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Deutscher Umgang mit birmanischen Flüchtlingen: Das Auswärtige Amt schrieb die Verhältnisse schön

In den letzten Monaten wurden Flüchtlinge aus Birma/Myanmar zunehmend im Asylverfahren abgelehnt


Von Bernd Mesovic

Nicht zum ersten Mal wird in diesen Wochen der brutale Charakter der birmanischen Militärdiktatur deutlich. Doch deutsche Behörden und das Auswärtige Amt schrieben gerade erst in diesem Jahr die Verhältnisse schön - so weit birmanische Asylsuchende betroffen waren. Asylsuchende aus Birma führten bis dahin mit weitem Abstand die Rangliste der Anerkennungsquoten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) an. Im Jahr 2006 zum Beispiel wurden bei insgesamt 145 Asylanträgen von Birmanern 97,9 Prozent positive Entscheidungen getroffen. Bezogen auf alle Herkunftsländer lag die Quote 2007 bei gerade 6,3%. Seit einigen Monaten jedoch hagelte es Ablehnungen.

PRO ASYL fordert eine umgehende aktualisierte Bewertung der Menschenrechtssituation in Birma im Rahmen eines ad hoc Lageberichtes des Auswärtigen Amtes sowie eine Abkehr des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge von seiner restriktiven Entscheidungspraxis. Dabei genügt es nicht, mit Verweis auf die aktuell unübersichtliche Situation im Lande, einen Entscheidungsstopp zu verhängen. Opfer des Militärregimes benötigen angemessenen Schutz, den des Asylrechts.

Hinter den Ablehnungen steht eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 22. März 2007. In dieser heißt es u.a.: “Nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes stellt eine abweichende politische Überzeugung in Myanmar keinen Straftatbestand dar und führt nicht unmittelbar zu Repressalien und Verfolgung, sie kann aber zur Folge haben, dass Betroffene von myanmarischen Sicherheitsdiensten unter Beobachtung gestellt werden. Wird dann eine Straftat - wie beispielsweise eine Missachtung des Versammlungsverbotes - begangen, müssen Betroffene hingegen mit erheblichen Drangsalierungen und einer unnachsichtigen Strafverfolgung rechnen.” In derselben Auskunft behauptet das Auswärtige Amt, der Fall des aus der Schweiz abgeschobenen Stanley Van Tha, der nach der Abschiebung im Flughafen von Rangun inhaftiert und im Jahr 2003 zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, stelle nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes eine Ausnahme dar. Seit Sommer 2007 findet sich genau diese Behauptung (“Ausnahmefall”) als zentrale Begründung in den ablehnenden Asylbescheiden des Bundesamtes.

Die Auskunft des AA wirkt wie vom BAMF bestellt. Die birmanische Junta hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie jede abweichende politische Überzeugung, soweit sie nach außen kundgetan wird und wirksam werden könnte, zu unterdrücken gedenkt. Wie Opposition zum Straftatbestand gemacht wird, zeigen die aktuellen Vorgänge.

Die Behauptung des AA zum “Ausnahmefall” Stanley Van Tha ist nicht nachvollziehbar. Zum einen dürften keine Erfahrungswerte vorliegen, weil es seit längerem kaum Abschiebungen aus Europa nach Birma gibt, zum anderen ist die deutsche Auslandsvertretung in Rangun personell dünn besetzt und nicht in der Lage, eine Überwachung möglicher Menschenrechtsverletzungen an Rückkehrern oder Recherchen in abgelegenen Landesteilen zu betreiben. Auf die Schwierigkeiten der Informationsgewinnung dürfte es auch zurückzuführen sein, dass es einen Lagebericht zur asylrelevanten Lage - sonst Standard beim AA bei vielen Herkunftsstaaten von Asylsuchenden - zu Birma seit vielen Jahren nicht gibt. Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass das Auswärtige Amt im Frühjahr 2007 plötzlich mehr Sachkenntnis zu Einzelheiten haben wollte. Seine Möglichkeiten zur Informationsgewinnung dürften sich zwischenzeitlich kaum verbessert haben.


Zum Hintergrund:

Nachdem bis ins Jahr 2004 hinein Asylanträge birmanischer Staatsangehöriger großenteils abgelehnt wurden, stellte das Bekanntwerden des Urteils gegen Stanley Van Tha einen Einschnitt dar. Van Thas Fall wurde zum Präzedenzfall, zu einem Beleg für die gefährliche Willkür des Militärregimes. Nach dem schweizerischen Asylbundesamt änderte auch das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Entscheidungspraxis. Bis zum Sommer 2007 hatten birmanische Asylantragsteller in Deutschland dann überproportional gute Chancen auf Anerkennung (im Jahr 2006: 97,9 % positive Entscheidungen von insgesamt 145 Anträgen).

Obwohl die Zahl der Asylsuchenden aus Birma durchweg gering war (1. Halbjahr 2007: 77 Asylanträge von Birmanen), rief diese Entwicklung offenbar Gegenkräfte auf den Plan. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schien darauf zu setzen, dass der Fall Van Tha langsam in Vergessenheit geriet. Das war die Stunde der Anfrage an das Auswärtige Amt.

Bemerkenswert ist, dass selbst das Auswärtige Amt es für wahrscheinlich hält, dass Rückkehrer mit abweichender politischer Überzeugung von den Sicherheitsdiensten der Junta unter Beobachtung gestellt werden. Einem Willkürregime ist es natürlich ein Leichtes, die dann nach Ansicht des Auswärtigen Amtes noch fehlende “Straftat” zu konstruieren.

Immerhin hält es selbst das Auswärtige Amt für wahrscheinlich, dass die birmanischen Sicherheitsdienste sogar mit Spitzeln in Deutschland arbeiten und Landsleute auch hierzulande überwachen. Angeblich soll aber auch dies im Fall einer Abschiebung kein besonderes Risiko auslösen. Birmanische Flüchtlinge in Deutschland fühlen sich jedenfalls durch diese Spitzelei extrem bedroht. Deshalb entschloss sich PRO ASYL, eine im Jahr 2004 erstellte “Untersuchung zur Entscheidungspraxis des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Fällen burmesischer Asylantragsteller” wegen möglicher Risiken für die Betroffenen nicht zu veröffentlichen. Angesichts der überschaubar kleinen Community der Birmaner in Deutschland (zum Stichtag 31.12.2006 gab es 898 Birmaner in der Bundesrepublik) wären möglicherweise einzelne Betroffene identifizierbar gewesen.

Von einem blühenden Spitzelwesen geht im Übrigen offenbar auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus. Es ist allerdings von besonderer Komik, wie man dort nach regimetreuen Spitzeln unter den birmanischen Asylsuchenden forscht. Man fragt einfach nach. So heißt es in einem PRO ASYL vorliegenden Asylanhörungsprotokoll:

“Frage: Es liegen uns Informationen vor, dass das Militär gezielt Leute hierher schickt. Gehören Sie dazu, ich habe nämlich nicht den Eindruck, dass Sie echt verfolgt sind?

Antwort: Nein, wir sind Antimilitär. Wir suchen hier Schutz. (…)

Frage: Uns liegen Informationen vor, dass in Myanmar Leute hier bespitzelt werden sollen? Gehören Sie zu diesen Spitzeln?

Antwort: Nein, ich gehöre nicht zu diesen Spitzeln. Ich habe wirklich Schwierigkeiten.”

Quelle: PRO ASYL   Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.  - Pressemitteilung vom 04.10.2007.

Veröffentlicht am

06. Oktober 2007

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