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Die Gesetze des Krieges

Ein mit der Bundesakademie für Sicherheitspolitik kooperierender Juniorprofessor der Universität Trier rechtfertigt öffentlich Massaker deutscher Truppen an afghanischen Zivilisten. "Kollateralschäden", erklärt der Politologe Martin Wagener, "gehören gerade in asymmetrischen Auseinandersetzungen leider dazu". Die Äußerungen gewinnen an Brisanz, nachdem erst kürzlich Bundeswehrsoldaten im afghanischen Taloqan gemeinsam mit einheimischen Repressionskräften regierungskritische Demonstranten erschossen haben.

Auch in Wageners Lehrbetrieb kommt es zu bemerkenswerten Einschätzungen. In Seminararbeiten, die unter seiner Anleitung entstanden, wird eine tiefgreifende Änderung der deutschen Verfassung gefordert: Mit dem Grundgesetz hätten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs Deutschland militärpolitische "Fesseln" angelegt, heißt es; heute aber brauche die Bundesrepublik "Handlungsspielraum", um "umfassend auf neue Konfliktsituationen und Bedrohungsszenarien reagieren zu können". Eine Kollegin des Trierer Juniorprofessors verlangt die Erforschung von Methoden und Instrumenten, um die "Opfersensibilität" der deutschen Gesellschaft zu verringern. Die Wissenschaftlerin fungierte etliche Jahre als Redakteurin des von der Bundeswehr herausgegebenen "Readers Sicherheitspolitik", mit dem eigenen Angaben zufolge ein "Medienkrieg um die öffentliche Meinung" geführt werden soll.

Intellektuell langweilig

Der Juniorprofessor für Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen an der Universität Trier, Martin Wagener, rechtfertigt öffentlich Massaker deutscher Truppen an afghanischen Zivilisten. In einem Leserbrief an die Frankfurter Allgemeine Zeitung äußerte sich Wagener zu dem Anfang September 2009 von einem deutschen ISAF-Kommandeur angeordneten Bombardement zweier Tanklaster nahe Kunduz, bei dem 140 zumeist jugendliche Benzindiebe getötet worden waren. Regierung, Opposition und Öffentlichkeit müssten endlich akzeptieren, dass es "keine ‘sauberen’ Kriege" gebe, erklärt der Politologe: "Kollateralschäden, wie sie in Folge des Angriffs gegen die Tanklastwagen zu verzeichnen waren, gehören gerade in asymmetrischen Auseinandersetzungen leider dazu." Wer sich dieser Erkenntnis verschließe, ignoriere die "Gesetze des Krieges", postuliert Wagener und bekennt sich ausdrücklich zu einer Aufstandsbekämpfung, die auf Unbeteiligte und Nicht-Kombattanten keine Rücksicht nimmt - Kriegsverbrechen wie in Kunduz inklusive: "Militärisch wäre es schlicht töricht, im Kampf gegen Aufständische auf Abschreckungseffekte zu verzichten und die Nutzung des Überraschungsmoments aufzugeben. (…) Die Soldaten der Bundeswehr brauchen in Afghanistan (…) nicht mehr Staatsanwälte, sondern endlich schweres Gerät." Den von Kritikern in diesem Zusammenhang vorgetragenen Verweis auf die massenmörderische Partisanenbekämpfung der NS-Wehrmacht hält Wagener für "in intellektueller Hinsicht langweilig".Martin Wagener: Die Gesetze des Krieges werden ignoriert; Frankfurter Allgemeine Zeitung 07.12.2009.

Anachronistisches Grundgesetz

Ähnliche Auffassungen vertreten auch die von Wagener betreuten Studierenden in ihren Seminararbeiten. Mit der Implementierung des Grundgesetzes hätten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs die "Eindämmung Deutschlands" und die "Prävention nationaler Gewaltausübung" beabsichtigt, heißt es hier - ein Vorgang, der als "anachronistisch" ad acta gelegt wird: "Deutschland benötigt heute ein Gesetz, welches dem Kabinett bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr den Handlungsspielraum gibt, den es braucht, um schnell und umfassend auf neue Konfliktsituationen und Bedrohungsszenarien reagieren zu können." Um den Anforderungen einer umfassenden "Krisenintervention" gerecht zu werden, seien die deutschen Streitkräfte grundlegend zu "reformieren", erklärt eine studentische Arbeitsgruppe unter Leitung Wageners. Sie gibt gleichzeitig die Stoßrichtung der angemahnten Reform vor - "weg von einer zur Landesverteidigung aufgestellten, hin zu einer mobilen Armee, die für Einsätze in der ganzen Welt gewappnet ist".Martin Wagener (Hg.): Auslandseinsätze der Bundeswehr. Trier 2003.

Stützpunkte weltweit

Wie Wageners Seminarteilnehmer weiter schreiben, benötige die Bundeswehr zudem die "Fähigkeit zur Machtprojektion im Zielgebiet". Nachdem die "auszuschaltenden Ziele sicher identifiziert und lokalisiert" seien, müsse die Truppe soweit in deren Nähe gelangen, "dass eine wirksame Bekämpfung erfolgen kann". Dieses Ziel jedoch könne letztlich nur erreicht werden, wenn es Deutschland gelinge, Streitkräfte dauerhaft rund um den Globus zu stationieren: "Um im Falle einer sich zuspitzenden Krise sofort agieren zu können, wäre (…) die Schaffung eines Netzes von Abstützpunkten in allen sicherheitspolitisch relevanten Regionen der Welt ratsam, zumal Deutschland bisher nicht über Flugzeugträger verfügt, die solche Stützpunkte wenigstens teilweise kompensieren könnten."Martin Wagener (Hg.): Auslandseinsätze der Bundeswehr. Trier 2003.

Deutschland autonom

Offensiv reden Wageners Seminarteilnehmer der politisch-militärischen Expansion Deutschlands das Wort - in klarer Abgrenzung und Konkurrenz zu den USA. So fordern sie insbesondere, "Abhängigkeiten" von der "operativen Aufklärungstechnik" der "verbündeten Alliierten" - "allen voran der Vereinigten Staaten von Amerika" - zu "umgehen". Neben dem Aufklärungssystem SAR-Lupe müsse auch das zivile europäische GPS-Navigationssystem GALILEO militärisch genutzt werden, heißt es - mit dem Ziel, "den Grad der autonomen Handlungsfähigkeit zu erhöhen". Wie die studentische Arbeitsgruppe weiter ausführt, sei "ein Stück technischer Autarkie gegenüber den USA" nicht zuletzt deshalb "positiv zu bewerten", da nicht absehbar sei, "wie sehr (…) der Bundesrepublik im Ernstfall jeweils vertraut wird".Martin Wagener (Hg.): Auslandseinsätze der Bundeswehr. Trier 2003.

Medienkrieg

Wagener, der zur Zeit vor allem Kriegsszenarien für den ostasiatischen Raum entwickelt - in Kooperation mit der Bundesakademie für Sicherheitspolitik .Siehe dazu Der nächste heiße Krieg . -, ist nicht der einzige Lehrbeauftragte der Universität Trier, der die geschilderten Auffassungen vertritt. Analog zu seiner Rechtfertigung für Massaker an der afghanischen Zivilbevölkerung fordert Wageners Kollegin Cornelia Frank die Entwicklung von Methoden und Instrumenten, um die "Opfersensibilität" der deutschen Gesellschaft zu verringern.Niklas Schörnig/Cornelia Frank: Opfersensibilität westlicher Demokratien (Online-Editorial); www.readersipo.de Bevor Frank zur Wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Trierer Lehrstuhl für Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen avancierte, fungierte sie etliche Jahre als Wissenschaftliche Redakteurin des von der Bundeswehr herausgegebenen "Readers Sicherheitspolitik". Den deutschen Streitkräften zufolge besteht das Ziel des "Readers" darin, einen "Medienkrieg um die öffentliche Meinung" zu führen. Siehe dazu Zivil-militärischer Medienkrieg Die von Trierer Wissenschaftlern vertretenen Ansichten legen nahe, dass die deutschen Universitäten mittlerweile gezielt in diesen "Medienkrieg" einbezogen werden.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 26.05.2011.

Fußnoten

Veröffentlicht am

29. Mai 2011

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