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Zivile Kriegstreiber - die Solanisierung der Welt

Von Andrea Noll - ZNet Kommentar 11.08.2006

‘You can’t be neutral on a moving train’ (Titel eines Buches von Howard Zinn)

Es war eine zärtliche Geste mit Gruseleffekt: Javier Solana küsst die israelische Außenministerin auf beide Wangen - am 19. Juli, während Bomben auf Libanon herabregnen. Solana, in seiner Funktion als Chef-Diplomat und Schattenaußenminister ("Außenvertreter") der Europäischen UnionJavier Solana galt lange Zeit als aussichtsreicher Kandidat für das Amt des gemeinsamen EU-Außenministers, wie es im (vorläufig?) gescheiterten EU-Verfassungsentwurf vorgesehen war. zu Gast in Jerusalem, küsst zur Begrüßung Zipi Livni vor laufenden Kameras - an einem Tag, an dem die israelische Luftwaffe, laut offiziellen Angaben, 55 Menschen tötete, davon "mindestens 52 Zivilisten".

Javier Solana, der Mann, der einst die Streitschrift ‘50 Gründe gegen die Nato’ mitverfasste, Javier Solana, der Franco-Gegner, Javier Solana, der Sozialist - auf dem Weg an die Schalthebel der Macht scheint er sämtliche Prinzipien über Bord geworfen zu haben. Geblieben sind die sprichwörtliche solanische Eitelkeit und der machiavellistische Machteifer.

Der junge Solana hat Physik studiert. Anfang der 60er Jahre - nach Teilnahme an Protesten gegen die Franco-Diktatur - musste er ins holländische Exil. Es folgten Studienjahre in den USA. Nach Spanien zurückgekehrt, folgte eine steile Karriere in der Sozialistischen Partei. Ab 1982 gehörte Solana Felipe Gonzalez Kabinett an, 1992 wurde er spanischer Außenminister. Dann die zweite Karriere des Sprösslings einer prominenten Madrider Familie: 1995 wird Solana überraschend zum Nato-Generalsekretär ernannt. Damals protestierten Abgeordnete des US-Kongresses gegen seine Ernennung. Man habe den Bock zum Gärtner gemacht, einen profilierten Gegner der Nato zu deren Chef. Systematisch baute Solana die Befugnisse des Amtes aus - insbesondere die militärische Entscheidungsbefugnis. Während des Jugoslawienkriegs wurden Nato-Generalsekretär Solana am 30. Januar 1999 die Alleinentscheidungsgewalt über alle militärischen Entscheidungen bezüglich der Balkaneinsätze der Nato übertragen. Am 24. März 1999 gab Solana den Befehl zum Beginn der Luftangriffe gegen jugoslawische Ziele. Vom Paulus zum Saulus.

"Mr. GASP" schneiderte Europa eine neue, offensive Sicherheitsdoktrin (die so genannte "Solana-Doktrin") auf den Leib - die heute in der Europäischen Sicherheitsstrategie ESS weitgehend verwirklicht ist. Der EU-Abgeordnete Tobias Pflüger schrieb dazu 2003: "Im Auftrag der EU-Regierungschefs hat Javier Solana, der Verantwortliche für den Bereich Außen- und Sicherheitspolitik, einen Entwurf für ein militärpolitisches Strategiepapier vorgelegt, das beim EU-Gipfel in Thessaloniki im Grundssatz von allen EU-Regierungschefs gebilligt wurde. Die Europäische Union setzt vor allem auf ihre (neue) politische Stärke: ‘Eine Union mit 25 Mitgliedern und einem Verteidigungsgesamthaushalt von 160 Milliarden Euro sollte in der Lage sein, mehrere Operationen gleichzeitig auszuführen. Wir müssen eine strategische Kultur entwickeln, die frühe, schnelle und, falls erforderlich, robuste Interventionen fördert.’ ‘Eine aktive und handlungsfähige Europäische Union könnte Einfluss im Weltmaßstab ausüben.’ Die Europäische Union soll demnach so etwas wie die zweite Weltmacht in einem ‘multilateralen’ Weltsystem werden. Im Solana-Papier wird auch das Präventivkriegskonzept festgeschrieben: ‘Unser herkömmliches Konzept der Selbstverteidigung, das bis zum Ende des Kalten Krieges galt, ging von der Gefahr einer Invasion aus. Bei den neuen Bedrohungen wird die erste Verteidigungslinie oftmals im Ausland liegen’"‘Aufrüstung als Verfassungsgebot ’ von Tobias Pflüger http://www.imi-online.de/2003.php3?id=771 . - wie zum Beispiel am Hindukusch? In diesem Zusammenhang verweise ich auf ein aktuelles Buch mit Beiträgen von Tobias Pflüger und anderen Autoren: ‘Weltmacht Europa: Auf dem Weg in weltweite Kriege’.

In seinem Artikel schreibt Pflüger weiter: "Damit wird das Kernelement der National Security Strategy der USA - die so genannte Bush-Doktrin - auch für den EU-Rahmen festgeschrieben (…) Offensichtlich gilt diese Präventivstrategie unter Militärs und Regierungen des Westens als Erfolgsrezept"ebd.. Im Grunde ist auch der Angriff auf den Libanon ein Präventivkrieg - welcher Angriffskrieg wäre nicht präventiv? ‘Kill it before it grows’ - ein völkerrechtswidriger Ansatz, der uns direkt in die Barbarei führt.

Solanas besonderes Verhältnis zu Israel und der israelischen Außenministerin ergibt sich aus zwei Komponenten. Zum einen war Solana Mitglied des so genannten "Nahost-Quartetts" und gilt als einer der Architekten der "Roadmap", der Straßenkarte ins Nichts für die Palästinenser. Zum anderen zeichnet er verantwortlich für Initiierung und Koordination der Barcelona-Konferenz 1995. Damals wurde ein Prozess eingeleitet, der bis 2010 zu einer Freihandelszone Mittelmeer führen soll. Mit dem ‘Vertrag über die Europäische Nachbarschaftspolitik’ wurde dieser Prozess bis 2013 verlängert. Natürlich kommt Israel - mit dem die EU längst privilegierte Wirtschaftsbeziehungen unterhält -, bei diesen Plänen besondere Bedeutung zu.

Verlust eines "Honest Broker"

Zu Beginn des jetzigen Krieges im Libanon ertönte immer wieder der Ruf nach dem berühmten "Honest Broker". Wo bleibt die Sozialistische Internationale? Wo die Blockfreien, die UNO-Vollversammlung? Die Machtbroker in diesem Krieg - USA und EU - gelten unstrittig als pro-israelisch. Es ist ein asymmetrischer Krieg, nicht nur, weil hier eine kleine, mobile Miliz gegen die fünftgrößte Armee der Welt kämpft, auch die Opferstatistik ist an Asymmetrie nicht zu überbieten: auf 1000 tote libanesische Zivilisten kommen 54 tote israelische Zivilisten, Zweidrittel der Toten sind Nichtkombattanten, in diesem unerklärten und unerklärbaren Krieg starben bislang mehr Kinder als Kämpfer bzw. Soldaten. Auch die Medienberichterstattung ist asymmetrisch - und bis zur Absurdität verlogen. Sie zu analysieren, wäre zuviel der Ehre. Sieht man sich die Pressefotos zum Libanonkrieg in den letzten Wochen an - von ‘Zeit’ über ‘SPIEGEL’ bis Taz - so könnte man meinen, am dringendsten benötigt würden Ohrenärzte für israelische Artilleristen mit Knalltrauma. Opfer werden zu Tätern, Täter zu bedauernswerten Opfern.

Der Ruf nach der Sozialistischen Internationalen (SI) als friedenspolitischem Mittler wird inzwischen vom Bombenhagel und den Einschlägen der Katjuschas übertönt. Wo ist der Geist von Willy Brandt (von 1976 bis 1992 Präsidentschaft der SI)? Bis Mitte der 90er war die SI ein bedingt einflussreiches Instrument der internationalen Außenpolitik (als NGO mit beratendem Status der Kategorie I bei den Vereinten Nationen), doch ihr friedenspolitisches Engagement scheint im kalten Feuer des Neoliberalismus erstickt. Hinzu kommt: Wie sollte sich die libanesische Hizb al-Taqadummi al-Ishtiraki mit den israelischen SI-Parteien an einen Tisch setzen, während der Libanon dscheninisiert wird? Die beiden Grundziele der internationalen Sozialdemokratie - eine sozial ausgewogenere Weltordnung und Friedensicherung - sie scheinen mit dem Siegeszug des Neoliberalismus endgültig ad acta gelegt. Restimpulse kommen fast nur noch aus lateinamerikanischen Staaten. Krieg und Neoliberalismus - neben Hunger und Umweltzerstörung zwei der vier apokalyptischen Reiter unserer Zeit.

Zu Grabe getragen wurde die SI auf ihrem letzten Kongress im alten Jahrhundert, dem SI-Kongress von Paris 1999. Es war ein Kongress am ideologischen Scheideweg: Neoliberalismus kontra soziale Marktwirtschaft. Im Zentrum stand die Auseinandersetzung zwischen der britischen Labour Party unter Tony Blair und den französischen Sozialisten unter Jospin. In Deutschland verlief der Riss quer durch die Partei. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder stellte sich auf die Seite Blairs und dessen Konzept des "Dritten Wegs", der soeben zurückgetretene Parteivorsitzende Oskar Lafontaine solidarisierte sich mit Jospin. Anfang Juni 1999, einige Monate vor dem Kongress, veröffentlichten Blair und Schröder gemeinsam ein programmatisches Papier: "Der Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten"‘Der Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten’ ein Vorschlag von Gerhard Schröder und Tony Blair vom 8. Juni 1999 http://www.glasnost.de/pol/schroederblair.html ., eine Absage an sozialreformerische Konzepte - de facto an die Sozialdemokratie. Schaumbegriffe wie "wir unterstützen eine Marktwirtschaft, nicht aber eine Marktgesellschaft" und Floskeln wie "jedem einzelnen Individuum die Möglichkeit bieten, seine eigenen Potentiale zu entwickeln", sollten den geplanten sozialen Kahlschlag kaschieren. Gefordert wurden eine stärkere Rolle des Marktes, weniger Staat, mehr "persönliche Leistung", "Unternehmergeist", "Eigenverantwortung". Die gesellschaftlichen Folgen dieser sozialdemokratischen Hinwendung zum Neoliberalismus sind heute, sieben Jahre später, in aller gehartzten Deutlichkeit zu besichtigen. Nach dem Pariser Kongress verlor die SI an internationaler Bedeutung und Reputation. Auch ihre friedenspolitische Funktion, die heute so dringend gefordert wäre, ist erloschen, seit Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung - allen voran Blair und Peretz - offensive Militärkonzepte verteidigen und Offensivkriege führen. Der Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, wie Clausewitz es formulierte, scheint international auf dem Vormarsch, die UNO machtloser denn je. Global setzt sich einmal mehr das Gesetz des Stärkeren durch: Faustrecht im Namen der Ressourcensicherung für ressourcenverschleudernde Konzerne. Die internationale Gemeinschaft scheint moralisch sediert, die UN-Charta Makulatur. Javier Solana ist ein Symbol dieses Werteverfalls. Auf dem Zenit seiner Karriere symbolisiert das Küsschen für die israelische Außenministerin - inmitten des Bombenhagels von Beirut - den moralischen Tiefpunkt, den Judaskuss an der Zivilgesellschaft.

Zivilcourage und Militärcourage

Als 2003, im Vorfeld des Irakkrieges, in Europa Millionen auf die Straße gingen, war das mehr als ein symbolischer Akt. Es war die klare Absage der europäischen Zivilgesellschaft an Angriffskriege. Wo sind die Millionen heute, um gegen den Libanonkrieg zu protestieren? Apocalypse now: Wenn wir den Krieg gegen den Libanon nicht stoppen können, wird er zum Flächenbrand. Ein Feuersturm der Entrüstung wird die islamischen Gesellschaften - von Indonesien bis Nordafrika, vom Mittleren Osten bis Europa - erfassen. Im Herzen der westlichen Staaten wird es zu Anschlägen kommen, gegen die 9/11 ein laues Lüftchen war - Kernkraftwerke, Flughäfen, Handelszentren - die moderne westliche Gesellschaft ist immens verwundbar. Immer neue, schärfere "Antiterrorgesetze" und noch brutalere militärische Reaktionen werden unsere Rechtssysteme und Demokratien aushöhlen und unsere Gesellschaften in autoritäre Systeme verwandeln - nach innen repressiv, nach außen militaristisch. Einen Vorgeschmack gab es gestern (10. August) - nachdem in London angebliche Terrorpläne aufgedeckt wurden. Die deutsche Bevölkerung müsse sich auf neue, verschärfte Antiterrorgesetze gefasst machen, hieß es schon am Abend lapidar in der ‘Tagesschau’. Nur massiver Widerstand vonseiten der Bevölkerung der westlichen Zivilgesellschaften kann diesen Teufelskreis noch durchbrechen. Und was Deutschland angeht: Seit die Grünen das militärische "Menschenrechting" für sich entdeckt haben und ehemalige Radikalpazifistinnen wie Angelika Beer in Soldatenkluft an Militärübungen der BW teilnehmen, seit eine sozialdemokratisch-grüne bzw. konservativ-sozialdemokratische Regierung Soldaten in Kriege schickt, hat die deutsche Friedenspolitik ihre parteipolitische Heimat verloren - sieht man von der Linkspartei ab.

"Soldaten und Antikriegs-Demonstranten haben etwas sehr Entscheidendes gemeinsam: Sie nehmen den Krieg ernst und sind entsprechend bereit, Risiken einzugehen".

Zitat aus einem ZNet-Artikel von Zoltan Grossman über militärischen Ungehorsam in den USA‘Militärverweigerung in den USA…’ von Zoltan Grossman http://www.zmag.de/artikel.php?id=1885 . "Soldaten sind offen für den Dialog mit Aktivisten, solange diese respektvoll mit ihnen umgehen und an das Positive im Denken und Fühlen dieser Soldaten appellieren", so der Friedensaktivist Grossman weiter. Jürgen Rose schreibt in einem Essay mit dem Titel ‘Soldat und Meinungsfreiheit’: "Während die Konzeption der deutschen Armeen in der Vergangenheit darauf beruhte, dass der Soldat mit dem Bürger nichts gemein hatte, sollte der Soldat der Bundeswehr den "Staatsbürger in Uniform" verkörpern. Während der Soldat in der Vergangenheit sich mit seinem Eintritt in die Truppe anderen Normen und Wertmaßstäben, nämlich in allererster Linie Gehorsam, Mut, Pflichterfüllung und Treue als Tugenden, denen er zu dienen hatte, unterstellte und er als Individuum wenig bis gar nichts galt, sollten dem zivilen Bürger im militärischen Dienste der Bundeswehr seine ihm qua Verfassung verbrieften grundlegenden Menschen- und Bürgerrechte (…) weiterhin garantiert bleiben…. Zugleich soll durch die Etablierung des Leitbildes vom kritischen, zu eigenem Urteil befähigten und zivilcouragierten Staatsbürger in Uniform der elende Untertanengeist im Militär ein für allemal verschwinden", erläutert Oberstleutnant Jürgen Rose Generalleutnant Wolf Graf von Baudissins Konzept der "Inneren Führung", des "Staatsbürgers in Uniform". Kenntnisreich leitet Rose das Recht auf Gedankenfreiheit von Kant bis Paul Feyerabend her, zitiert Helmut Schmidt und Goffman. Rose zitiert auch das Bundesverwaltungsgericht: "Soldaten haben nach § 6 Satz 1 SG daher die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Diese Bestimmung bildet die Grundlage der Wehrverfassung und verdeutlicht das Leitbild vom "Staatsbürger in Uniform". Dem Soldaten steht demnach auch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu. Er hat somit das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern".

Seit Juli 2006 wird Oberstleutnant Jürgen Rose dieses Recht streitig gemacht. In einem Artikel für die Zeitschrift Ossietzky‘Geist oder Ungeist der Generalität’ von Jürgen Rose, erschienen in der Zeitschrift OSSIETZKY, nachzulesen unter http://www.linksnet.de/artikel.php?id=2426 . hatte er Gedankenfreiheit praktiziert. Für die Wahrnehmung seines verfassungsmäßigen Rechtes soll Rose nun mit einer Geldbuße gemaßregelt werden. Der Vorwurf: Vorgesetztenbeleidigung.

In einem Interview mit junge welt, stellt Rose klar: "Ich habe Ende Mai in der Zeitschrift Ossietzky kritisiert, dass die Bundeswehrführung niemals gegen deutsche Unterstützung für den Irak-Krieg protestiert hat. In dem Artikel hieß es: "Hätte die deutsche Generalität auch nur einen Funken Ehrgefühl sowie Rechts- und Moralbewußtsein im Leibe, so hätte der Generalinspekteur im Verein mit seinen Teilstreitkraftinspekteuren sich geweigert, den völkerrechts- und verfassungswidrigen Ordres der rot-grünen Bundesregierung Folge zu leisten"’Ich will ein Urteil, das den Irak-Krieg ächtet’, junge Welt vom 01.08.2006  www.jungewelt.de/2006/08-01/005.php . Und weiter: "Das Grundgesetz verbietet das Führen von Angriffskriegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat im vergangenen Jahr festgestellt, daß auch die Unterstützung eines Völkerrechtsdeliktes selbst ein völkerrechtliches Delikt darstellt…" Rose kritisiert die deutschen Generäle, sie hätten "die Bewachung von US-Kasernen und die deutschen AWACS-Besatzungen" kritiklos hingenommen. "Nur Florian Pfaff, ein einfacher Major, hat diesen Rechtsbruch nicht mitgemacht und seine Mitarbeit an einem Computerprogramm verweigert, weil das auch der Kriegführung der USA zugute gekommen wäre. Dafür ist er degradiert worden, bekam aber vor einem Jahr vom Bundesverwaltungsgericht Recht."ebd.. Oberstleutnant Rose will gegen seine Maßregelung ankämpfen. "Es geht nicht nur um meine persönliche Meinungsfreiheit: Es kann doch nicht sein, daß die Bundesregierung in Tatgemeinschaft mit der Bundeswehrführung einen Angriffskrieg unterstützt und daraufhin nichts passiert. Ich will einen Gerichtsbeschluß, der den Irak-Krieg ächtet und ein für allemal unterstreicht, daß der Krieg und die Beihilfe dazu völkerrechts- und verfassungswidrig waren".ebd. Stimmen wie die des Oberstleutnants Rose (oder Major Pfaffs) sind mehr denn nötig in einer Zeit, da die deutsche Regierung allen Ernstes erwägt, Soldaten in den Libanon zu entsenden - mit "robustem Mandat", versteht sich. Einer der Befürworter eines solchen Einsatzes deutscher Soldaten ist übrigens Javier Solana.

Der Elitesoldat neuen Typs - eingebunden in flexible, klandestine Kombateinheiten - dürfte sich schwer tun mit dem Konzept des "Staatsbürgers in Uniform" (was immer man von diesem Konzept halten mag). Was es heißt, Angehöriger einer von der Öffentlichkeit weitgehend abgeschirmten Eliteeinheit zu sein, zeigt ein Hilferuf von Soldaten der deutschen KSK im Sommer 2005 im STERN: "Elitesoldaten vom Kommando Spezialkräfte (KSK), das zurzeit in Afghanistan operiert, fürchten, verheizt zu werden - in einem mangelhaft vorbereiten Unternehmen gegen Terroristen und Drogenbosse"‘Diesmal wird es Tote geben’, STERN, Heft 28/2005 http://www.stern.de/politik/deutschland/542896.html?nv=ct_mt . Hier geschah etwas Ungeheuerliches: Deutsche Elitesoldaten wenden sich an die Zivilgesellschaft - direkt und unter Umgehung ihrer Vorgesetzten, des Wehrbeauftragten, ihrer politischen Vertreter. Sie wollen sich nicht verheizen lassen in klandestinen Kriegen - wie dem gegen die Drogenmafia in Afghanistan.

Der Soldat neuen Typus ist folglich der Soldat alten Typs. Der "elende Untertanengeist" (siehe oben) scheint zurück, "Gehorsam, Mut, Pflichterfüllung" gelten wieder als soldatische Primärtugenden - nach denen moderne Elitesoldaten leben, sterben und töten sollen. Mit dem Absterben der traditionellen nationalen "Defensivarmeen" Europas - die es so ohnehin nie gab -, entstehen flexible, offensive EU-Einheiten. In Zeiten wie diesen, in denen Zivilisten wie Javier Solana aggressive "Sicherheitsdoktrinen" formulieren, und Zivilisten wie Ehud Olmert sie kaltlächelnd umsetzen, sind Soldaten mit Militärcourage, die sich gegen Aggressionskriege wenden, mehr denn je gefragt. Das Gleiche gilt für Soldaten in Krisenregionen, die den Mut aufbringen, dem Primat ihres Gewissens zu folgen.

Stellt sich die Frage, wo bleibt der Mut der Zivilgesellschaft? Wann werden Millionen Menschen auf die Straße gehen und gegen diesen unerklärten, völkerrechtswidrigen Krieg gegen den souveränen Staat Libanon demonstrieren? Europäische Regierungen diskutieren inzwischen offen ein militärisches Eingreifen zugunsten Israels - mit "robustem UN-Mandat" und zur "Entwaffnung der Hisbollah" natürlich. Setzen wir uns konsequent für Frieden und Menschenrechte im Nahen Osten ein - auch im eigenen Interesse, denn, wie Howard Zinn schon sagt, ‘you can’t be neutral on a moving train’.

 

Quelle: ZNet Deutschland vom 11.08.2006.

Fußnoten

Veröffentlicht am

12. August 2006

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