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Dämme bauen gegen die Waffenflut

UNO-Konferenz gegen den illegalen Handel mit Kleinwaffen

Von Wolfgang Kötter

Im New Yorker Hauptsitz der Vereinten Nationen geht es seit dem 26.06.2006 um eine Waffenart, die jeden Tag weltweit 1.000 Menschenopfer fordert und deshalb nicht zu Unrecht auch als "Werkzeuge des Genozids" gebrandmarkt werden. Fünf Jahre nach der ersten UNO-Konferenz werden die Teilnehmer unter Vorsitz von Prasad Kariyawasam aus Sri Lanka nicht nur die Erfüllung des damals beschlossenen Aktionsprogramms überprüfen, sondern möglichst auch weitere Maßnahmen gegen den illegalen Transfer von Kleinwaffen und leichten Rüstungen beschließen.

Die von Rebellengruppen, Verbrechersyndikaten und kriminellen Waffenhändlern verbreiteten Waffenströme haben verheerende Auswirkungen sowohl auf internationale Konfliktherde als auch in zunehmend gewaltträchtigen Gesellschaften. Seit das Problem nach dem Ende des Ost-West-Konflikts auf die Tagesordnung der multilateralen Diplomatie gelangte, wird in vielfältiger Weise um Lösungen gerungen. So fanden beispielsweise Waffeneinsammelaktionen unter dem Motto "Waffentausch für Entwicklung" sowie symbolische Waffenverbrennungen unter anderem in Brasilien, Liberia, Rumänien und Elfenbeinküste statt. Allein in den ersten drei Monaten diesen Jahres wurden in der Demokratischen Republik Kongo bei 180 Einzelaktionen 800 Waffen, 80.000 Stück Munition und 500 Granaten aus dem Verkehr gezogen, um die Rahmenbedingungen für die bevorstehenden Wahlen zu verbessern.

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete insgesamt mehr als 30 Resolutionen zu Kleinwaffen, und auch der Weltsicherheitsrat befasste sich mehrfach auf Sondersitzungen mit dem Thema der rund 640 Mio. auf dem Erdball vagabundierenden Waffen. Die New Yorker UNO-Zentrale bietet einen weltweiten Beratungsdienst zur Unterstützung und Koordinierung der Maßnahmen an. Im Verlaufe mehrerer Jahre erarbeitete eine Gruppe von Regierungsexperten eine Vereinbarung zur Kennzeichnungspflicht von Kleinwaffen. Zumindest der illegale Handel könnte eingedämmt werden, wenn verborgene Waffenströme sichtbar gemacht werden. Durch den Widerstand der internationalen Waffenlobby gelang es jedoch nicht, die Transparenzmaßnahmen völkerrechtlich bindend zu machen, und so blieb es lediglich bei einer politischen Absichtserklärung. Eine weitere Expertengruppe soll sich demnächst mit Restriktionen für Waffenhändler und Makler befassen. Bereits rechtswirksam ist hingegen das Protokoll gegen die unerlaubte Herstellung von Feuerwaffen und den Handel mit ihnen. Wer Schusswaffen illegal herstellt, sie verkauft oder unerlaubt besitzt, kann jetzt bestraft werden. Die Vereinbarung, der gegenwärtig rund 50 Staaten angehören, stellt die illegale Produktion und den unerlaubten Besitz von Schusswaffen sowie den Handel mit ihnen unter Strafe. Handfeuerwaffen müssen sowohl bei der Herstellung als auch bei der Einfuhr markiert werden. Um den Weg jeder einzelnen Waffe über Landesgrenzen hinweg verfolgen zu können, sind die entsprechenden Unterlagen über längere Zeit aufzubewahren. Wer Markierungen verändert oder entfernt, kann zur Verantwortung gezogen werden. Jede kommerzielle Ein- und Ausfuhr von Feuerwaffen bedarf einer staatlichen Lizenz, ebenso die Betätigung als Makler bzw. Vermittler von Waffenkäufen. Staatliche Waffenverkäufe an andere Staaten fallen allerdings nicht unter das Protokoll.

Trotz einiger Fortschritte bleiben viele Maßnahmen bisher bestenfalls halbherzig. So sind alle 13 Waffenembargos, die die UNO im vergangenen Jahrzehnt verhängt hat, systematisch gebrochen worden. Das stellen amnesty international (ai), das britische Hilfswerk Oxfam und das "Internationale Aktionsnetzwerk gegen Kleinwaffen" (IANSA) in einer gemeinsamen Studie fest. "Skrupellose Waffenhändler begehen weiter folgenlos Menschenrechtsverletzungen und machen die Bemühungen des UN-Sicherheitsrates lächerlich", beklagt die Generalsekretärin von amnesty international, Irene Khan. Es habe hunderte Embargobrecher gegeben, aber nur wenige seien zur Verantwortung gezogen worden. Wie eine weitere ai-Analyse nachweist, liefern Zwischenhändler und Transporteure die Tötungsmittel auch an Länder, in denen massive Menschenrechtsverletzungen geschehen, Dadurch kommen diese Waffen auch bei Massakern, Vergewaltigungen und Vertreibungen von Zivilisten in Sudan und im Kongo zum Einsatz. Die USA, Italien, Israel, die Niederlande, Großbritannien, die Schweiz, die Ukraine, China, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Balkanländer werden als Herkunftsländer von Waffenhändlern genannt. Die Organisationen fordern deshalb, bestehende und künftige Embargos zu verschärfen, ihre Einhaltung wirksamer zu kontrollieren und Verstöße konsequent zu ahnden.

Zu den hartnäckigsten Gegnern jeglicher Einschränkungen für den Handel und Besitz von Feuerwaffen gehören die USA. Sie stehen weltweit an der Spitze der Waffenexporteure. Von den Gesamtausfuhren im Wert von insgesamt 34,8 Mrd. Dollar in 2004 bestritt Washington mit 18,6 Mrd. allein 53,4 Prozent. Gerade in den Vereinigten Staaten selbst kommt es immer wieder zu schockierenden Zwischenfällen mörderischer Waffengewalt. Eines der jüngsten Beispiele ereignete sich am frühen Morgen des 25. März in Seattle, als ein Amokläufer auf einer Party wild um sich schießt. Als die Polizei den zwischen 20 und 30 Jahre alten Mann stellt, steckt der Täter den Lauf der Pistole in den Mund und drückt ab. Fünf Männer und zwei Frauen, allesamt Teenager oder in ihren Zwanzigern, verlieren durch das Verbrechen ihr Leben. Eine andere Tragödie geschah im vergangenen Monat in Baton Rouge im Bundesstaat Louisiana, wo ein Amokläufer ein Blutbad anrichtete: Zum Ende des sonntäglichen Gottesdienstes stürmt der 25-jährige Anthony Bell in die kleine Kirche, schießt um sich und tötet vier Menschen, darunter auch den Pfarrer. Anschließend entführt er seine Frau Erica mit den drei gemeinsamen Kindern und flüchtet. Die Frau erschießt er ebenfalls, die Kinder bleiben unverletzt, der Täter wird später in der Nähe festgenommen. "Das ist ein sehr trauriger Tag für die ganze Stadt", bekennt Polizeichef Claude Jeffrey LeDuff.

Um der internationalen Waffenlobby eine wirkungsvolle politische Gegenkraft entgegenzustellen, organisieren ai, Oxfam und IANSA gemeinsam in über 60 Ländern die Kampagne "Waffen unter Kontrolle!" gegen den ausufernden Waffenhandel. In einer Musterresolution für die am 26. Juni begonnene Konferenz fordern sie die Regierungen auf, sich restriktiver gegenüber Waffenexporten zu verhalten; zu verhindern, dass Waffen in falsche Hände gelangen; globale Prinzipien für Waffentransfers zu vereinbaren und einen rechtsverbindlichen internationalen Waffenhandelsvertrag abzuschließen. Gleichzeitig wollen Abgesandte die Internet-Foto-Petition "Eine Million Gesichter" übergeben, für die sie rund um den Globus Porträts von im Kampf gegen Kleinwaffen engagierten Menschen gesammelt haben.

"Kleinwaffen und leichte Rüstungen" sind eine bestimmte Kategorie von Kampfmitteln, die von einer oder zwei Personen getragen, transportiert und ausgelöst werden können.

Kleinwaffen für den Gebrauch durch Einzelpersonen, dazu gehören:

  • Revolver und Selbstladepistolen;
  • Gewehre, Karabiner und Maschinenpistolen;
  • Sturmgewehre und leichte Maschinengewehre;
  • Munition und Patronen für Kleinwaffen.

Leichte Rüstungen für den Gebrauch durch mehrere Personen, dazu gehören:

  • schwere Maschinengewehre;
  • leichte, unter dem Lauf angebrachte sowie schwere Granatwerfer;
  • tragbare bzw. zeitweise auf Fahrzeugen montierte Luftabwehrkanonen;
  • tragbare Panzerabwehrkanonen;
  • zeitweise auf Fahrzeugen montierte rückstoßfreie Geschütze;
  • tragbare bzw. zeitweise auf Fahrzeugen montierte Abschussgeräte für Panzerabwehrraketen;
  • tragbare Flugabwehrraketenwerfer;
  • Mörser mit einem Kaliber von unter 100 mm;
  • Munition sowie Granaten und Projektile für leichte Rüstungen;
  • mobile Behälter mit Raketen oder Granaten für den einmaligen Verschuss aus Flugabwehr- und Panzerabwehrsystemen;
  • Antipersonen- und Panzerabwehrhandgranaten;
  • Landminen und Sprengstoffe.

Quelle: UNO

 

 

Hauptprinzipien für ein internationales Waffenhandelsabkommen

1. Alle internationalen Rüstungstransfers müssen von anerkannten Staaten genehmigt werden. Sie müssen in Übereinstimmung mit deren nationalen Gesetzen und Verfahrensregeln durchgeführt werden und den völkerrechtlichen Verpflichtungen entsprechen.

2. Staaten dürfen internationale Rüstungstransfers nicht genehmigen, wenn diese gegen die völkerrechtliche Verpflichtungen verstoßen würden.

3. Internationale Rüstungstransfers dürfen nicht genehmigt werden, wenn sie tatsächlich oder wahrscheinlich für Völkerrechtsverletzungen genutzt werden.

4. Vor der Genehmigung von Rüstungstransfers sind Staaten zur Berücksichtigung der wahrscheinlichen Verwendung der Rüstungsgüter sowie weiterer Faktoren verpflichtet.

5. Alle Staaten müssen nationale Jahresberichte über ihre internationalen Rüstungstransfers einer zukünftigen Internationalen Registrierungsbehörde vorlegen, die diese veröffentlicht.

6. Es werden gemeinsame Standards für spezifische Kontrollmechanismen folgender Bereiche erstellt:

a) alle Importe und Exporte von Rüstungsgütern;

b) Aktivitäten bei Vermittlung von Rüstungsgeschäften;

c) Transfers von Waffen aus Lizenzproduktion; und

d) den Transithandel und den Umschlag von Rüstungsgütern.

7. Staaten müssen Vorgehensweisen zur Überwachung der Durchsetzung und zur Revision erarbeiten, um die vollständige Implementierung der Prinzipien zu stärken.

Prinzipien nach: "Waffen unter Kontrolle"

Eine gekürzte Fassung des vorliegenden Textes erschien im ND vom 26.06.2006.

Veröffentlicht am

28. Juni 2006

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