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Öl für Rüstungsexporte

Die deutsche Kriegsmarine beteiligt sich in wenigen Tagen an einem Großmanöver im Golf von Guinea. Die für Mitte dieses Monats terminierte Übung "Obangame Express 2014" richtet sich gegen an der westafrikanischen Küste aktive Piraten und soll laut Bundesregierung dazu dienen, die militärische "Kooperation" der Anrainerstaaten zu stärken. Das Vorgehen entspricht exakt der militärpolitischen Strategie Berlins, "Partnerländer" in Afrika mittels Ausbildern und Waffenexporten hochzurüsten, um kostspielige eigene Interventionen zu vermeiden. Erst unlängst fand im ghanaischen Accra eine Rüstungsmesse zur "Totalüberwachung" von Küstenräumen statt. Den anwesenden deutschen Waffenschmieden gilt das westafrikanische Land als profitträchtiger Zukunftsmarkt. Die vor der Küste Ghanas lagernden Erdölvorkommen sollen gegen feindliche Zugriffe abgesichert werden - und gewährleisten gleichzeitig, anstatt zur Armutsbekämpfung genutzt zu werden, die Deviseneinkünfte für Waffenkäufe bei nach Abnehmern suchenden westlichen Rüstungsunternehmen.

Großmanöver im Golf von Guinea

Wie die deutsche Kriegsmarine mitteilt, beteiligt sie sich an dem für Mitte dieses Monats anberaumten Großmanöver "Obangame Express" im Golf von Guinea. Laut Bundeswehr ist vorgesehen, zwei Fregatten und einen "Einsatzgruppenversorger" des "Einsatz- und Ausbildungsverbandes" der Flotte vor die Küste Westafrikas zu entsenden. Die unter Leitung der US-Streitkräfte stattfindende Übung wird sich in erster Linie mit Maßnahmen zur Bekämpfung der Piraterie befassen. Dem deutschen Marinekommando zufolge ist unter anderem vorgesehen, einen nigerianisch-ghanaischen "Einsatzstab" unter der Führung eines Admirals auf einer deutschen Fregatte einzurichten, um Einsatzführung und Kommunikationstechniken zu trainieren. Ein weiteres deutsches Schiff wird afrikanische "Boardingteams" beherbergen, die man im Aufbringen und Entern fremder Schiffe schulen will. Die Afrikaner könnten bei alldem "auf Erfahrungen zurückgreifen", die die deutsche Marine im Rahmen der Anti-Piraterie-Mission der EU vor der Küste Somalias gesammelt habe, heißt es.NDR Info "Streitkräfte und Strategien" 08.03.2014.

"Ertüchtigung" regionaler Militärs

Gleichzeitig betont die Truppe den Unterschied zur EU-Operation "Atalanta" am Horn von Afrika: "Im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe sollen die Anrainerstaaten am Golf von Guinea, von der Elfenbeinküste bis zum Kongo, besser in der Lage versetzt werden, für maritime Sicherheit in diesem Seegebiet zu sorgen."Über den Einsatz- und Ausbildungsverband 2014. www.marine.de.

Ganz ähnlich hat sich die Bundesregierung in Bezug auf "Obangame Express 2014" geäußert: "Das Manöver dient der Ertüchtigung der regionalen maritimen Fähigkeiten." Darüber hinaus wurde auf zahlreiche weitere deutsche "Projekte" zur Pirateriebekämpfung vor der Küste Westafrikas verwiesen, etwa auf die "seerechtliche Ausbildung der beninischen und togoischen Küstenwachen" oder auf den Lehrgang "Counter-Piracy and Transnational Organized Crime" am "Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre" (KAIPTC) im ghanaischen Accra. Das KAIPTC ist mit deutscher Hilfe errichtet und 2004 im Beisein des damaligen deutschen Kanzlers Gerhard Schröder eingeweiht worden; einer seiner Säle trägt ihm zu Ehren den Namen "Schröder Hall". Insgesamt erwäge man die "Erarbeitung eines umfassenden Ansatzes für mögliche EU-Unterstützungsmaßnahmen im Hinblick auf die Bewältigung von Risiken und Herausforderungen im Golf von Guinea", hieß es.Bundestagsdrucksache 17/14659 29.08.2013.

Rüstungsexporte inklusive

Die Aussagen der Bundesregierung zum Manöver "Obangame Express 2014" korrespondieren mit der militärpolitischen Strategie Berlins, "Partnerländer" in Afrika mittels Ausbildern und Waffenexporten hochzurüsten, um kostspielige eigene Interventionen zu vermeiden. So äußerte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Kommandeurstagung der Bundeswehr im Herbst 2012 die Absicht, "regionale Partner in die Verantwortung zu nehmen", da NATO und EU "nicht alle sicherheitspolitischen Probleme alleine lösen" könnten. Von den außen- und militärpolitischen Think-Tanks Berlins wird das hierin zum Ausdruck kommende Konzept zur Zeit unter der Bezeichnung "Enable and Enhance Initiative" (E2I) emphatisch diskutiert. Siehe hierzu Afrikanische Interventionen . Den Grundstein für diese "Ertüchtigungsinitiative" legte Merkel bereits im September 2011 bei einer Rede vor dem "Bergedorfer Gesprächskreis" der Körber-Stiftung in Berlin: "Wenn wir … davor zurückschrecken, selbst in einen Konflikt einzugreifen, dann reicht es in der Regel nicht, an andere Länder und Organisationen Worte der Ermutigung zu richten. Wir müssen die Staaten, die bereit sind, sich zu engagieren, auch dazu befähigen." Dies schließe "ausdrücklich" den "Export von Waffen" ein."Deutschland weiß um seine Verantwortung in der Welt". Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 09.09.2011.

Totalüberwachung

Zu den Staaten, die sich an der Bekämpfung von Piraten im Golf von Guinea massiv beteiligen, zählt insbesondere Ghana. Im Vorfeld des Manövers "Obangame Express 2014" fand in der dortigen Landeshauptstadt Accra eine Konferenz unter dem Titel "Coastal and Maritime Surveillance" statt, die sich mit der "Totalüberwachung" der westafrikanischen Küste befasste.www.coastalsurveillanceafrica.com. Welchen Beitrag die Europäische Union hierzu zu leisten bereit ist, erläuterte bei dieser Gelegenheit Flottillenadmiral Jürgen Ehle, Vorsitzender der Arbeitsgruppe des Militärkomitees der EU. Bei dem Gremium handelt es sich laut Bundeswehr um den "Arbeitsmuskel" des Komitees, der "für die inhaltliche Vorbereitung, die Erstellung von Papieren und Dokumenten sowie die Abstimmung unter den Nationen zuständig" ist.Die NATO: So ist das Bündnis organisiert. Die Bundeswehr. Magazin des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, April 2014. Bevor Ehle seinen Dienst in Brüssel antrat, fungierte er als Referatsleiter in der Abteilung "Strategie und Einsatz" des Bundesverteidigungsministeriums.

Rüstungsmesse

Im wesentlichen handelte es sich bei der Konferenz "Coastal and Maritime Surveillance" allerdings um eine Rüstungsmesse: Vorgestellt wurden unter anderem Helikopter und Aufklärungsdrohnen zur Absicherung von submarinen Erdöllagerstätten und Bohrinseln. Vertreten waren nicht zuletzt deutsch-europäische Waffenschmieden, unter ihnen Airbus Defence and Space (EADS), die Friedrich Lürssen Werft und Atlas Elektronik. Der Vertreter des zuletzt genannten Unternehmens sprach über den Schutz "kritischer Infrastrukturen" mittels Patrouillenbooten.Coastal and Maritime Surveillance (Konferenzprogramm). www.coastalsurveillanceafrica.com. Atlas Elektronik produziert neben Datenverarbeitungssystemen für Kriegsschiffe auch Unterwasserdrohnen und Torpedos.

Auf der Strecke geblieben

Für Deutschland und seine Rüstungsindustrie ist Ghana in mehrfacher Hinsicht interessant. Das Land verfügt über große Erdölvorkommen vor seiner Küste; allein die Potenz des Offshore-Ölfeldes "Jubilee" wird auf 800 Millionen Barrel geschätzt. Zur Sicherung seiner Ölförderung, die zu einem großen Teil in die EU-Staaten exportiert wird, setzt das westafrikanische Land offenbar auf modernste Militärtechnik - und ist durch die Einnahmen aus dem Ölgeschäft gleichzeitig in der Lage, diese auch im großen Stil einzukaufen, zum Wohle unter anderem der deutschen Rüstungsindustrie. Auf der Strecke bleibt zugunsten der nach Abnehmern suchenden Waffenschmieden einmal mehr die Armutsbekämpfung.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 09.04.2014.

Fußnoten

Veröffentlicht am

11. April 2014

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