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Nur ein erstes Signal

Nach dem Beginn des deutschen Einsatzes im Krieg in Mali fordern prominente Politiker aus Regierungsparteien und Opposition die Ausweitung der deutschen Militär-Aktivitäten. Die Entsendung deutscher Transportflugzeuge nach Mali könne allenfalls "ein erstes demonstratives Signal" sein, erklärt der Präsident des Deutschen Bundestages. Die Bundesregierung müsse "erheblich mehr tun", heißt es in der Opposition bei SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Zugleich warnen Beobachter mit Blick auf die Kampfhandlungen, Frankreich habe sich womöglich "in einen Konflikt verstrickt, der eine Nummer zu groß" für es sei. Berlin versucht den Krieg unterdessen zu nutzen, um seinen Einfluss in den von Frankreich dominierten Ländern Westafrikas zu stärken. Wie Bundeskanzlerin Merkel letzte Woche anlässlich eines Berlin-Besuchs des ivorischen Präsidenten Alassane Ouattara erklärte, der bei ihr um eine stärkere Unterstützung für die Kriegführung in Mali bat, solle Ouattara "seinen Besuch benutzen, um auch in Deutschland klarzumachen", dass "auch andere Länder einen guten Zugang zur Côte d’Ivoire haben". Konkret fordert Berlin die Öffnung des bislang von Frankreich beherrschten ivorischen Markts für deutsche Unternehmen. Auch eine maßgebliche deutsche Rolle beim Neuaufbau des malischen Staats hat die Bundeskanzlerin im Visier.

Eine Nummer zu groß?

Eine Woche nach Beginn des Kriegs in Mali und gleichzeitig mit der Ausweitung des Konflikts auf Algerien werden im Pariser Establishment zunehmend warnende Stimmen laut. Die Kämpfe hätten bislang nicht die erhofften entscheidenden Erfolge erzielt, heißt es in der konservativen Opposition: Eine unkontrollierbare Eskalation in Mali sei nicht auszuschließen. Kritische Beobachter teilen die Befürchtungen. Es gebe Grund zur "Sorge, Frankreich habe sich in einen Konflikt verstrickt", "der eine Nummer zu groß für die ehemalige Kolonialmacht" sei, urteilen Berichterstatter.Ende des Burgfriedens in Paris; diepresse.com 20.01.2013. In der Tat hat Paris inzwischen eine Aufstockung seiner Truppen über die zunächst genannten 2.500 Soldaten hinaus in Aussicht gestellt. Auch die Einheiten aus Afrika werden die ursprünglich geplanten 3.300 Militärs wohl deutlich überschreiten. Dabei lässt die blutig beendete Geiselnahme in Algerien klar erkennen, dass auch Malis Nachbarländer in den Konflikt hineingezogen werden - und keineswegs nur Algerien selbst: Die Geiselnehmer starteten ihren Angriff offenbar von einer Basis in Libyen, das nun als drittes Land nach Mali und Algerien direkt in die Auseinandersetzungen einbezogen zu werden droht. Libyen ist besonders gefährdet, da es seit dem NATO-Krieg im Jahr 2011 nicht mehr über wirklich funktionsfähige staatliche Strukturen verfügt.

Deutsche Militärtransporter

Ende letzter Woche ist nun auch die Bundeswehr in den Krieg in Mali eingetreten. Am Donnerstag sind zwei deutsche Transall-Militärflieger ins französische Évreux gestartet, um von dort - beladen mit Sanitätsmaterial der französischen Armee - über Rabat (Marokko) nach Bamako aufzubrechen; dort trafen sie am Samstag tatsächlich ein. Mittlerweile sind sie auf die französische Militärbasis in Dakar (Senegal) verlegt worden; sie sollen nun senegalesische Kampftruppen in den Krieg bringen. Weitere Transportflüge sollen folgen. Ein deutscher Soldat wird mit der Angabe zitiert, die Bundeswehr-Flieger müssten in den kommenden Wochen "bis zu 3.300 Soldaten der ECOWAS aus den verschiedenen ECOWAS-Staaten" nach Bamako transportieren.Deutsche Transall als afrikanischer Pendelbus; www.tagesschau.de 20.01.2013. Die Intervention wurde von der Regierung ohne Zustimmung des Deutschen Bundestages beschlossen und gestartet.

Näher an die Kampflinie

Dabei werden in Berlin die Forderungen lauter, die deutsche Kriegsbeteiligung auszuweiten. Wie Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) über die Transall-Entsendung erklärt, könne er sich "nicht vorstellen, dass irgendjemand das für den deutschen Beitrag hält". Es handele sich allenfalls um "ein erstes demonstratives Signal, dass wir uns nicht ähnlich wie im Fall Libyen positionieren".Deutsche Transall gelandet; www.taz.de 20.01.2013. Die Bundeswehr werde sich zumindest näher an das Kampfgebiet heranwagen müssen, erklärte am Wochenende der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU): "Es kann etwa möglich werden, dass Transporte der Bundeswehr auch näher an die Kampflinie geflogen werden müssen"."Deutschland kann erheblich mehr tun"; www.faz.net 19.01.2013. Auch in der Opposition mehren sich die bellizistischen Stimmen. Man müsse in Betracht ziehen, "dass die Bundeswehr in Mali auch andere Flughäfen als Bamako anfliegt, auch militärisches Gerät transportiert und dass wir im Sanitätswesen helfen", war vom SPD-Militärexperten Rainer Arnold zu hören. Der militärpolitische Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Omid Nouripour, äußerte gleichfalls, die Bundesregierung müsse "erheblich mehr tun als zwei Transall-Maschinen zur Verfügung zu stellen". Berlin könne in Mali eine Vorreiterrolle für die EU übernehmen - auch im militärischen Bereich.

Zugang zum Pariser Einflussbereich

Um eine Vorreiterrolle in Mali und darüber hinaus um eine Stärkung des deutschen Einflusses in Westafrika insgesamt bemüht sich Berlin nach Kräften. Exemplarisch deutlich wurde dies letzten Mittwoch beim Deutschland-Besuch des ivorischen Staatspräsidenten Alassane Ouattara. Wie die anderen französischsprachigen Staaten der ECOWAS ist auch Côte d’Ivoire einem dominierenden Einfluss der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich ausgesetzt. Die Bundesrepublik erstrebt schon lange eine stärkere Stellung in der westafrikanischen Frankophonie, konnte sich bislang aber nicht gegen die Pariser Netzwerke dort durchsetzen. Die deutsche Unterstützung für ECOWAS-Militärs in Mali wird nun als Hebel genutzt, um Frankreich in Westafrika zurückzudrängen. Wie Kanzlerin Merkel nach einem Gespräch mit Präsident Ouattara erklärte, herrsche in Deutschland hinsichtlich Côte d’Ivoire die Ansicht vor: "Das ist eigentlich ein französischer Einflussbereich". Ouattara solle jetzt "seinen Besuch benutzen, um auch in Deutschland klarzumachen", dass "auch andere Länder einen guten Zugang zur Côte d’Ivoire haben". "Wir werden ein neues Kapitel in der Kooperation zwischen der Côte d’Ivoire und Deutschland aufschlagen", teilte die Kanzlerin über ihren offenbar spürbaren Verhandlungserfolg mit: "Angesichts der sehr engen Beziehungen, die Deutschland und Frankreich in Europa haben", sei es "wichtig, dass auch Deutschland zu den Partnern, die enge Partner Frankreichs sind, engere Beziehungen aufbaut".Pressekonferenz BK’in Merkel und Präsident von Côte d’Ivoire, Ouattara, in Berlin; 16.01.2013.

Kompensationsgeschäfte

Dabei verlangt Berlin in aller Offenheit neue Marktanteile in Côte d’Ivoire, einem der ökonomisch bedeutendsten Länder Westafrikas, das durch den gewaltsamen Umsturz im Frühjahr 2011s. dazu Der Mann vom IWF , Spiel mit dem Feuer und Das Recht des Stärkeren (II) . stark geschädigt ist und nun vor neuen, für ausländische Unternehmen profitablen Aufbauprojekten steht. Die deutsche Kanzlerin hat jetzt zugesagt, notwendige Umschuldungsmaßnahmen zu unterstützen, fordert dafür aber Kompensationen. "Deutschland wird sich an der Entschuldung der Côte d’Ivoire beteiligen", erklärte Angela Merkel nach den Verhandlungen mit Präsident Ouattara: "Wir möchten diese Entschuldung gerne mit einem Einstieg in die Kooperation in Bezug auf erneuerbare Energien kombinieren, und der Präsident hat dies auch zugesagt." Auch darüber hinaus will Berlin deutschen Konzernen die ivorische Elektrizitätsbranche öffnen. Ouattara, der sich nach den Gesprächen beim Außenwirtschaftsverband "Afrika-Verein" um einen Ausbau der Beziehungen bemühte, sicherte der Kanzlerin zu, "die deutsche Wirtschaft" solle "eine wichtige Rolle in der Côte d’Ivoire spielen". Das sei durchaus lukrativ, versprach der Präsident: "Wir haben große Ressourcen und große Chancen in allen Bereichen" - unter anderem "in der Landwirtschaft, im Bergbau" und "in der Infrastruktur".Pressekonferenz BK’in Merkel und Präsident von Côte d’Ivoire, Ouattara, in Berlin; 16.01.2013.

Innereuropäische Rivalitäten

Nach Ouattara, dessen Land gegenwärtig den Vorsitz der ECOWAS innehat, wird am kommenden Mittwoch der nächste Präsident eines ECOWAS-Staates in Berlin eintreffen: Thomas Boni Yayi, Präsident Benins und zur Zeit auch Vorsitzender der Afrikanischen Union. Wie Ouattara wird auch er in der deutschen Hauptstadt den ECOWAS-Einsatz besprechen, obwohl Deutschland - bislang - nur Transportflüge durchführt, während die militärische Führung unverändert bei Frankreich liegt. Auch in seinem Fall verlangt Berlin für seine Beteiligung am Krieg in Mali Zugeständnisse, die in Paris sorgfältig vermerkt werden: Im Windschatten der blutigen Kämpfe stärkt die Bundesrepublik ihre westafrikanische Position. Kanzlerin Merkel hat bereits angekündigt, auch in Mali in Zukunft stärker Einfluss nehmen zu wollen - beim Neuaufbau des malischen Staates. Berlin nutzt die durch die Euro-Krise deutlich geschwächte europäische Stellung seines Verbündeten, um Paris jetzt auch in seinem afrikanischen "Hinterhof" zurückzudrängen.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 21.01.2013.

Fußnoten

Veröffentlicht am

23. Januar 2013

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