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Warum ich kein Konto bei der Militärbank will


Von Otto Köhler

Ich habe kein Konto bei der Commerzbank. Aber diese Bank hat an mich einen Appell erlassen, den Celler Appell. Militärisch gesehen ist ein Appell - laut Duden - ein “Antreten zur Überprüfung”, die “Entgegennahme eines Befehls”. So müssen wir den Celler Appell verstehen, denn die Commerzbank hat ihn zusammen mit dem Verteidigungsminister an uns alle erlassen. Seine Kurzfassung: Als rohstoffarmes, exportorientiertes Land ist Deutschland auf Stabilität und Sicherheit angewiesen. Darum brauchen wir Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Vaterlandsverteidigung am Hindukusch zwecks Rohstoffgewinnung für die deutsche Wirtschaft, das ist nicht neu. Neu aber ist das öffentliche Bekenntnis aller beteiligten Interessen. Der Celler Appell ist Ausfluss eines Celler Trialogs, der letzte Woche schon zum zweiten Mal in dem niedersächsischen Bundeswehrstandort zwecks Schulterschlusses, wie es heißt, stattfand. In diesem Trialog sollen die Schultern geschlossen werden zwischen Wirtschaft, Bundeswehr und Banken, speziell der Commerzbank, die das Ganze veranstaltet, weil in Deutschland die “Einsicht in die Notwendigkeit” mit den “gewachsenen Aufgaben” nicht “Schritt gehalten” hat. Dazu gehört mehr “Verständnis für die Auslandseinsätze der Bundeswehr”.

In seiner Abschlussrede betonte denn auch Verteidigungsminister Jung, dass der “Schutz” - nein nicht der Bundesrepublik - sondern der im Ausland eingesetzten Soldaten “oberste Priorität” habe. Und damit keine Missverständnisse aufkommen, erklärte Niedersachsens Ministerpräsident Wulff für sein sturmerprobtes Territorium: “Dies Land ist ein Bundeswehrland.” Entsprechend dem Leitmotiv des Celler Trialogs: “Die Bundeswehr im Einsatz für unsere Sicherheit - Wirtschaft und Politik an der Seite der Bundeswehr.”

Vor der “hochkarätig besetzten Konferenz” sagte der Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank, Klaus-Peter Müller, mit Blick auf das große öffentliche Interesse am “Auslandseinsatz” der deutschen Elf bei der Fußball-EM: “Ich wünschte mir einen Bruchteil dieser wohl verdienten Aufmerksamkeit auch für die täglichen, seit Jahren erbrachten Höchstleistungen unserer Soldatinnen und Soldaten, gerade jener im Auslandseinsatz.” Die “Mannschaftsleistung der Bundeswehr” verdiene mehr Wertschätzung, mehr Unterstützung - ideell, “aber auch materiell!” Schließlich “erfordert der Bau eines Autos allein 40 Rohstoffe”.

Zwecks Vertiefung des “Dialogs zwischen Bundeswehr und Gesellschaft” soll beim Celler Trialog ein “nationales Forum” künftig regelmäßig eine “Bestandsaufnahme” vornehmen und “weitere Schritte” beschließen. Gestartet ist schon eine “Initiative zwecks Förderung der Reservisten in Industrie und Wirtschaft” zur “Intensivierung der zivil-militärischen Zusammenarbeit”.

Wie geht das? Werden junge Kunden der Commerzbank am Kassenschalter vor der Auszahlung ihres Geldes im sicherheitspolitischen Dialog von dem sie bedienenden Reserveoberfeldwebel gefragt, ob sie auch wirklich schon gedient haben? Und wenn ja: zur Sicherung ihres Kontos - im Auslandseinsatz gegen die Taliban? Denn darum geht es, so Müller: Das “Wohl und Wehe der Vereinigten Staaten” hänge bei einem Leistungsbilanzdefizit von rund 800 Milliarden Dollar “geradezu besorgniserregend” von der Bereitschaft “asiatischer Investoren ab, ihr Geld in den USA anzulegen”. Ihnen verdanke es die US-Regierung, dass sie “hohe Haushaltsdefizite und Rüstungsbudgets finanzieren” kann.

Fazit: Auch die Freiheit der Finanzmärkte, muss für die Commerzbank am Hindukusch verteidigt werden, weil sonst asiatische Investoren ausbleiben könnten. Und jeder, der die Freiheit unserer Finanzmärkte auch und gerade im militärischen Einsatz verteidigen will, wird deshalb freudig sein Konto bei der Commerzbank eröffnen. Ich nicht.

Otto Köhler ist Schriftsteller und Publizist

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung   25 vom 20.06.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

22. Juni 2008

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