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Die Militarisierung Westafrikas

Berlin nutzt den heutigen Besuch des nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari zum weiteren Ausbau seines rasch wachsenden militärpolitischen Einflusses in Westafrika. Bereits die Afrikareise von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Wochenbeginn hat die zunehmende militärische Bedeutung der Bundesrepublik auf dem afrikanischen Kontinent offengelegt; so hieß es in Berichten, insbesondere in Mali lasse sich ein "Wandel" erkennen: Habe das Land traditionell zur exklusiven Einflusszone Frankreichs gehört, so bestimme immer mehr die EU die Entwicklung - und diese unterstehe "maßgeblichem deutschen Gewicht". Auch in Niger und im Tschad weitet die Bundesregierung die Tätigkeit der Bundeswehr und die Lieferung militärischer Ausrüstungsgegenstände aus - unter anderem mit dem Bau eines Militärstützpunkts in der nigrischen Hauptstadt Niamey. Zudem bemüht sich Berlin, Einfluss auf den Krieg gegen Boko Haram in Nigeria zu gewinnen; dazu hat es bereits im vergangenen Jahr mit Nigeria erste Unterstützungsmaßnahmen vereinbart. In wachsendem Maß zeichnet sich im Westen des afrikanischen Kontinents ein Netz aus deutschen Einsatztruppen, Stützpunkten und Empfängern deutscher Militärhilfe ab, das geeignet erscheint, das in seinen ehemaligen Kolonien traditionell dominierende Frankreich militärpolitisch zurückzudrängen.

Frankreichs schwindender Einfluss

Der rasche Ausbau des militärpolitischen Einflusses der Bundesrepublik in Westafrika ist während der Afrikareise von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Wochenbeginn deutlich zu erkennen gewesen - zunächst in Mali. Dort sind mehrere Militär- und Polizeioperationen fremder Staaten im Gange. Frankreich kämpft im Rahmen der Operation Barkhane gegen - vorwiegend jihadistische - Aufständische im Norden des Landes. In Nordmali ist zudem die UN-Truppe MINUSMA stationiert. Noch vorwiegend im Süden bildet die EU im Rahmen von EUTM Mali die malischen Streitkräfte aus, während EUCAP Sahel Mali Polizei, Gendarmerie und Nationalgarde des Landes trainiert und berät. "Bis auf die Anti-Terror-Einheit der Franzosen" würden sämtliche Einsätze "maßgeblich von Deutschland gefördert und bestückt", heißt es jetzt in einem Bericht anlässlich des Aufenthalts von Kanzlerin Merkel in Mali.Johannes Leithäuser: In französischem Einflussgebiet. Frankfurter Allgemeine Zeitung 11.10.2016. Die "Ausbilder, Aufklärer, Führungsoffiziere und Polizeifachkräfte" aus insgesamt fast zwölf Staaten der EU demonstrierten einen "grundsätzlichen Wandel in ihrem eigenen Tun": Sie bildeten "erstmals eine auf lange Zeit angelegte europäische Sicherheitsmission" - dies "in einer Nachbargegend Europas, die bislang exklusives französisches Einfluss- und Interessengebiet war". "Die schwindenden sicherheitspolitischen Ressourcen Frankreichs" hätten in Verbindung mit dem jihadistischen Terror und der breiten Migration "eine neue Lage geschaffen": "In Mali zeigt sich, welche Antwort die Europäische Union - mit maßgeblichem deutschen Gewicht - darauf zu geben versucht."

Aus Mali in die Nachbarstaaten

Der schwindende Einfluss Frankreichs und der wachsende Einfluss Deutschlands werden in dem Bericht einer regierungsnahen deutschen Tageszeitung ausführlich beschrieben. Mit Blick auf die französische Landessprache in Mali und zahlreichen anderen Staaten Westafrikas heißt es, "die französische Prägung" der Region bleibe in dieser Hinsicht durchaus "bestimmend".Johannes Leithäuser: In französischem Einflussgebiet. Frankfurter Allgemeine Zeitung 11.10.2016. Allerdings würden das militärische Trainingspersonal, "auch die Ausbildungsinhalte … heute nicht mehr von Frankreich" dominiert. "Das gesamte Ausbildungswesen der malischen Armee wird künftig auf einem europäischen Erfahrungsschatz ruhen und nicht mehr bestimmend französisch geprägt sein", fährt der Autor des Berichts fort. "Und jetzt springt dieser europäische Ausbildungsansatz auch in die Nachbarländer Malis über", heißt es weiter: Im Trainingslager Koulikoro würden von EUTM Mali nun auch Stabsoffiziere des Tschad, Nigers, Burkina Fasos und Mauretaniens unterrichtet. "Die Eucap-Sahel-Mission, die von dem deutschen Diplomaten Albrecht Conze geführt wird", bereite sogar "noch energischer ihre Expansion in die Nachbarländer vor". Mit der baldigen Aufstockung der nach Westafrika entsandten Truppen sei zu rechnen: Deutschland werde "wohl weitere Kräfte mobilisieren müssen".

Militär statt Wirtschaft

Auch jenseits Malis baut die Bundesrepublik ihren militärpolitischen Einfluss systematisch aus. Im östlich an Mali grenzenden Niger hat die Bundeswehr eine Militärbasis errichtet; Deutschland wird den nigrischen Streitkräften Ausrüstungsgegenstände liefern.S. dazu Besetzen und abschotten (I) und Besetzen und abschotten (II) . Im Tschad, der wiederum östlich an Niger grenzt und in dem Frankreich - wie in Niger - eine wichtige Militärbasis unterhält, wird die Bundesrepublik ebenfalls Ausrüstungsunterstützung leisten. Zudem hat Kanzlerin Merkel am Mittwoch Tschads Präsidenten Idriss Déby empfangen und neben einer stärkeren Unterstützung im Krieg gegen Boko Haram den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen in Aussicht gestellt. Débys Berlin-Besuch ist die erste Reise eines tschadischen Präsidenten in die Bundesrepublik gewesen; Tschad stand bislang besonders intensiv unter französischem Einfluss. Entsprechend sind auch deutsch-tschadische Geschäfte faktisch nicht existent. Präsident Déby ist während seines Aufenthalts in der deutschen Hauptstadt nun mit deutschen Unternehmern zusammengetroffen, um sein Land auch ökonomisch deutschem Einfluss zu öffnen. Allerdings zeigt die Entwicklung der letzten Jahre, dass die ehrgeizigen Bemühungen Berlins, die Handelsbeziehungen und Investitionen in afrikanischen Ländern anzukurbeln, nicht von besonderem Erfolg gekrönt gewesen sind - während insbesondere die Volksrepublik China ihre wirtschaftliche Position auf dem Kontinent systematisch ausbauen konnte. Die Bemühungen der Bundesrepublik, militärpolitisch Einfluss zu gewinnen, sind auch der Tatsache geschuldet, dass die deutsche Wirtschaftskraft für eine dominante Stellung in Afrika derzeit nicht ausreicht.

Im Krieg gegen Boko Haram

Am heutigen Freitag wird Kanzlerin Merkel nun in Gesprächen mit Nigerias Staatspräsident Muhammadu Buhari die militärpolitische Einflussarbeit fortsetzen. Auch dabei steht zunächst der Krieg gegen Boko Haram im Mittelpunkt. Bislang hatten sich vor allem französische Truppen an ihm beteiligt; Paris hatte die diesbezüglichen Operationen der tschadischen Armee unterstützt und zuletzt die bilaterale Militärkooperation mit Nigeria - das allerdings nicht zur französischen Einflusszone zählt - gestärkt. Auch in diesem Fall weitet jedoch die EU jetzt ihre Aktivitäten aus. Im Mai nahmen EU-Vertreter an einem Gipfel zum Kampf gegen Boko Haram in Nigerias Hauptstadt Abuja teil, zu dem auch die Staatspräsidenten Nigers, des Tschad und Kameruns anreisten. Die vier afrikanischen Staaten führen seit einiger Zeit gemeinsam im Rahmen einer "Multi-National Joint Task Force" (MNJTF) gegen Boko Haram Krieg. Am 1. August hat nun die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini der Afrikanischen Union (AU) 50 Millionen Euro für die MNJTF zugesagt; damit sollen unter anderem ein Hauptquartier in der tschadischen Hauptstadt N’Djamena und Kommandozentralen in Niger und in Kamerun errichtet werden. Außerdem sollen die Mittel genutzt werden, um Transport- und Kommunikationsmittel zu beschaffen. Ähnlich wie in Mali dringt auch im Tschad die EU systematisch in die traditionelle französische Einflusszone vor - und darüber hinaus stärkt sie ihre Positionen in Nigeria.

Kriegsbeihilfe

Auch in Nigeria scheinen die Aktivitäten der EU vor allem dem Ausbau deutschen Einflusses den Weg zu bahnen. Bereits am Montag hielt sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier in der nigerianischen Hauptstadt Abuja auf. Man habe bereits beim G7-Gipfel im deutschen Elmau, bei dem Nigeria zu Gast gewesen sei, ein "Unterstützungsprogramm" vereinbart, "mit dem wir dazu beitragen, die Sicherheitskräfte in Nigeria im Kampf gegen Boko Haram zu unterstützen", rief der Außenminister in Erinnerung.Außenminister Steinmeier in Nigeria. www.auswaertiges-amt.de 07.10.2016. Anschließend sagte er weitere Beiträge zum Kampf gegen die jihadistische Organisation zu. Kanzlerin Merkel hat am heutigen Freitag Gelegenheit, ergänzende Maßnahmen zu vereinbaren - zur Stärkung des militärpolitischen Einflusses Berlins in Westafrika.

Quelle: www.german-foreign-policy.com vom 14.10.2016.

Fußnoten

Veröffentlicht am

17. Oktober 2016

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