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Aufholjagd in Ostafrika

Die Bundesregierung will ihren Einflussverlust in Ostafrika gegenüber China wettmachen und dringt auf neue Aufträge für deutsche Unternehmen in Kenia. Berlin stelle Nairobi für die drei Jahre von 2014 bis 2016 Entwicklungshilfegelder in Höhe von 300 Millionen Euro zur Verfügung, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch anlässlich ihrer Gespräche mit dem kenianischen Staatspräsidenten Uhuru Kenyatta in Berlin. Dem müsse nun durch eine intensivere Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft Rechnung getragen werden. Tatsächlich sind deutsche Firmen in Kenia wie auch in den anderen Ländern Ostafrikas gegenüber der chinesischen, aber auch der indischen Konkurrenz deutlich in Rückstand geraten. Kooperation mit Nairobi findet zur Zeit beim Krieg in Somalia statt, in den Kenia im Oktober 2011 nach langem Zögern auf Druck des Westens eingetreten ist. Die Rückschläge des Krieges - mörderischer Terror auf kenianischem Territorium - macht dem Land politisch, aber auch wirtschaftlich zunehmend zu schaffen. Deutsche Wirtschaftsvertreter erklären, ihre Geschäfte in Kenia kämen auch deshalb nicht im gewünschten Umfang voran, weil die außergewöhnlich harschen deutschen Visabestimmungen ihren kenianischen Partnern immer wieder die Einreise nach Deutschland unmöglich machten.

Kooperationspartner Nr. 1 in Ostafrika

Kenia, dessen Präsident Uhuru Kenyatta am Mittwoch von Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen worden ist, besitzt für die deutsche Afrika-Politik einige Bedeutung. Das Land ist der ökonomisch stärkste Staat Ostafrikas und deshalb seit je das bevorzugte Expansionsziel deutscher Unternehmer in der Region. Seit der Staatenbund East African Community (EAC) - mit Unterstützung aus BerlinDer EAC gehören Kenia, Uganda und Tansania als Gründungsmitglieder (seit 2000) sowie Ruanda und Burundi (seit 2007) an. Am 2. März ist auf dem EAC-Gipfel im tansanischen Arusha die Aufnahme des Südsudan in die EAC beschlossen worden. - seine Volkswirtschaften zu vereinheitlichen begonnen hat, bietet Kenia sich zunehmend auch als Stützpunkt für die Expansion in weitere EAC-Länder wie Uganda, Ruanda oder Tansania an. Nairobi hat sich zudem - durchaus auch in Verfolgung eigener Interessen - für politische und militärische Hegemonialprojekte des Westens zur Verfügung gestellt. So hat es die Abspaltung des erdölreichen Südsudan, dessen Anbindung an die EAC und die damit verbundene Schwächung des arabisch-islamisch geprägten (Nord-)Sudan gemeinsam mit den Mächten des Westens vorangetrieben - in der Hoffnung, im Südsudan neue Absatzgebiete für die expansionsfähigen Segmente der eigenen Wirtschaft (Telekommunikation, Banken) zu erschließen. Nach langem Zögern hat es sich auf westlichen Druck im September 2011 auch den militärischen Operationen der Afrikanischen Union (AU) in Somalia angeschlossen.Die AU-Militäroperationen in Somalia werden hauptsächlich von Uganda, Burundi, Kenia, Äthiopien und Djibouti getragen. Geht es dem Westen darum, antiwestliche Kräfte in Somalia zurückzudrängen - zu diesem Zweck trainiert auch die Bundeswehr somalische Soldaten -, so zielt Nairobi darauf ab, sich in seinem Nachbarland unmittelbare Einflussgebiete zu schaffen.

Rückschläge des Krieges

Die Beteiligung an den westlichen Hegemonialprojekten birgt dabei für Kenia zunehmend Gefahren. So hat die somalische Al Shabaab-Miliz bereits mehrfach mit mörderischen Terroranschlägen auf die Intervention der kenianischen Streitkräfte in Somalia reagiert.S. dazu Interventionspolitik und Terror . Litt bislang vor allem die Zivilbevölkerung darunter, so zeigen sich mittlerweile auch ökonomische Folgen: Die wachsende Gefährdung durch Al Shabaab-Terroranschläge im Norden und Osten des Landes hat - neben internen Differenzen - jüngst dazu geführt, dass Uganda die Pipeline, mit der es seine neu entdeckten Erdölvorräte am Lake Albert zur Verschiffung an die Küste des Indischen Ozeans transportieren will, womöglich nicht über Kenia, sondern über Tansania führen wird. Für Nairobi wäre dies höchst nachteilig. Präsident Kenyatta ist zu Wochenbeginn in Paris eingetroffen, um dort zu erreichen, dass der französische Ölkonzern Total, der maßgeblich an dem Pipelineprojekt beteiligt ist, die Entscheidung revidiert. Zudem haben Kenyatta und sein französischer Amtskollege François Hollande eine Intensivierung der Anti-Terror-Kooperation besprochen. Berlin ist nun bestrebt, in Kenia nicht in Rückstand gegenüber Paris zu geraten.

Gescheiterte Einflussprojekte

Dies umso mehr, als das ehrgeizige Einflussstreben deutscher Stellen in Kenia wie auch in anderen Ländern Ostafrikas mittlerweile erkennbar an seine Grenzen stößt. Dies betrifft nicht nur einzelne Hegemonialprojekte wie die Abspaltung des Südsudan. Berlin hatte erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Sezession des Gebiets von Khartum sowie seine Anbindung an die EAC zu fördernS. dazu Englisch statt Arabisch . - nicht ohne Hintergedanken: Ein auch von der Bundesrepublik abhängiges Regime in Juba hätte, da es die riesigen südsudanesischen Erdölvorkommen kontrolliert, dem Einfluss Berlins in Ostafrika insgesamt Auftrieb geben können. Stattdessen ist jedoch eingetreten, wovor Kritiker der deutschen Sezessionspolitik stets warnten: Der Südsudan zerfällt in einem blutigen Machtkampf; der dortige Bürgerkrieg gilt als einer der mörderischsten Konflikte der Gegenwart.S. dazu Das Wirken der Geostrategen und Die Folgen westlicher Sezessionspolitik . In Somalia kommen die von Berlin mitgetragenen Bemühungen, prowestliche Kräfte in Mogadischu an die Macht zu bringen, ebenfalls nicht voran.

Immer stärker im Rückstand

Gleichzeitig gerät die Bundesrepublik ökonomisch immer weiter ins Hintertreffen. Zwar ist das Volumen etwa der deutschen Exporte nach Kenia in den zehn Jahren von 2003 bis 2013 erheblich gestiegen - von 135 Millionen US-Dollar auf 435 Millionen US-Dollar. Doch haben im selben Zeitraum die chinesischen Ausfuhren in das Land, die 2003 mit einem Volumen von 87 Millionen US-Dollar noch weit hinter den deutschen lagen, 2013 bereits einen Wert von 2,12 Milliarden US-Dollar erreicht. Dank der indischstämmigen Minderheit in Kenia, die auf die Zeit der britischen Kolonialherrschaft zurückgeht und bis heute recht geschlossen lebt und agiert, konnten zudem indische Unternehmen ihre Kenia-Exporte von einem Wert von 175 Millionen US-Dollar (2003) auf rund drei Milliarden US-Dollar (2013) steigern. Der deutsche Anteil an Kenias Importen ist deshalb von 3,9 Prozent (2003) auf 2,7 Prozent (2013) gefallen, während der chinesische von 2,5 auf 12,9 Prozent und der indische Anteil von fünf auf 18,3 Prozent in die Höhe schnellte. Die bundeseigene Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest (GTAI) bilanzierte im Sommer vergangenen Jahres die Importe auch Ugandas, Tansanias, Ruandas und Äthiopiens - und kam zu dem Schluss, dass die deutschen Lieferungen dort ebenfalls gegenüber den indischen und den chinesischen an Gewicht verloren hatten und der deutsche Ausfuhranteil in den fünf wichtigsten ostafrikanischen Ländern insgesamt von 3,5 Prozent (2003) auf 2,0 Prozent (2013) gefallen war.Deutschland verliert in Ostafrika zunehmend Marktanteile. www.gtai.de 18.06.2016. Ähnlich sieht es auch bei den ausländischen Direktinvestitionen in Ostafrika aus.S. dazu für Kenia: Konkurrenzprobleme und Widerstände .

Grenzen dicht

Wirtschaftskreise weisen verärgert darauf hin, dass der ökonomische Einflussverlust nicht nur mangelnder Expansionskraft deutscher Unternehmen geschuldet ist, sondern auch der staatlichen Abschottungspolitik Berlins. Sei die Bundesrepublik früher "beispielsweise für kenianische Staatsbürger - ob Touristen oder Geschäftsleute - ein Land der offenen Tür" gewesen, "für das sie kein Visum brauchten", so sei der Zugang nach Deutschland "heute eher verschlossen", vermerkt GTAI: "Für einen Zutritt zum Schengen-Raum werden hohe Anforderungen gestellt".Deutschland verliert in Ostafrika zunehmend Marktanteile. www.gtai.de 18.06.2016. Es gebe "Stimmen aus der deutschen Wirtschaft", teilt die Agentur mit, "wonach Geschäfte geplatzt sind, weil es mit der Visa-Vergabe nicht geklappt hat". In der Tat sind die bürokratischen Hürden, mit denen deutsche Botschaften in aller Welt angebliche Armutsflüchtlinge an der Reise nach Deutschland hindern wollen, berüchtigt; sie treffen zuweilen auch Partner deutscher Firmen.

Entwicklungshilfe und Unternehmenskooperation

Kanzlerin Merkel hat sich nun beim Besuch des kenianischen Staatspräsidenten am Mittwoch für neue Aufträge für deutsche Unternehmen in Kenia eingesetzt. Allein für die Jahr 2014 bis 2016 stelle Berlin Nairobi Entwicklungshilfegelder in Höhe von 300 Millionen Euro zur Verfügung, erklärte Merkel; die Entwicklungshilfe müsse nun durch "Unternehmenskooperation" ergänzt werden. Kenia sei "so etwas wie ein Ankerland" für die deutsche Wirtschaft. Man sei dabei bereit, neue Geschäftschancen mit neuen Angeboten zur Berufsbildung für junge Kenianer zu verbinden.Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Präsidenten der Republik Kenia, Uhuru Kenyatta in Berlin. 06.04.2016. Bei der Förderung der Berufsbildung handelt es sich um ein häufig genutztes Ticket, das es erleichtern soll, Anteile auf fremden Märkten zu gewinnen; zu entsprechenden Verhandlungen ist Bundesentwicklungsminister Gerd Müller erst vor wenigen Tagen in Nairobi gewesen. Am gestrigen Donnerstag hielt sich Staatspräsident Kenyatta auf einem "Business Forum Kenya" des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin zu Gesprächen mit deutschen Unternehmern bereit. Die deutsche Aufholjagd ist eröffnet.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 08.04.2016.

Fußnoten

Veröffentlicht am

08. April 2016

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