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Roma nicht aus ihrer Heimat Deutschland in elende Lebensverhältnisse abschieben

Flüchtlingsrat Baden-Württemberg begrüßt die Kampagne des Netzwerk rassismuskritische Migrationspädagogik gegen Abschiebung von Roma in den Kosovo. 

"Es sind die Kinder, die unter der zwangsweisen Rückkehr am stärksten leiden."

Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommissardes Europarates

Mit etwa 1.200 Menschen bilden die Minderheiten der Roma eine der größten Gruppen der 9.450 Menschen mit Duldung in Baden-Württemberg. Bis Juni 2009 waren Roma von der Abschiebung in das Kosovo nicht betroffen. Ihre Sicherheit galt als gefährdet, sie wurden weiterhin geduldet und das schon über Jahre hinweg.

Roma haben ganz besonders unter den kriegerischen Auseinandersetzungen des zerfallenden Jugoslawiens gelitten. In der Folge des Kosovo-Krieges 1999 galt ihre Sicherheitslage als besonders gefährdet, da sie von der albanischen Bevölkerungsmehrheit der Kollaboration mit den Serben bezichtigt wurden. Viele mussten fliehen, in ihren Zufluchtstaaten insbesondere in Deutschland erhielten sie in der Regel aber keinen Flüchtlingsschutz, lediglich der Vollzug der Abschiebung wurde ausgesetzt, sie wurden geduldet von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr. Viele der Roma halten sich bereits 10 Jahre und länger in Deutschland auf. Über die Hälfte der geduldeten Roma sind Kinder und Jugendliche, die zum überwiegenden Teil in Deutschland geboren sind. Sie sind in Deutschland verwurzelt, bezeichnen Deutschland als ihre Heimat, sind faktische Inländer. Die Lebensverhältnisse des Herkunftslandes ihrer Eltern sind ihnen ebenso fremd wie die offiziellen Sprachen Albanisch oder Serbisch.

Im August 2011 hatte die neue grün-rote Landesregierung die Abschiebung dieser Minderheiten ausgesetzt, bis eine Delegation des Petitionsausschusses des Baden-Württembergischen Landtages sich ein Bild von der Lage der Minderheiten vor Ort machen konnte. Die Delegation ist mittlerweile zurück, vom Ergebnis ihrer Eindrücke hängt nun das künftige Schicksal der Geduldeten ab. Sollte der Ausschuss mehrheitlich der Meinung sein, dass die "Roma nicht diskriminiert werden, aber auch nicht wirklich eine Teilhabe an der kosovarischen Gesellschaft haben", wie die Ausschussvorsitzende Beate Böhlen (Grüne) im Deutschland Radio zitiert wird, steht es um den weiteren Aufschub der Rückführungen schlecht. Dann hat das Innenministerium die Munition, die es benötigt, um wieder in den Vollzug treten zu können. Denn dies war bereits in einem Schreiben vom 16. November 2011, zu einem Zeitpunkt als die Lage im Kosovo alles andere als stabil war, von der stabilen Sicherheitslage überzeugt und berief sich dabei auf Berichte des Auswärtigen Amtes vom Januar 2011 und des UN-Sicherheitsrates vom Mai 2011. Nicht berücksichtigt werden die elenden Lebensbedingungen, denen Rückkehrer ausgesetzt werden. So berichtet eine Studie von UNICEF vom August 2011Verena Knaus: Abgeschoben und vergessen: Zur Situation von Kindern aus Roma-, Ashkali- und Ägypter-Familien nach ihrer Rückführung in den Kosovo. Hrsg. UNICEF Kosovo und das Deutsche Komitee für UNICEF, August 2011., die sich insbesondere mit der Situation von Kindern der Minderheiten nach ihrer Rückführung in das Kosovo befasst, dass für drei von vier Kindern der Schulbesuch faktisch unmöglich gemacht wird.

Ganz abgesehen von der prekären Lebenssituation, die die geduldeten Roma im Kosovo erwartet, muss die Landesregierung die Tatsache, dass diese Menschen, insbesondere ihre Kinder, hier verwurzelt sind, berücksichtigen. Sie sind nach jahrelangem Aufenthalt faktische Inländer. Nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Schutz des Privat- und Familienlebens) steht ihnen ein Aufenthalt in Deutschland zu. Seit Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention im Sommer 2010 endlich ohne Vorbehalte anerkannt hat, muss sowieso jede behördliche Entscheidung mit Blick auf das Wohl des Kindes getroffen werden.

Die Landesregierung will sich laut Koalitionsvertrag für einen humaneren Umgang mit Flüchtlingen einsetzen. "Jetzt ist die Möglichkeit, den Lackmustest für einen humanen Umgang mit Flüchtlingen zu bestehen. Abschiebungen in das Kosovo sind ebenso inhuman, wie Flüchtlinge über Jahre hinweg im Status der Duldung zu belassen. Die Landesregierung kann die Kettenduldungen beenden, indem sie den dafür vorgesehenen Paragraphen im Aufenthaltsgesetz großzügig anwendet. Wir sind froh, dass sich das Netzwerk rassismuskritische Migrationspädagogik mit seiner Kampagne gegen die Abschiebung von Roma in das Kosovo, vor die schutzbedürftigen Kinder und Jugendlichen stellt." So Angelika von Loeper, Vorsitzende des Flüchtlingsrates Baden-Württemberg.

Quelle:  Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e. V. , Pressemitteilung vom 03.02.2012.

Aufruf: PädagogInnen gegen Abschiebung von Roma in den Kosovo

Das Netzwerk rassismuskritische Migrationspädagogik hat einen Aufruf gegen die Abschiebung von Roma in den Kosovo initiiert. Nun sind alle Menschen, die in pädagogischen und psychosozialen Handlungsfeldern arbeiten, und insbesondere Einrichtungen, Träger und Verbände aufgefordert, sich mit ihrer Unterschrift dem Aufruf anzuschließen.

Fußnoten

Veröffentlicht am

08. Februar 2012

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