Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Studs Terkel: Ein furchtloser Journalist

Die Memoiren des Alltagsjournalisten, Autors und Radiomachers

von Amy Goodman, 16.11.2007 - Truthout / ZNet

Studs Terkels lang erwartete Memoiren sind da. Sie beginnen mit dem Satz: “In gewisser Weise werde ich gefeiert, weil ich das Leben derjenigen unter uns feierte, die nie gefeiert wurden und weil ich dem Gesicht in der Menge eine Stimme verlieh”. Das Buch trägt den Titel ‘Touch and Go’. Ich pilgerte nach Chicago, um Terkel zu sehen. Er ist einer der größten Journalisten, Interviewer und Erzähler des 20. JahrhundertsAnmerkung d. Übersetzerin: Mehr über das Leben und Werk von Studs Terkel unter http://de.wikipedia.org/wiki/Studs_Terkel ..

Terkel hat ein Dutzend Bücher verfasst sowie ein Broadway-Bühnenstück. Er ist Träger des Pullitzer-Preises, der Medaille der National Book Foundation (für seine Distinguierten Beiträge zu ‘American Letters’), er erhielt den George-Polk-Career-Award und die National Humanities Medal, die vom Präsidenten verliehen wird. Fast ein halbes Jahrhundert leitete Terkel eine tägliche Radio-Show auf WFMT/Chicago. Seine Memoiren hat er nun im Alter von 95 Jahren verfasst. “Ich nehme auf Band auf, also bin ich”, schreibt er. “Ich nehme auf, also sind sie. Wer sind sie - die Eceteras der Geschichte, die kaum je eine Fußnote wert waren? Wer sind sie, über die die Barden selten singen?”

Für ‘The Good War’ hat Terkel den Pullitzer-Preis erhalten. Es ist ein Stück mündliche Geschichte über den Zweiten Weltkrieg. Die 60ger hält Terkel allerdings für die größere Generation:

“In den 60ern gab es die Bürgerrechtsbewegung, sie ist aufgeblüht - zumindest für eine gewisse Zeit - es kam zum Aufstieg und zur Wiedererstarkung des Feminismus. Die Homosexuellen und Lesben hatten ihr Coming-out als freie Menschen. Folglich ist diese Generation für mich die größte”.

Terkel ist ein Mensch des 20. Jahrhunderts. Doch auch im 21. Jahrhundert schreibt er weiter, und erst kürzlich verklagte er die (Telefongesellschaft) AT&T, weil sie mit der US-Regierung kooperiert, um Leute auszuhorchen.

Nichts Neues, so Terkel. Er selbst wurde in den 50er Jahren abgehört - in der McCarthy-Ära. Über die damaligen und heutigen Regierungsspione und deren Gehilfen bei den Telefongesellschaften sagt er:

“Sie sind unamerikanisch. Thomas Paine - der eloquenteste Visionär der Amerikanischen Revolution - sagte einmal, dies sei ein Land, in dem ein Gemeiner zu einem König sagen könne: “Mach dich vom Acker!” Ich kenne diese Dinge. Mein Telefon wurde zu einer Zeit angezapft, als das Codewort ‘Commie’ (Kommunist) hieß.

Aufgrund seiner Haltung landete Terkel auf einer Schwarzen Liste. Seine Show ‘Stud’s Place’ wurde abgesetzt. Die legendäre afro-amerikanische Gospelsängerin Mahalia Jackson setzte sich hierauf für ihn ein und bestand darauf, Terkel solle der Gastgeber ihrer Show werden. CBS verlangte von Terkel die Unterschrift unter ein Treuebekenntnis. Er weigerte sich. Sie drohten mit Kündigung. Jackson sagte: “So sieht es aus, wenn ihr Studs feuert, sucht euch gefälligst eine neue Mahalia Jackson”. CBS gab nach. Studs erinnert sich: “Wissen Sie, was passiert ist? Nichts. Man muss ihrem Blick standhalten”.

Terkel ist ein leidenschaftlicher Kritiker der Bush-Administration. Doch er kritisiert auch das mangelnde Wissen der amerikanischen Gesellschaft über den historischen Kontext. Dieser Mangel habe es der Regierung ermöglicht durchzuhalten, den Irak anzugreifen und Pläne für einen Angriff auf den Iran zu schmieden:

“Wie kam es, dass wir am Ende des Zweiten Weltkriegs die geachtetste und mächtigste Nation der Welt waren? ‘Geachtet’ ist das Schlüsselwort. Heute sind wir die verachtetste (Nation). Wie kommt das? Die amerikanische Öffentlichkeit hat die Vergangenheit vergessen. Gore Vidal gebraucht den Ausdruck ‘Vereinigte Staaten der Amnesie’. Ich nenne es Vereinigte Alzheimer-Staaten. Was wissen wir - warum sind wir im Irak? Sie behaupten, wenn ihr unsere Politik angreift, greift ihr die Jungs (Soldaten) an. Im Gegenteil, diese Jungs werden verteidigt. Man will sie wieder daheim bei ihren Familien begrüßen. Dieser Krieg baute auf einer obszönen Lüge auf. Das wissen wir heute. Diese historische Erinnerungslücke blieb uns versagt”.

Studs Terkel - einer der größten Zuhörer des 20. Jahrhunderts - wird taub. Er sagt zu mir: “Robert Browning hat einmal geschrieben, ‘komm und werde mit mir alt, das Beste kommt noch’. Er hat gewaltig gelogen. Aber eine Sache, auf die man sich verlassen kann, ist die Erinnerung”. Terkel besitzt ein nahezu fotografisches Gedächtnis. Es wird nur noch durch sein intensives Interesse am Leben der Menschen und an Bewegungen, die deren Leben verbessern, übertroffen. Er scherzt: “Meine Grabinschrift steht bereits fest: ‘Die Neugier hat diese Katze nicht getötet’Anmerkung d. Übersetzerin: In Anspielung auf das Sprichwort ‘curiosity killed the cat””. Er arbeitet schon an seinem nächsten Buch.

Quelle: ZNet Deutschland   vom 17.12.2007. Orginalartikel: What A Fearless Journalist Looks Like . Übersetzt von: Andrea Noll.

Fußnoten

Veröffentlicht am

02. März 2008

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von