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Krieg ohne Grenzen

Hochrangige deutsche Militärs halten eine weit reichende geografische und zeitliche Entgrenzung des Krieges gegen den "Islamischen Staat" (IS, Daesh) für wahrscheinlich. Selbst im Falle rascher militärischer Erfolge in Syrien sei nicht mit einem vollständigen Sieg über den IS/Daesh zu rechnen, urteilt der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat: Der IS/Daesh werde "ausweichen", nach Libyen oder nach Mali, und in letzterem Falle direkt und "verstärkt" auf die Bundeswehr treffen. Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner, rechnet damit, dass der Krieg "mehr als zehn Jahre lang andauern wird". Werde nicht bald eine vernünftige Strategie jenseits der rein militärischen Ebene entwickelt, dann sei der bevorstehende Syrien-Einsatz der Bundeswehr "auf Dauer mit Sicherheit nicht zu verantworten". Der Präsident des Reservistenverbandes, Roderich Kiesewetter (CDU), schlägt die Ausweitung des Einsatzes auf Jordanien, den Libanon und Libyen vor. Zugleich warnt der Außenminister Algeriens, die westliche Interventionspolitik drohe neue Destabilisierung hervorzubringen.

In Mali gegen den IS

Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr General a.D. Harald Kujat sagt einen komplizierten und langwierigen Verlauf des Krieges gegen den "Islamischen Staat" (IS, Daesh) voraus. Zwar gehe er im Falle der deutschen Tornados, die in Kürze in Syrien eingreifen sollen, nicht von "einem langen Einsatz wie in Afghanistan" aus, äußert Kujat. Allerdings werde nach dem Einsatz "zu klären sein", inwieweit Syrien "militärisch stabilisiert" werden müsse. Dann werde man auch zu entscheiden haben, "ob Deutschland sich … daran beteiligt". Die "Entsendung von Bodentruppen" sei "nicht zwangsläufig", aber durchaus denkbar. Womöglich schwerer wiegt Kujat zufolge jedoch, dass auch im Fall eines militärischen Erfolges in Syrien und im Irak "der IS nicht völlig besiegt sein" werde; er werde voraussichtlich einfach "ausweichen". "Das tut er zum Teil jetzt schon, etwa nach Libyen", erklärt Kujat; dort richte er "seine Führungsstellen ein". Aber auch in Mali werde die Bundeswehr möglicherweise "wieder auf den IS treffen - und dann verstärkt".Harald Kujat: "Der IS wird nicht völlig besiegt sein, er wird ausweichen". web.de 02.12.2015.

Mehr als zehn Jahre Krieg

Skeptisch äußert sich auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberstleutnant André Wüstner. Wüstner erklärt, "der Einfluss des IS" gehe "mittlerweile weit über Syrien und den Irak hinaus" und habe unter anderem Libyen, die Sahelzone und Mali erreicht. Ein rascher militärischer Gesamterfolg sei angesichts der geografischen Spannbreite definitiv "ausgeschlossen". Man könne davon ausgehen, "dass dieser Kampf mehr als zehn Jahre lang andauern wird".Bundeswehrverband fordert klare Ziele und eine Strategie. www.daserste.de 01.12.2015. Bei alledem dürfe man den IS/Daesh nicht nur militärisch bekämpfen, sondern müsse etwa auch den "Cyber- und somit Propagandaraum" sowie die Finanzströme einbeziehen, fordert der Chef des Bundeswehrverbandes und kritisiert: "Bislang fehlt es … an Zielen und einer Strategie". "Keiner kann sagen, ob es gelingt, ein Ordnungsziel zu definieren - und wie sich die Luftschläge auswirken", warnt Wüstner. Zwar gebe es derzeit "noch eine rote Linie, die besagt: kein Einsatz von Bodentruppen". "Wir sehen allerdings in diesen Tagen, wie schnell die Bundesregierung eine rote Linie überschreiten kann". Kurz vor der erwarteten Zustimmung des Bundestags zum Syrien-Einsatz der Bundeswehr urteilt der Oberstleutnant mit Blick auf das von ihm monierte Fehlen einer Strategie: "Die Zukunft ist völlig ungewiss. … Wenn wir ziellos umherirren, ist dieser Einsatz auf Dauer mit Sicherheit nicht zu verantworten."Bundeswehrverband zum Anti-IS-Einsatz: "Das ist ganz klar Krieg". www.spiegel.de 02.12.2015.

Bodentruppen nach Libyen

Die Vermutung, der Krieg gegen den IS/Daesh werde sich räumlich stark entgrenzen, liegt auch einer aktuellen Stellungnahme des Präsidenten des Reservistenverbandes der Bundeswehr, Oberst a.D. Roderich Kiesewetter, zugrunde. Kiesewetter, einer der führenden CDU-Außenpolitiker, rechnet nicht nur "fest damit, dass die Bundeswehr mehr als 1.200 Soldaten in den Anti-IS-Kampf schicken wird". Er schlägt darüber hinaus ergänzende Einsätze in drei weiteren Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens vor: "Die deutsche Luftwaffe, Marine und auch deutsche Polizisten können dabei helfen, Jordanien, den Libanon und Libyen zu stabilisieren". Im Libanon ist die deutsche Marine bereits seit 2006 damit beschäftigt, die libanesische Kriegsflotte zu trainieren. Nach Libyen werde die NATO Bodentruppen entsenden müssen, sagt Kiesewetter voraus. Die Bundeswehr solle sich daran allerdings nicht beteiligen.Bundeswehr-Reservisten: Einsatz soll über Syrien herausgehen. www.rp-online.de 02.12.2015.

Ein deutscher UN-Sondergesandter

Die Lage in Libyen spitzt sich mittlerweile immer weiter zu. Das Land ist völlig zersplittert; zwei Regierungen mit jeweils sehr beschränktem Einfluss rivalisieren miteinander, wobei eine von ihnen stark islamistisch geprägt ist. Zuletzt hat vor allem der IS/Daesh Erfolge erzielt und unter anderem die Hafenstadt Sirte erobert. Die Zahl seiner Milizionäre wird aktuell auf 2.000 bis 3.000 geschätzt, wobei jüngsten Berichten zufolge ausländische Kämpfer etwa aus Tunesien, Nigeria und Mali in großer Zahl nach Sirte strömen. Geheimdienste lassen verbreiten, der IS/Daesh verlege womöglich einen Teil seiner Führung nach Sirte, weil der Druck auf das syrische Raqqa zu groß werde. Immer wieder wird über eine erneute westliche Intervention spekuliert. "Wir sind bereit für ein Trainingsprogramm in Libyen", erklärt der US-Botschafter bei der NATO, Douglas Lute. "Der IS wird in Libyen immer stärker und zieht auch Extremisten aus anderen Ländern an", wird ein Milizenkommandeur aus der westlibyschen Stadt Zintan zitiert, der zu Gesprächen nach Berlin gereist ist: "Wir brauchen dringend Waffen, um gegen den IS vorgehen zu können".Ulrike Scheffer: Höchste Gefahr dicht an Europas Grenze. www.tagesspiegel.de 02.12.2015. Berlin verfügt in Sachen Libyen über speziellen Einfluss, weil Anfang November mit Martin Kobler ein deutscher Diplomat zum Sondergesandten der Vereinten Nationen für das nordafrikanische Land ernannt worden ist.S. dazu Gegen Terror und Migration .

Teil des Problems

Scharfe Kritik an der westlichen Interventionspolitik hat zu Wochenbeginn der Außenminister Algeriens, Ramtane Lamamra, geäußert. Lamamra hatte vor seiner Ernennung zum Außenminister fünf Jahre lang als "Kommissar der Afrikanischen Union für Frieden und Sicherheit" gearbeitet und war in diesem Amt Anfang 2011 mit dem Libyen-Konflikt befasst. Sein Bemühen um eine friedliche Lösung sei von den NATO-Mächten ignoriert worden, denen es darum gegangen sei, Gaddafi zu stürzen und den damaligen Rebellen zur Macht zu verhelfen, berichtete Lamamra nun der britischen Tageszeitung "Independent". "Die ausländische Intervention dürfte die Libyer davon abgehalten haben, sich auf die Lösung einzulassen, die die Afrikanische Union damals vorschlug, nämlich einen friedlichen Übergang", klagte Lamamra. "Eine ausländische Militärintervention kann Teil des Problems und nicht Teil der Lösung werden", warnte der Karrierediplomat: "Sie erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es zu mehr terroristischen Aktivitäten und einer größeren Destabilisierung in Staaten kommt, die eine ausländische Intervention ablehnen."Yasmine Ryan: Libya crisis: Foreign intervention is "part of the problem", says Algerian minister Ramtane Lamamra. www.independent.co.uk 30.11.2015. Lamamras Warnung kommt zu einer Zeit, zu der eine weitreichende Entgrenzung der Militäreinsätze in der arabischen Welt zur Debatte steht.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 03.12.2015.

Fußnoten

Veröffentlicht am

04. Dezember 2015

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