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Ende im Gemetzel (III)

Angesichts fortdauernder Kriegsgefahr am Persischen Golf analysieren Berliner Regierungsberater die mutmaßlichen Folgen einer Blockade der Straße von Hormuz durch Iran. Es sei nicht nur mit gravierenden ökonomischen Konsequenzen zu rechnen, heißt es: Fachleute schließen einen Ölpreis-Anstieg auf mehr als 200 US-Dollar pro Barrel nicht aus. Auch werde eine Sperrung des Seeweges mit Sicherheit zu einem militärischen Konflikt mit den USA führen. Zwar sei sich das iranische Regime klar darüber, dass es einen derartigen Konflikt nicht gewinnen könne. Allerdings sei die iranische Verteidigungsstrategie so angelegt, dass Teheran selbst eine militärische Niederlage in politisches Kapital ummünzen könne, weshalb eine Blockade der Meerenge nicht auszuschließen sei. Dem Szenario kommt Bedeutung zu, weil es im Fall eines US-amerikanischen oder eines israelischen Angriffs auf die Atomanlagen Irans als realistisch gelten kann; eine umfassende Kriegseskalation wäre die Folge. Berlin dringt weiter auf eine Verhandlungslösung im Atomstreit: Experten zufolge hat Deutschland die Chance, als "Mittler" eine wichtige Rolle in dem Konflikt zu spielen - zukünftigen Einfluss inklusive. Sollte es zu Militärschlägen kommen, gilt jedoch zumindest eine finanzielle Beteiligung der Bundesrepublik als wahrscheinlich.

200 Dollar pro Barrel

Im Mittelpunkt der aktuellen SWP-Analyse steht die Straße von Hormuz, die den Persischen Golf mit dem Indischen Ozean verbindet und den Seetransport von Waren aus den Häfen der Golfstaaten in alle Welt ermöglicht. Wichtigste Güter sind dabei nach wie vor Erdöl und Flüssiggas. Laut SWP passieren jeden Tag allein 14 Öltanker mit insgesamt 17 Millionen Barrel Rohöl die Meerenge; dies entspricht 35 Prozent des gesamten auf dem Seeweg transportierten Erdöls weltweit. Außerdem ist der weltgrößte Flüssiggas-Exporteur, Qatar, für seine Ausfuhren vollständig auf die Straße von Hormuz angewiesen. Die Transportroute sei "ohne Alternative", heißt es in dem SWP-Papier: Zwar seien die Vereinigten Arabischen Emirate dabei, eine Ölpipeline zu bauen, die es in Zukunft ermögliche, die Meerenge zumindest teilweise zu umgehen. Doch werde gegenwärtig eine Blockade der Straße, wie Teheran sie androhe, "eine internationale Krise auslösen und die Ölpreise hochtreiben" - wie in Fachkreisen zu hören sei, eventuell sogar "über die Marke von 200 US-Dollar". Walter Posch, Sascha Albrecht: Kriegstheater im Persischen Golf ; SWP-Aktuell 17, März 2012. Dass ein solcher Ölpreisanstieg geeignet ist, die zur Zeit ohnehin schwer in der Krise steckende westliche Wirtschaft ernsthaft zu schädigen, steht außer Frage.

Vitale Interessen

Ebenfalls außer Frage steht es der SWP zufolge, dass die USA auf eine Blockade der Straße von Hormuz durch Iran regieren werden - mutmaßlich militärisch. Dies liegt demnach keineswegs nur darin begründet, dass laut dem Internationalen Seerechtsübereinkommen von 1982 die Straße von Hormuz als "Internationale Meerenge" gilt, die dem Transit - Kriegsschiffe inklusive - offenstehen muss. Ein viel größeres Gewicht habe, schreibt die SWP, die hohe "energiepolitische und strategische Bedeutung der Golfregion" für die Vereinigten Staaten. Nach der Übernahme der Macht in Teheran durch das islamistische Regime 1979 hätten die USA ihre Truppenpräsenz im Persischen Golf deutlich verstärkt und dies mit der "Carter-Doktrin" begründet. Demnach habe Washington "erstens den ‘Ölfluss’ durch die Straße von Hormuz sicherzustellen" und "zweitens die Etablierung jeder anderen Großmacht in dieser Region zu verhindern, die den USA feindlich gesinnt" sei. Walter Posch, Sascha Albrecht: Kriegstheater im Persischen Golf ; SWP-Aktuell 17, März 2012. Jeden Verstoß dagegen betrachteten die Vereinigten Staaten "als Angriff auf ihre vitalen Interessen". Die SWP ruft in Erinnerung, dass es bereits im Ersten Golfkrieg (1980 bis 1988) zu Kämpfen zwischen den USA und Iran gekommen war, als Teheran Tankschiffe an der Durchfahrt durch die Straße von Hormuz hindern wollte. Das iranische Regime habe "Erfahrung damit, was es heißt, von den USA markierte ‘rote Linien’ zu überschreiten", heißt es bei der SWP.

Unbeeindruckt

Andererseits weist der vom Kanzleramt finanzierte Think-Tank darauf hin, dass Iran sich als "die dominierende Kraft" am Persischen Golf versteht. Im iranischen Fall verfange "die amerikanische Logik nicht, wonach die Anwesenheit amerikanischer Flugzeugträger ausreichen" müsse, "um die Politik gegnerischer Staaten zu beeinflussen". Teheran handle ganz im Gegenteil "so, als ob es von der militärischen Drohkulisse in Gestalt der 5. Flotte [der USA, in Bahrain stationiert, d.Red.] gänzlich unbeeindruckt wäre". Auch wenn sich das Regime gewiss nicht darüber täusche, "dass in absehbarer Zeit mit einem Abzug der USA nicht zu rechnen und Iran nicht in der Lage" sei, "die USA aus der Region zu drängen", bleibe "erklärtes Ziel Teherans (…) der Abzug der Amerikaner, vor allem der 5. Flotte, aus der Region". Langfristig strebe man "eine Sicherheitsarchitektur" an, "in die Teheran eingebunden" sei und die es "im Idealfall" dominiere - doch müsse Letzteres aus Sicht Irans "nicht zwangsläufig" gewährleistet sein. Walter Posch, Sascha Albrecht: Kriegstheater im Persischen Golf ; SWP-Aktuell 17, März 2012.

Ideologisch-politischer Erfolg

Vor dem Hintergrund des Hegemonialkonflikts am Persischen Golf weist die SWP darauf hin, dass Teheran zwar Washingtons "rote Linien" kenne, einer militärischen Auseinandersetzung aber nicht um jeden Preis aus dem Weg gehen werde. Sei die territoriale Integrität des Landes oder der Bestand des Regimes ernsthaft bedroht, dann "werden die Iraner sich zur Wehr setzen". Dabei wisse man in Teheran selbstverständlich, dass ein Krieg gegen die USA militärisch sicher nicht zu gewinnen sei. Deshalb setze das iranische Regime "auf einen Achtungserfolg einer Verteidigungsoperation": "Ein einziges kampfunfähig geschossenes oder gar versenktes amerikanisches Kriegsschiff würde einen großen Prestigeverlust für die USA bedeuten" und Kräften, die sich gegen die Vereinigten Staaten wendeten, Auftrieb verleihen. "Selbst aus einer Niederlage" könne Teheran "ideologisches Kapital schlagen", heißt es in dem SWP-Dokument: "Revolutionsgardisten, die bei der Verteidigung ihrer Heimat in Schnellbooten von den hochgerüsteten Amerikanern getötet werden", lieferten "genau jene Bilder, mit denen sich eine militärische Niederlage in einen ideologisch-politischen Erfolg ummünzen lässt." Auf diese Weise könne Iran "seinen Führungsanspruch in der islamischen Welt sowie seinen Regionalmachtanspruch im Persischen Golf" womöglich sogar noch "untermauern". Walter Posch, Sascha Albrecht: Kriegstheater im Persischen Golf ; SWP-Aktuell 17, März 2012.

Mittler

Berlin dringt weiterhin auf eine Verhandlungslösung im Atomstreit. Ursache ist keineswegs nur die Befürchtung, "explodierende Ölpreise" würden verheerende Folgen für die Weltwirtschaft haben.Militärschlag laut Experte "fast schon sicher"; www.tagesschau.de 20.03.2012. Experten wie der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde Mohammed al Baradei urteilen, Deutschland könne in Verhandlungen als "Mittler" eine wichtige Rolle spielen - und so auf lange Sicht seinen Einfluss am Persischen Golf deutlich ausbauen. Bundesaußenminister Westerwelle hat vor wenigen Tagen das Sultanat Oman besucht, das traditionell enge Beziehungen zu Iran unterhält, und sich dort um neue Möglichkeiten zur Vermittlung bemüht. Er habe gegenüber seinem israelischen Amtskollegen von einem Bombardement iranischer Atomanlagen "dringend abgeraten", bestätigt Verteidigungsminister Thomas de Maizière in der Boulevardpresse.Steht Israel vor einem Krieg mit dem Iran? www.bild.de 27.03.2012. Wie die iranische Regierung jetzt mitteilt, will sie Mitte April die Atomverhandlungen mit dem Westen fortsetzen - eine erneute Chance für Berlin, durch Vermittlung seinen Einfluss im Mittleren Osten auszubauen: Erst vor wenigen Tagen hat der iranische Staatspräsident dem deutschen Fernsehen ein Exklusivinterview gewährt, das als bewusste Bevorzugung Deutschlands verstanden worden ist. Dessen ungeachtet gilt, sollte es zu Militärschlägen kommen, laut Experten eine finanzielle Beteiligung der Bundesrepublik als wahrscheinlich: Deutschland werde in diesem Fall voraussichtlich "indirekt in diesen Krieg mit einbezogen", urteilt der Nahost-Fachmann Michael Lüders - "vermutlich in Form einer symbolischen Unterstützung".Militärschlag laut Experte "fast schon sicher"; www.tagesschau.de 20.03.2012.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 30.03.2012.

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Die Erklärung erscheint am Donnerstag, 29.3.2012, in der Wochenzeitung Freitag und am Samstag, 31.3.2012 in der Süddeutschen Zeitung (SZ)

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Fußnoten

Veröffentlicht am

30. März 2012

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