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Der Tod von 300.000 Menschen - Über das arabische Desinteresse an der Entwicklung im Sudan

Die Londoner Tageszeitung Al-Sharq Al-Awsat veröffentlichte am 24. Juni einen Leitartikel ihres ehemaligen Chefredakteurs Abd Al-Rahman Al-Rashed. Darin beklagt dieser die Gleichgültigkeit der arabischen Medien gegenüber der Gewalt im Sudan und prophezeit der politischen Führung des Landes, mit ihrer Untätigkeit eine UN-Intervention herbeizuführen:

Der Tod von 300.000 Menschen

“Sie [die Opfer der Konflikte im Westsudan] sind keine Opfer israelischer oder amerikanischer Angriffe - und werden deshalb gar nicht erst als Opfer wahrgenommen. Auf diese Weise verbreitet sich Desinteresse an solchen [Opfern], die nichts mit diesen beiden Auseinandersetzungen mit den [nicht-arabischen] Fremden zu tun haben. Ihre Ermordung wird einfach hingenommen. So ist es etwa bei der Darfurkrise, die als künstliche dargestellt wird, die keine weltweiten Proteste verdient.

Hat das Leben von 1000 Menschen im Westsudan denn keinen Wert? Ist der Tod eines einzigen getöteten Palästinensers oder Irakers bedeutender, nur weil der Feind Israel oder die USA sind? Laut Schätzungen der UN-Delegation, die die Ereignisse in der [Darfur-]Region untersuchten, ist das Leben von 300.000 Sudanesen durch die anhaltenden Kämpfe bedroht. Von Seiten der UN-Rechtsabteilung hieß es, dass es sich um ein Massaker handele und so wie das in Bosnien-Herzegowina behandelt werden würde. Auch führende sudanesische Verantwortliche würden wie die serbischen Machthaber in Jugoslawien vor Gericht gestellt werden.

Es ist eine schwerwiegende Angelegenheit, wenn es von der Regierung finanzierten Streitmächten oder Milizen erlaubt wird, Menschen zu vernichten, um einen schnellen und entscheidenden Sieg herbeizuführen. Für diesen Fall hat die UN ein Recht geschaffen, das eine Intervention vorsieht, das den Staaten ihre interne Souveränität nimmt und ihre Angelegenheiten als internationales Problem ansieht. Das ermöglicht es auch, die Angeklagten - insbesondere die hochrangigen - vor Gericht zu stellen.

Wollen dies die Sudanesen wirklich? Ich kann mir nicht vorstellen […], dass sich die sudanesische Führung wirklich der gefährlichsten Anklage überhaupt aussetzen will - der Anklage wegen Völkermord. Denn alles, was sie sich im Dienste ihrer Interessen aufgebaut haben, wird mit einem Mal zunichte gemacht werden, wenn sie die Ereignisse laufen und den Mördertruppen oder Milizen überlassen, die von ihren Führungen nicht mehr kontrolliert werden. Es wird dann niemanden geben, der internationale Gerichtsprozesse verhindern kann und niemand wird zu den angeklagten Machthabern stehen. Sie werden so enden wie Milosevic, der [auch] glaubte, dass sich die Welt niemals einmischen würde, dass die politische Balance sich niemals verändern und sein Regime zu Fall bringen könnte und dass ihn das verbündete Russland nicht fallen lassen würde. Vor allem glaubte er selbst im Fall seines Sturzes nicht, dass er vor ein internationales Gericht gestellt werden würde. Jetzt vegetiert er wie ein ganz normaler Gefangener in einer Gefängniszelle dahin und wünscht das Rad der Geschichte würde sich zurückdrehen, damit er seine Taten bereinigen könnte.

Es ist also wichtig zu verstehen, wie die Welt nach dem Fall von Belgrad funktioniert. Weil der nämlich ein Wendepunkt hinsichtlich der Bedeutung darstellte, die internationale Institutionen den nationalen Rechten und der Unantastbarkeit souveräner Staaten beimessen.

Es ist also nicht übertrieben, wenn man jetzt die sudanesische Regierung [vor möglichen Konsequenzen] warnt, denn was den Fur 1 widerfahren ist und ihnen vielleicht noch passieren wird, ist von größter Tragweite. Dabei sprechen wir nicht über den politischen Aspekt - der steht gar nicht zur Debatte, weil wir [alle] für die Einheit des Sudan sind, insbesondere was Darfur angeht. [Aber wir sind nicht für] ein Massaker an Tausenden, für die Vertreibung aus ihren Dörfern oder dafür, dass man es den vom Staat finanzierten Milizen überlässt, die Rechte der [Bevölkerung] nach ihrem Gutdünken zu verteidigen. Nein, denn auf diese Weise wird es am Ende nur der Staat [selbst] sein, der zur Rechenschaft gezogen wird.

Und was ist mit den arabischen Intellektuellen, die in der Welt nichts anderes sehen als allein die palästinensische und die irakische Sache und alles Blutvergießen, das nicht in Zusammenhang mit diesen beiden Konflikten steht, als billig und gerechtfertigt betrachten? Sie machen sich zu geistigen Komplizen dieser Verbrechen. [Aber] vor ihnen waren es die Serben, die historische Rechtfertigungen und moderne Analogien heranzogen und den Mord an anderen ethnischen Gruppen billigten, um ihre Armeen dazu zu bringen, Muslime zu töten und ihr Volk von der Gerechtigkeit des Kampfes zu überzeugen.”

1 Die Fur sind die vor allem in der Region von Darfur lebende ethnische Gruppe.

Quelle: THE MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH INSTITUTE (MEMRI) - MEMRI Special Dispatch vom 01.07.2004

Veröffentlicht am

04. Juli 2004

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