Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Die extremistischen Siedler von Hebron tragen ihren Kampf nach Israel

Von Jonathan Cook, 05.12.2008 - PalestineChronicle.com

Die extremistischen jüdischen Siedlergruppen, die an den gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Palästinensern im Zentrum von Hebron beteiligt sind, haben ihre nächste Kampfzone ausgewählt. Sie liegt außerhalb der Westbank.

Eine extrem rechtsgerichtete Gruppe, bekannt als Jewish National Front, die eng mit den Siedlern von Hebron verbunden ist, bereitet sich auf einen Marsch durch eine der wichtigsten arabischen Städte Nordisraels (Umm al-Fahm) vor. Der Oberste Israelische Gerichtshof erlaubte den Marsch im Oktober. Er soll am 15. Dezember stattfinden, so gab die Gruppe diese Woche bekannt.

Die israelische Polizei will mehrere tausend ihrer Leute entsenden, um Probleme zu verhindern. Sie genehmigte die Teilnahme von nicht mehr als 100 Mitgliedern der Jewish National Front an der Demonstration. Der Marsch wird bis in das Zentrum der Stadt führen, so die Polizei. Noch ist unklar, ob die Front-Mitglieder ihre Gewehre tragen dürfen, die die meisten von ihnen - als Siedler - ausgehändigt bekamen.

Die Front sagt, sie werde die israelische Flagge schwingen. Die Gruppe bezeichnet den Marsch durch Umm al-Fahm als Demonstration des "jüdischen Stolzes". In Umm al-Fahm leben fast 45.000 Palästinenser mit israelischem Pass.

Das wichtigste Programmziel der Jewish National Front ist die Vertreibung aller Palästinenser aus dem Gebiet, das die Front als "Greater Israel" (das größere Israel) bezeichnet. Das schließt auch die Westbank und den Gazastreifen mit ein. Indirekt deutet die Gruppe an, sie wolle die "ethnische Säuberung" von Palästinensern mit israelischem Pass. Damit bewegt sie sich am Rande der Illegalität.

"Wir werden durch Umm al-Fahm marschieren, mit Flaggen, um allen die Botschaft zu senden, dass das Land Israel uns gehört", erklärt der Führer der Front, Baruch Marzel.

Das Vorhaben ruft bei den Einwohnern von Umm al-Fahm wütenden Protest hervor. Ebenfalls zornig ist die Führung der palästinensischen Minderheit (in Israel). Der arabische Abgeordnete Jamal Zahalka bezeichnete die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs als "Legitimisierung von Rassismus". Er sagt: "Wir werden unser Recht auf Protest verteidigen und Umm al-Fahm vor diesen Faschisten und Rassisten schützen".

Es ist nicht das erste Mal, dass die Stadt Umm al-Fahm das Interesse der extremistischen Rechten in Israel erregt.

Die Kach-Partei, unter Führung von Rabbi Meir Kahane, hatte im März 1984 einen ähnlichen Marsch durch die Stadt unternommen. Im selben Jahr wurde sie das erste Mal in das Israelische Parlament gewählt. Ein Jahrzehnt später wurde die Kach-Partei, wegen organisierter Angriffe auf Palästinenser, verboten.

Das Verbot der Kach wird lax gehandhabt. Mehrere ehemalige Führer der Partei, zu denen auch Baruch Marzel zählt, haben die Gruppe neu formiert - als Jewish National Front.

Marzel ist ein Siedler aus Hebron. Er kandidierte mehrfach erfolglos für das Israelische Parlament. Bei den Wahlen im Februar wird er erneut kandidieren. Der Marsch durch Umm al-Fahm sei zum Teil eine Wahlkampfstrategie, glaubt Jafar Farah, von der arabischen (politischen) Lobbygruppe Mossawa.

"Die Aktionen der Siedler von Hebron sind unter den israelischen Juden nicht generell populär. Durch die Provokation bezüglich Umm al-Fahm hofft die Front, mehr Sympathien in der Öffentlichkeit zu erzielen".

Baruch Marzel war bereits in der Vergangenheit durch ähnlich gewagte Aktionen gegen palästinensische Israelis (die ein Fünftel der israelischen Gesellschaft stellen) aufgefallen. Marzels Sympathisanten marschierten durch die arabische Stadt Sakhnin in Galiläa und durch das arabische Viertel der "gemischten Stadt" Jaffa.

Farah glaubt, dass dieses Mal Umm al-Fahm ausgewählt wurde, weil diese Kleinstadt leichter als "feindliche Stadt" zu vermarkten ist.

Seit einigen Jahren ist Umm al-Fahm in weiten Teilen der jüdischen Öffentlichkeit berüchtigt. Im Oktober 2000 gingen die Bürger der Stadt wütend auf die Straße, als die Israelische Armee die Zerschlagung der zweiten palästinensischen Intifada einleitete. Dagegen protestierten die Bürger von Umm al-Fahm. Bei Zusammenstößen mit der Polizei wurden damals drei Einwohner erschossen.

Umm al-Fahm liegt in einer Region, die als ‘Kleines Dreieck’ bekannt ist, das sich als schmales, längliches Gebilde an die nordwestliche Ecke der Westbank schmiegt. Die Stadt wurde - vor dem Bau der Trennungsmauer - als Einfallstor für Selbstmordattentäter aus Dschenin betrachtet.

Die muslimische Bevölkerung von Umm al-Fahm wehrte sich erfolgreich gegen offizielle Versuche des Staates Israel, die Region - mittels Ansiedlung jüdischer Siedler - "jüdischer zu machen", wie dies auch in anderen Regionen geschehen ist.

(Israelische) Politiker bezeichnen das ‘Kleine Dreieck’ regelmäßig als eine Bedrohung für den jüdischen Charakter Israels und denken über Wege nach, die Viertelmillion Palästinenser, die in der Region leben - per Landtausch - auf die andere Seite der Trennmauer zu transferieren.

Die Stadt Umm al-Fahm ist Basis des radikalen Flügels der ‘Islamischen Bewegung’ in Israel, deren Führer, Sheikh Raed Salah, in Umm al-Fahm lebt. Viele israelische Juden hassen ihn besonders für seine Kampagne, die al-Aqsa-Moschee in Jerusalem vor israelischen Plänen zu schützen, mit denen der Griff um die Jerusalemer Altstadt verstärkt werden soll.

Vergangene Woche bezeichnete Sheikh Salah - bei einer Demonstration in Nazareth gegen die Gaza-Politik der Israelischen Regierung - israelische Kabinettsmitglieder als "Mörder", die "Kriegsverbrechen" begingen. Der Sheikh nimmt kein Blatt vor den Mund.

"Vor mehr als 20 Jahren leisteten die Menschen in Umm al-Fahm dem Marsch Kahanes Widerstand", sagt Mr. Farah von der Mossawa. "Marzel erwartet im Falle von Zusammenstößen zwischen den Marschierern und Einwohnern, dass die Polizei wieder auf die Einwohner von Umm al-Fahm losgehen wird. Dann kann er seine Gruppe als Opfer arabischer Brutalität darstellen".

Die Jewish National Front scheint noch einige weitere Ziele zu verfolgen.

Sie will die Autorität des Obersten Israelischen Gerichtshofs schwächen. Die extreme Rechte hasst den Gerichtshof, weil er die Exzesse der Siedlerbewegung beschränkt.

Bei ihrer Anhörung (vor dem Gerichtshof) zog die Front Parallelen zwischen dem von ihr beanspruchten Recht, durch Umm al-Fahm zu marschieren und früheren Entscheidungen des Gerichtshofes, durch die das Recht israelischer Aktivisten geschützt wurde, gegen die Siedler in Hebron zu demonstrieren. In beiden Fällen gehe es um Meinungsfreiheit, so die Argumentation der Front.

"Falls (die Richter) bezüglich unserer Petition nicht positiv entscheiden, wird dies dem öffentlichen Vertrauen in die Gerichte ernsthaft schaden und die Botschaft übermitteln, was für Araber und Linke okay ist, ist für uns verboten", so ein anderer Führer der Front. Er heißt Itimar Ben-Gvir.

Vielleicht ist Folgendes ein Zeichen, dass der Gerichtshof eingeschüchtert ist: Die Richter ignorierten die Empfehlungen der Polizei und des Geheimdienstes Shin Bet. Diese hatten empfohlen, den Marsch (der Front durch Umm al-Fahm) zu verbieten, da er um sich greifende Gewalt zwischen Juden und Arabern auslösen könnte - vor allem auf dem Hintergrund der Nachwehen der Zusammenstöße innerhalb der Stadt Acre. Im Falle der Westbank weist der Israelische Gerichtshof Sicherheitsargumente übrigens selten zurück.

Laut Mr. Farah ist der neue Schritt der Front als Teil eines generelleren Trends der Siedler zu werten, den Kampf wieder nach Israel zu tragen - nachdem es ihnen 2005 nicht gelungen war, den Abzug der rund 8.000 Siedlern aus Gaza zu verhindern.

Eine signifikante Zahl religiöser "hardline" Juden hat beschlossen, sich in israelischen Regionen anzusiedeln, in denen viele Palästinenser leben. Sie seien dort, so sagen sie, damit die Juden die ‘demographische Schlacht’ nicht verlören. In den ‘gemischten Städten’ Israels richten sie bewaffnete Camps ein. Diese Camps werden innerhalb palästinensischer Stadtteile oder dicht daneben errichtet und als religiöse Seminare getarnt.

In der Stadt Acre halfen mehr als 1.000 extremistische Siedler mit, um circa 200 "Seminare" zu gründen, so Ala Hlehel, ein Journalist aus Acre. Eine weitere Gruppe, die sich "die Saat der Siedlungen" (the Seeds of the Settlements) nennt, konzentriert ihre Aktivitäten auf Städte wie Jaffa, Ramlet oder Lod.

Wie es scheint, will die Jewish National Front den Druck auf Palästinenser mit israelischem Pass verstärken, indem sie den Kampf direkt in eine ihrer größten Städte (Umm al-Fahm) trägt.

Jonathan Cook ist Autor und Journalist. Er wohnt in Nazareth. Sein letztes Buch trägt den Titel: ‘Disappearing Palestine: Israel’s Experiments in Human Despair’ (Zed Books). Seine Webadresse lautet: www.jcook.net .

Dieser Artikel wurde für PalestineChronicle.com verfasst (eine weitere Fassung desselben Artikels ist im Original auf The National www.thenational.ae (Abu Dhabi) erschienen).

Quelle:  ZNet Deutschland   vom 07.12.2008. Originalartikel: Hebron Settlers Take Their Fight Into Israel .  Übersetzt von: Andrea Noll.

Veröffentlicht am

08. Dezember 2008

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von