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“Hier ist es der Name Zalama aus der DR Kongo, der einem neuen Krieg ein Gesicht verleiht…”

Annemarie Diefenbach aus Büdingen (Hessen) zeigt mit der Schilderung ihrer persönlichen Erfahrungen, wie unmenschlich die Asylpolitik und -praxis hierzulande ist. In ihrem Bericht geht es um Zalama, der vor einem Jahr nach 10 Jahren Aufenthalt in Deutschland in sein Heimatland Kongo abgeschoben wurde. Vor dem Hintergrund des wieder neu ausgebrochenen Bürgerkriegs im Kongo bekommt dieser unmenschliche Vorgang nochmals eine ganz aktuelle Brisanz.

Annemarie Diefenbach schreibt in einem Brief an das Lebenshaus u.a.: “Es war unvorstellbar, daß man solch einen Menschen abschieben konnte, nur weil sich im vergangenen Jahr mal grade die Verhältnisse minimal verbessert hatten, und in eine ungewisse Zukunft schickte. Ich würde den Ablauf dieser Abschiebung nachgerade als gewissenlos bezeichnen - von einem obersten Dienstherrn, dem hessischen Innenminister, zugelassen, dessen Vorfahren dereinst (17-hundert-???) als verfolgte Hugenotten selbst in Hessen Asyl erhielten. Sie können gar nicht glauben, wie weit unten durch dieser Bouffier bei uns hier ist!”

Den nachfolgenden Text hat Annemarie Diefenbach im Rahmen der ökumenischen Friedensgebete in Büdingen vorgetragen.


ZALAMA

Vor einem Jahr wurde ein guter Bekannter in die DR Kongo (vormals Zaire) abgeschoben. Er lebte hier in Büdingen 10 Jahre unauffällig, hatte fast ebenso lang eine regelmäßige Arbeitsstelle, konnte sich von seinem erarbeiteten Geld eine kleine Mietswohnung leisten und aus der Asylbewerber-Gemeinschaftsunterkunft ausziehen, ebenso konnte er seinen Lebensunterhalt unabhängig bestreiten, spielte mit Leidenschaft im Fußballverein Wolferborn/Michelau und auch daneben mit anderen fußballinteressierten Asylbewerbern gegen solche von außerhalb. Niemals hatte er sich irgendwas zuschulden kommen lassen. Er war immer bestrebt, seine Arbeit gut zu machen, anständig Fußball zu spielen, seine Deutschkenntnisse über die Volkshochschule zu verbessern und sowohl mit Landsleuten und anderen Asylbewerbern und Ausländern als auch mit Deutschen gute Kontakte zu pflegen. Er, ein katholischer Christ, war zuverlässig, z.B. wenn es darum ging, eine deutsch-ausländische Veranstaltung mitzuorganisieren oder daran teilzunehmen, ebenso wie beim Einsammeln der von der Stadt bezahlten Fußballtrikots der Asylbewerber, die ich am Tag nach dem Spiel bei ihm zum Waschen abholte. Dies war einst die Voraussetzung für den Erhalt des Geldes zur Beschaffung der Hemden. Es musste gewährleistet sein, dass keines der Trikots abhanden kam. Kurzum: Zalama war ein angenehmer und integrierter Zeitgenosse.
Da vor einem guten Jahr sich die Lage im Kongo etwas entspannt hatte, wurde dies zum Anlaß genommen, Kongolesen nicht als Asylbewerber anzuerkennen und abzuschieben, auch solche, die schon sehr lange und integriert hier lebten wie unser Bekannter, der von seinen 30 Lebensjahren 10 davon in Büdingen wohnte.

Er wurde an einem frühen Morgen von der Polizei abgeholt, als er vor seiner Wohnung auf einen Arbeitskollegen wartete, der ihn immer mit dem Auto zur Firma mitnahm. Man hielt ihm eine Pistole an den Kopf, dass er nicht fliehen sollte. Allein diese Art des menschenunwürdigen Abholens ist ein Unding ? leider aber der Normalfall, um einer Flucht vorzubeugen.

Seine Fußballkameraden, Arbeitskollegen und sonstigen Freunde und Bekannten, auch natürlich andere Asylsuchende, setzten sich vehement für ihn ein bei allen möglichen Stellen. Beim Bürgermeister, 1. Stadtrat und Stadtverordnetenvorsteher der Stadt Büdingen, dem Ausländeramt des Wetteraukreises, der Abschiebestelle, beim Landrat und hessischen Innenminister persönlich versuchten wir, ein Hierbleiben zu erreichen, ebenfalls durch das Hinzuziehen einer weiteren, auf Asylrecht spezialisierten Anwältin, deren Name und Adresse ich über einen alten Schulfreund erfahren hatte, der Sozialarbeiter in Gießen ist.

Wir sammelten Unterschriften für seinen Verbleib, über 600 Stück, mit dem Hinweis auf seine langjährige Integration, und auch, dass in afrikanischen Staaten die momentan entspannte Lage genauso schnell wieder umkippen konnte und erneut ein Bürgerkrieg ausbrechen könne. Diese Unterschriften gingen an den Petitionsausschuß des hessischen Landtags. Durch die hiesige Zeitung und über Pro Asyl und andere Flüchtlingsorganisationen versuchten wir noch zusätzlich, Hilfe und auch die Öffentlichkeit zu erreichen.

Doch die Abschiebestelle war durch nichts an der Änderung der schon beschlossenen Abschiebung interessiert, der ‘Fall X’ war erledigt. Noch nicht mal telefonisch sprechen konnte man mit ihm im Friedberger Gefängnis, in das die hiesigen Abzuschiebenden kommen, falls sie nicht sofort ausgeflogen werden. Wie ein Krimineller! Lediglich Post und Besuche durfte er erhalten, alle 2 Wochen für 1 Stunde an einem Mittwochnachmittag. Zu einem Besuch kam es dann nicht mehr, aber ich hatte ihm wenigstens noch ‘sein’ Fußballtrikot der Asylbewerbermannschaft ins Gefängnis schicken können.

Mein Bekannter wurde im August letzten Jahres in sein Heimatland DR Kongo abgeschoben. Dort hatte er keine Familie mehr, da seine Eltern und Geschwister im Bürgerkrieg 1992 ums Leben gekommen waren. Er kam bei den Schwiegereltern eines Freundes unter, der als Asylbewerber in Bad Nauheim wohnt. Zuvor wurde er, was übliche schreckliche Praxis ist, ca. 2 Wochen im Gefängnis in der Hauptstadt Kinshasa ‘links’ gemacht; diese Prozedur ist leider an der Tagesordnung und die Gefängnisse Afrikas sind mit den unsrigen in keiner Weise vergleichbar. Er wurde über seinen Aufenthalt hier ausgequetscht und auch über andere Asylbewerber aus der DR Kongo. Wie gesagt, ein gängiges Verfahren, psychisch und körperlich jedoch für den Rückkehrer auch ohne Folter qualvoll. Außerdem muß er sich dabei wie ein Verräter an seinen Landsleuten vorgekommen sein. Bei diesen Rückkehrerbefragungen sind schon etliche Menschen gestorben, vorwiegend Kurden in der Türkei, die in den dortigen Gefängnissen nicht selten auch gefoltert werden.

Mein Bekannter stand im Kongo finanziell vor dem Nichts, verdingte sich als Taglöhner mal hier, mal da, um zumindest seinen Gasteltern nicht über Gebühr zur Last zu fallen. Die Kontakte hierher wurden spärlicher, da ein Telefon nicht vorhanden war und eine Briefzustellung von und nach Europa beinahe das letzte große Abenteuer ist. Seine Fußballfreunde unterstützten ihn einmal mit einer Geldsammlung, die auch ankam.

Anfang Mai 2003 ist der Bürgerkrieg im Kongo nun wieder aufgeflackert. Wir hoffen, dass es unserem Freund gut geht und in seiner Region keine Unruhen sind. Aber es war genau das eingetreten, wovor gewarnt wurde: die politische Lage hatte sich in kurzer Zeit wieder verändert. Doch in einer vorübergehend ruhigeren Phase wurde ein anständiger, integrierter Mann in sein Heimatland zurückgebracht, ohne Not! Wenn langjährig integrierte Personen abgeschoben werden, obwohl von der Regierung eine Integration gepredigt wird, was hätte er nach 10 Jahre integriertem Aufenthalt in Deutschland denn eigentlich noch tun sollen? Er war der Prototyp eines integrierten Asylbewerbers, ohne deswegen angepasst oder unpolitisch zu sein.

Warum erzähle ich das? Jetzt ist woanders Krieg und Unfrieden, wo unschuldige Menschen betroffen sind und an die man denken sollte. Jetzt ist wieder ein Bürgerkrieg entflammt in der DR Kongo.

Wenn man jemand kennt, hat auf einmal der Krieg auch ein Gesicht und einen Namen. Hier ist es der Name Zalama, der einem neuen Krieg ein Gesicht verleiht, Zalama Nsiona aus der DR Kongo.

Veröffentlicht am

18. Juni 2003

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