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Zeitgewinn

Die für den gestrigen Montag geplanten Gespräche über das Gedenken an die NS-Deportationen auf dem deutschen Schiennentz sind gescheitert. Auf das Treffen hatten sich die Initiatoren des Gedenkens (Fils et Filles des Déportés Juifs de France/Initiative Elftausend Kinder) mit dem Bundesminster für Verkehr verständigt. Als weitere Teilnehmer waren die Spitzen der Deutschen Bahn AG und des Zentralrats der Juden in Deutschland geladen. Wie es in Vorbereitung der langfristig vereinbarten Gespräche hieß, sollte versucht werden, eine Ausstellung über elftausend deportierte Kinder auf den deutschen Publikumsbahnhöfen zu ermöglichen.

Die Präsentation der Exponate wird seit zwei Jahren vom Berliner Bahnvorstand verhindert, der sämtliche Stationen für das öffentliche Gedenken sperrt und Kontakte mit den Initiatoren ablehnt. Als die Vertreter der französischen Opferorganisation um Beate Klarsfeld und Repräsentanten der deutschen Initiativen bereits aus Paris und mehreren Bundesländern abgereist waren, wurde ihnen mitgeteilt, dass sie nicht empfangen werden. Grund der Absage seien Terminschwierigkeiten, behauptete das einladende Verkehrsministerium. “Es handelt sich um einen Affront, den wir zur Kenntnis nehmen; die Durchsetzung des Gedenkens wird er nicht verhindern”, sagt Prof. Dr. Gudrun Hentges in einem Interview mit german-foreign-policy.com. Frau Hentges ist Delegierte der deutschen Initiative “Elftausend Kinder” und hielt sich wegen des jetzt abgesagten Treffens in Berlin bereit.

Die deutschen Delegierten waren der Einladung des Bundesverkehrsministers mit dem Mandat mehrerer hundert Organisationen und Einzelpersönlichkeiten gefolgt. Demnach erwartet die Initiative, dass der Bahnvorstand die Sperrung der deutschen Publikumsbahnhöfe aufhebt und eine noch festzulegende Zahl von Bahnstationen für die Ausstellung freigibt.Siehe dazu Besonders ausführlich . Auch die französische Opferorganisation “Söhne und Töchter der deportierten Juden Frankreichs”, die von Serge und Beate Klarsfeld geleitet wird, wollte in Berlin die Eröffnung eines bundesweiten Ausstellungszyklus’ erreichen. “Die elftausend deportierten jüdischen Kinder sind auf ihrem letzten Weg in die Vernichtungslager durch unzählige deutsche Bahnhöfe gekommen”, sagte Frau Klarsfeld der Redaktion von german-foreign-policy.com im Vorfeld der gescheiterten Gespräche. “Dort muss an sie gedacht werden dürfen!”

Alibi-Veranstaltungen

Das entschiedene Auftreten der französischen und deutschen Initiatoren hatte bei der Bahn AG in den vergangenen Wochen die Befürchtung verstärkt, der öffentliche Druck könnte zu Zugeständnissen zwingen und Vorstandschef Mehdorn wegen seines grundsätzlichen Vetos beschädigen. Daraufhin ventilierte das Unternehmen diverse Alternativen, aber behielt die Sperrung der Bahnhöfe bei. So konnte sich der Konzernvorstand vorstellen, der elftausend Ermordeten “bahnhofsnah” zu gedenken, um die Erinnerung von den Stätten der Deportationsverbrechen an die Außenbezirke zu verlagern - und dort den Reisenden vorzuenthalten. Als auch diese Variante abgelehnt wurde, ließ die Bahn vermuten, dass sie äußerstenfalls symbolische Akte zulassen würde. “Alibi-Veranstaltungen auf einem oder zwei Bahnhöfen finden nicht unsere Zustimmung”, antworteten sowohl die Pariser wie auch die deutschen Initiatoren. Angesichts dieser Unvereinbarkeiten war das Zusammentreffen der Kontrahenten mit Spannung erwartet worden; zugleich schien ein Scheitern der Gespräche sehr wahrscheinlich. Dass das hochrangig besetzte Treffen vollständig abgesagt werden würde, überraschte auch die Initiatoren der Ausstellung. Anlass waren Terminschwierigkeiten beim Zentralrat der Juden in Deutschland. Warum der plötzliche Ausfall eines der Gesprächsteilnehmer zur Stornierung des seit Monaten vorbereiteten Gesamttreffens führen muss, konnte das Verkehrsministerium nicht erklären.

Hilfe

In Reaktion auf die Absage teilten die aus Frankreich und dem Bundesgebiet angereisten Organisationen während eines Pressegesprächs in Berlin mit, dass sie auf einer “zeitnahen” Verschiebung der Gespräche bestehen und sich noch bis zum heutigen Dienstag, 14.00 Uhr, für das Ministerium und die Bahn AG bereit halten. Wörtlich heißt es weiter: “Sollten die Gespräche dennoch nicht zustande kommen, gehen die Organisationen davon aus, dass ein vollständiger Abbruch der Kontakte beabsichtigt ist. Sie kündigen für diesen Fall an, die internationale Öffentlichkeit verstärkt um Hilfe zu bitten; gleichzeitig werden Veranstaltungen und Demonstrationen nicht nur entlang der früheren Deportationsstrecke, sondern überall in der Bundesrepublik geplant.” Über diese Konsequenzen unterrichteten die französischen und deutschen Initiatoren auch Fraktionsvertreter im Deutschen Bundestag, darunter Gesine Lötzsch (MdB, Die Linke.PDS) und Iris Gleicke (SPD).

Unterwerfen

“Die Absage der Gespräche scheint den Zweck verfolgt zu haben, der Bahn AG Zeit für eigene Aktivitäten zu geben, die mit den Opferorganisationen und den deutschen Initiatoren nicht abgesprochen werden sollen”, heißt es bei “Elftausend Kinder” auf Anfrage der Redaktion von german-foreign-policy.com. “Auch dieser Versuch, das Gedenken den Konzernzwecken zu unterwerfen und dabei Dritte einzuspannen, wird nicht gelingen.”

Bitte lesen Sie das vollständige Interview mit Prof. Dr. Gudrun Hentges .

Lesen Sie auch unser EXTRA-Dossier Elftausend Kinder .

Quelle: www.german-foreign-policy.com/de vom 11.07.2006

Fußnoten

Veröffentlicht am

11. Juli 2006

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