergangenen Mittwoch putschten in Mali Teile der Armee und stürzten im Namen eines "Nationalen Komitees für die Wiederbelebung der Demokratie und die Wiederherstellung des Staates" die bisherige Regierung von Staatspräsident Amadou Toumani Touré. Die Offiziere setzten die Verfassung vorläufig außer Kraft, lösten alle staatlichen Institutionen auf und sagten die für April vorgesehenen Präsidentschaftswahlen ab. Der gewaltsame Sturz der Regierung geht offenbar in erster Linie vom Druck der mittleren und niederen Ränge des Militärs aus; aus diesem Milieu erhob sich am 21. März eine Meuterei in einer Kaserne in einem Außenbezirk der Hauptstadt Bamako, von wo die Meuterer zum Sitz des Präsidenten zogen, wobei sie unter anderem ein Fahrzeug der bundeseigenen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (GIZ) beschlagnahmten. Vor dem Sitz des Präsidenten kam es dann zu stundenlangen Gefechten mit der Präsidialgarde.

Folgen des Libyen-Kriegs

Hintergrund des Putsches ist der seit Anfang des Jahres eskalierende bewaffnete Tuareg-Konflikt im Norden Malis. Nach dem Ende des libyschen Bürgerkrieges sind viele Tuareg, die zuvor in Diensten von Gaddafis Armee gestanden hatten, in ihre Heimatregionen in der Sahelzone zurückgekehrt - unter anderem nach Mali. Dank der Rückkehrer mit neuer militärischer Ausrüstung und aktuellem Kriegs-Know-How versehen, starteten die Tuareg eine neue Offensive und nahmen verschiedene Ortschaften im Norden Malis ein. Mittlerweile sollen sie kurz vor der Eroberung von Kidal stehen, der strategisch wichtigsten Stadt im Norden des Landes. Die Soldaten der malischen Armee fühlen sich in diesem Konflikt von der malischen Regierung verheizt; die Armee scheint zu schwach, um den gut ausgerüsteten und organisierten Tuareg-Rebellen Einhalt gebieten zu können. Der Sprecher der Putschisten, Leutnant Amadou Konaré, nannte als Grund für den Aufstand "die Unfähigkeit der Regierung, wirksam gegen die Terroristen im Norden des Landes vorzugehen".Militärputsch gegen Präsident Touré; www.faz.net 22.03.2012.

Deutsch-französische Konkurrenz

Offiziell haben die Vereinten Nationen (UN), die Europäische Union (EU) sowie die Afrikanische Union (AU) die gewaltsame Machtübernahme durch Teile des Militärs unisono verurteilt und die sofortige Wiedereinsetzung der Regierung gefordert. Auch Berlin verlangt die "umgehende Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung".Bundesregierung verurteilt Militärputsch in Mali; www.auswaertiges-amt.de 22.03.2012. Im Hintergrund bestehen allerdings seit einiger Zeit erhebliche Differenzen zwischen den westlichen Staaten im Hinblick auf ihre geostrategische Einflussnahme in der Sahelregion - insbesondere zwischen Deutschland und Frankreich. Frankreich hält seit jeher in seinen ehemaligen Kolonien eine starke Stellung und versucht diese zum Teil durch einen unilateralen Kurs direkter politischer wie militärischer Intervention aufrechtzuerhalten. Deutschland hingegen bemüht sich, seinen Einfluss durch verstärkte Kooperation mit den jeweiligen Staaten und mit überregionalen Staatenbündnissen auszuweiten - auf Kosten von Paris. Mali ist dabei für den Westen weniger unter ökonomischen Gesichtspunkten als vielmehr aufgrund seiner geostrategischen Lage von Bedeutung: Es grenzt sowohl an die ökonomisch interessanteren Ressourcenstaaten Nordafrikas als auch an das ressourcenreiche Westafrika und gilt als Drehscheibe für die wirtschaftliche und politische Einflussnahme in der Region. In Bamako heißt es zugespitzt, Experten verträten die Ansicht, von Mali aus könne letztlich "ganz Afrika" regiert werden.Militärputsch kann Vorwand für Intervention bieten; www.jungewelt.de 26.03.2012.

Einflussnahme im Militär

Im Rahmen seines Versuchs, sich als vermeintlich kooperationsbereite Alternative zur neokolonial geprägten Politik Frankreichs zu profilieren, hat die Bundesrepublik in den letzten Jahren unter anderem ihre militärpolitische Zusammenarbeit mit den westafrikanischen Staaten deutlich intensiviert. In Mali unterstützt sie sowohl finanziell als auch durch deutsche "Militärberater" die Bamako Peacekeeping School. Das Zentrum ist im Auftrag der AU und des westafrikanischen Staatenbündnisses ECOWAS tätig und soll afrikanische Armeen für Militäroperationen auf dem Kontinent vorbereiten - zum Beispiel für Kooperationen mit den EU Battle Groups oder mit der NATO Response Force. Die Bamako Peacekeeping School ist ihrerseits eng verbunden mit dem Kofi Annan International Peacekeeping Centre in Ghana, das sogenannte Friedenstruppen aus verschiedenen Ländern Afrikas ausbildet. Seit seinem Bestehen unterstützt Berlin die Einrichtung mit Millionensummen.s. dazu Militär für Afrika (II) . Kolloquien und Seminare für hochrangige Militärs aus den Staaten Westafrikas bietet regelmäßig auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung an. Um Einfluss im Milieu von Militär und Repressionsbehörden zu erlangen, nutzt die Bundesrepublik auch Projekte der sogenannten Entwicklungspolitik. So unterstützt zum Beispiel die bundeseigene Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) das "African Union Border Programme" der AU. Im Rahmen dieses Programms geht es um "die Festlegung und Markierung von Grenzen" und im Zusammenhang damit auch um "die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, den Aufbau von Institutionen und Kapazitätsentwicklung sowie die Mobilisierung von Ressourcen" in Afrika südlich der Sahara.Unterstützung des Grenzprogramms der Afrikanischen Union; www.gtz.de . An dem Programm sind bislang zehn afrikanische Staaten beteiligt - auch Mali.

An der Regierung vorbei

Während Berlin in Sachen Militär eng mit der Regierung Malis zusammengearbeitet hat, gilt es in Bamako als offenes Geheimnis, dass vor allem Frankreich sich schon länger an Tourés "weicher" Strategie im Umgang mit den Tuareg-Rebellen stört. Touré schien in der jüngeren Vergangenheit eher einen Ansatz zu verfolgen, der auf die Integration der Tuareg in die Institutionen des malischen Staates setzte. So erhielten Tuareg etwa hohe Positionen im militärischen Apparat, um sie mittels Einbindung zu befrieden. Nun wird Touré vorgeworfen, er habe mit dieser Politik das Land nur weiter destabilisiert. Offen brachte Frankreich seine Ablehnung zum Ausdruck: Es intervenierte zuletzt mehrfach gemeinsam mit Mauretanien militärisch im Norden Malis - an der Regierung des Landes vorbei, unter anderem, um französische Geiseln zu befreien.

Sahel Task Force

Die jüngste Zuspitzung der politischen Krise in Mali verkompliziert die Bemühungen Berlins um stärkere Einflussnahme in der strategisch wichtigen Sahel-Region, in der ohnehin gewaltsame soziale Auseinandersetzungen eskalieren - zuletzt in Nigeria.s. dazu Am Rande des Bürgerkriegs . Kritische Stimmen aus Mali schließen mittlerweile die Möglichkeit eines direkten militärischen Eingreifens westlicher Staaten, etwa auf Drängen Frankreichs, nicht aus: Der Putsch könne "als Vorwand für eine Militärintervention dienen", warnt ein Oppositioneller aus Mali.Militärputsch kann Vorwand für Intervention bieten; www.jungewelt.de 26.03.2012. Eine direkte Intervention könnte jedoch vor allem der ehemaligen Kolonialmacht zugute kommen und die deutschen Bestrebungen konterkarieren, die eigene Position mit einer Strategie vorgeblich "gleichberechtigter" Partnerschaft und der Zusammenarbeit mit regionalen Militärinstitutionen zu stärken. Angesichts der Zuspitzung der Lage im Sahel hat die Bundesregierung kürzlich eine "Sahel Task Force" aufgebaut, die sich mit "politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Fragestellungen für die Sahel-Region" befasst.Bundesregierung intensiviert Hilfe für die Sahel-Zone; www.bmz.de 07.02.2012. S. auch Kämpfe im Sahel . Sie wird sich in den nächsten Monaten über einen Mangel an Arbeit kaum zu beklagen haben.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 28.03.2012.

Fußnoten

Veröffentlicht am

29. März 2012

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