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Bundeswehr: Strategisches Kleingärtnertum

Guttenberg lässt die Truppe schrumpfen, kann damit aber nicht genug Geld sparen. Der Ausweg Europäisierung wird erst gar nicht versucht

Von Jürgen Rose

Julia Klöckner brachte, kaum dass Deutschlands Kriegsminister dem Publikum seine Pläne zur Radikalreform der deutschen Streitkräfte vorgestellt hatte, die Position der Allianz zur Bewahrung des wehrpolitischen Status quo auf den Punkt.

Als Bedingung für die Zustimmung ihres Landesverbandes zur Aussetzung der längst nicht mehr allgemeinen Wehrpflicht nannte die rheinland-pfälzische Spitzenkandidatin der CDU eine künftige Truppenstärke von mindestens 180.000 bis 190.000 Soldaten. Ihre Forderung ergänzte die Wehrexpertin aus der Pfalz mit den Worten: "Ich bin eine glühende Anhängerin der Wehrpflicht, ich bin aber auch eine Realistin. Mir war es wichtig, dem Minister einen Preis für unsere Zustimmung zu nennen. Je mehr Soldaten die Bundeswehr hat, desto mehr Standorte bleiben erhalten."

So ist das: Deutschlands Truppe existiert, damit sie stationiert werden kann - und das in möglichst großer Zahl in möglichst vielen Garnisonen. Der Militäretat hat demnach zuvörderst lokaler und regionaler Wirtschaftsförderung, nicht aber der Verteidigung zu dienen.

Natürlich ist Klöckner nicht allein, und auch die SPD hat bereits erklärt, dass ihr oppositionelles Augenmerk darauf liegen wird, wie sich die Truppenreduktionen in der Republik verteilen werden. Lokale wirtschaftliche Auswirkungen und nicht etwa militärische Erwägungen waren auch schon wichtigste Kritikpunkte an der letzten großen Wehr-Schrumpfkur ab 2004 des damaligen Ministers Peter Struck (SPD).

Doch haben die militärstrukturellen Besitzstandswahrer mittlerweile dafür gesorgt, daß Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der auf seinem Adelssitz als Krokodil gestartet war, in Berlin nun als Eidechse angekommen ist. Zugute zu halten ist ihm freilich, dass er das Ende der Wehrpflicht durchsetzen konnte. Mit der Aussetzung des Zwangsdienstes ab 1. Juli kommenden Jahres ist Guttenberg gelungen, wozu sich seine sozialdemokratischen Vorgänger jahrelang als unfähig erwiesen haben. Hieran erweist sich erneut, dass unser Militär bei den Konservativen meist besser aufgehoben ist als bei der Sozialdemokratie mit ihren ewigen Minderwertigkeitskomplexen vor jeder Generalsjoppe.

6,8 Milliarden Euro fehlen

Doch implizieren die jüngst im schwarz-gelben Koalitionsausschuss getroffenen Beschlüsse zur Bundeswehrreform schon deren Scheitern im Ansatz. Denn nie und nimmer lässt sich die Einsparvorgabe in Höhe von 8,3 Milliarden Euro für den Verteidigungshaushalt (dem so genannten Einzelplan 14) mit dem jetzt avisierten Streitkräfteumfang von 185.000 Soldaten realisieren. Denn wie der Verteidigungsminister im Bundestag richtigerweise selbst konstatierte, sind "Einsparungen im Verteidigungsetat in nennenswertem Umfang nur im Bereich des Personals zu erzielen". Derzeit verursachen die etwa 189.000 Zeit- und Berufssoldaten zusammen mit den rund 52.000 Wehrpflichtigen Personalausgaben in Höhe von 16,5 Milliarden Euro. Nach den Koalitions-Beschlüssen der vergangenen Woche soll sich die Bundeswehr zukünftig aus 170.000 Zeit- und Berufssoldaten sowie 15.000 freiwilligen Kurzzeitdienern zusammensetzen.

Dadurch dass statt der ursprünglich vorgegebenen 40.000 Stellen für Zeit- und Berufssoldaten nun lediglich noch 19.000 eingespart werden sollen und auch statt der von Guttenberg eigentlich geplanten 7.500 Freiwilligen doppelt so viele dienen sollen, wird der zukünftige Personaletat der verkleinerten Bundeswehr jedoch mindestens 14,8 Milliarden Euro betragen. Statt der großspurig angekündigten 8,3 Milliarden werden demnach wohl nur 1,7 Milliarden Euro eingespart werden können. Wo die restlichen 6,8 Milliarden herkommen sollen, steht in den Sternen - im laufenden Kriegsbetrieb und aus den zumeist vertraglich festgeschnürten Beschaffungsvorhaben jedenfalls nicht.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat angeblich schon durchblicken lassen, dass das Geld, das Guttenberg nicht spart, eben woanders hereingeholt werde - was Guttenbergs Beliebtheit im Kabinett nicht fördern wird. Andererseits hat dieser dadurch immer noch eine Möglichkeit, seine ursprüngliche Wunschzielgröße von 163.000 Soldaten gegen den Widerstand der Garnisonen-Bewahrer durchzudrücken: Lasst mir meine Schumpfungspläne, und ich erfülle eure Sparvorgaben. Doch vorläufig bleibt das Fazit: Das Grundübel der deutschen Streitkräfte, nämlich überbordende Personalstrukturen gepaart mit erheblichen Modernisierungsdefiziten, dürfte auf unabsehbare Zeit bestehen bleiben.

Neben den geschilderten Opportunitätserwägungen ist hierfür erstens ein falsch definierter sicherheitspolitischer Auftrag verantwortlich, der viel zu sehr auf globale Intervention statt auf Verteidigung der eigenen Hemisphäre ausgerichtet ist. Als noch viel gravierender indes erweist sich ein strategisches Kleingärtnertum im Bendlerblock und auf der Hardthöhe, das weder in der Lage noch willens ist, die Bundeswehr dezidiert als integrales Element einer gemeinsamen europäischen Streitmacht zu begreifen und zu strukturieren.

Europa wäre ein Ausweg

Denn in einem solchen Rahmen bräuchte Deutschland keine Allround-Truppe mehr. Für eine europäische Armee wären, abgestimmt mit den Partnern, lediglich noch Teilfähigkeiten beizusteuern, vornehmlich natürlich auf solchen Gebieten, wo die Bundeswehr anerkanntermaßen exzellent ausgestattet und ausgebildet ist. Beispiele hierfür gibt es zuhauf.

So besitzt die Armee mit der Panzerhaubitze 2000 die weltbeste Rohrartillerie - da ließe sich auf Raketenwerfer leicht verzichten. Die Marine könnte ihre modernsten U-Boote 212A sowie hochprofessionelle Minenräumkräfte in eine europäische Flotte einbringen, während Fregatten dann wohl verzichtbar wären. Die Luftwaffe verfügt mit dem Eurofighter über hochmoderne Abfangjäger für eine europäische Luftstreitmacht - (atom-)bombentragende Uralt-Tornados wären somit überflüssig.

Diese Liste - die auch eine der Abrüstung ist - ließe sich noch vielfältig ergänzen. Zwar erweckt Deutschlands Vorzeigeminister mittlerweile den Anschein, er hätte das Hauptmanko seines Reformkonzepts zumindest ansatzweise erkannt: Jüngst - und sicher nicht zufällig am Tag des entscheidenden Koalitionsausschusses - veröffentlichte er in der FAZ einen Gastbeitrag über die "Stunde Europas". Doch um der Idee einer Europäischen Verteidigungsunion mit einer gemeinsamen europäischen Armee wirklich Leben einzuhauchen, muss zu Guttenberg erst noch wirkliches Format beweisen.

Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr a. D. und Vorstandsmitglied der kritischen SoldatInnenvereinigung Darmstädter Signal .

Quelle: der FREITAG   vom 15.12.2010. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Rose und des Verlags.

Veröffentlicht am

19. Dezember 2010

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