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Washingtons atomare Waffenschmiede

USA wollen ihre nuklearen Arsenale modernisieren

Von Wolfgang Kötter

Im USA-Kongress geht es heute um mehr als nur um viel Geld. Linton F. Brooks, Chef der Nationalen Atomsicherheitsagentur NNSA, fordert im zuständigen Unterausschuss des Abgeordnetenhauses Milliarden Dollar für die weitere Entwicklung des Nuklearwaffenkomplexes.

Wenn die Forderungen der rund 10.000 Nuklearsprengköpfe verwaltenden NNSA bewilligt werden, bekommt sie einen Turboantrieb für eine neue Spirale atomarer Aufrüstung von ungeheurem Ausmaß. Allein im kommenden Jahr soll das Energieministerium 6,41 Mrd. Dollar dafür ausgeben dürfen. Denn hier und nicht, wie man erwarten könnte, im Militärbudget des Pentagon, sind die Ausgaben für die Atomrüstung enthalten. Dabei geht es um Forschungsarbeiten, die Schaffung neuer Nuklearsprengköpfe und um die Modernisierung der Kernwaffeninfrastruktur von Entwicklungslaboren, Produktionsstätten und Testanlagen. Jedes der Projekte zielt darauf ab, die erst vor wenigen Tagen aktualisierte Nationale Sicherheitsstrategie weltweiter Präventivkriege gegebenenfalls unter Anwendung von Atomwaffen umzusetzen.

Im Klartext heißt das: Um vermeintliche Bedrohungen von morgen auszuschalten, werden schon heute Kriege an jedem beliebigen Ort der Welt geführt. Die Militärs verlangen dafür neue Nuklearwaffen, die sie im Konfliktfall auch einsetzen wollen. Angeblich können die Mini-Nukes, d.h. relativ kleine Atomwaffen mit geringerer Strahlung und einer Sprengkraft unter fünf Kilotonnen, Ziele erreichen, die mit konventionellen Waffen nicht wirksam zu bekämpfen sind. Benötigt würden weitere bunkerbrechende Waffen, die durch große Hitze oder Neutronenstrahlung enorme Zerstörungskraft entwickeln. Die geplanten Bunkerknacker könnten bis zu 50 Meter tief in Stahlbeton und Felsen eindringen, dort explodieren und so unterirdische Lager chemischer und biologischer Massenvernichtungswaffen wie auch militärische Kommando- und Kontrollzentren vernichten.

Doch die Wunschliste traf auf unerwarteten Widerstand. Ausgerechnet der republikanisch dominierte Kongress bremste das Streben der Bush-Regierung nach einer üppigen Budgetaufstockung für neue Aufrüstungsrunden aus. Während der vergangenen Haushaltsberatungen wurden nahezu alle Etats für die Mini-Nukes und Bunkerknacker gekürzt oder gar nicht erst bewilligt. Das Programm für die kurzfristige Wiederaufnahme von Atomwaffenversuchen reduzierten die Parlamentarier von 30 auf 22,5 Mio. Dollar. Und auch für den geplanten Bau einer neuen Kernwaffenfabrik stehen 22,8 Mio. Dollar weniger als gefordert zur Verfügung. Das Engagement von Friedensinitiativen und verantwortungsvollen Kongressabgeordneten schien Früchte zu tragen. Die rüstungskritische Zeitschrift "Arms Control Today" meinte, das Programm wäre nun "effektiv gekillt".

Aber die Abrüstungsanhänger freuten sich offenbar zu früh. Denn die Rüstungslobby verfügt über starke Bataillone und versucht, ihre Ziele mit Tricks und auf Schleichwegen dennoch zu erreichen. Zunächst beantragte das Pentagon anstelle des gestrichenen Geldes für die nuklearen Bunkerknacker nun Mittel für die Entwicklung eines konventionellen Sprengkopfs. Doch das alte Projekt könnte einfach unter einem neuen Namen fortgesetzt werden, warnt Darryl Kimball, Direktor von Arms Control. Und tatsächlich werden die 200 Mio. Dollar im Sandia National Laboratory im Bundesstaat New Mexico für die Fortsetzung von Forschungsarbeiten ausgegeben, die dort bereits seit Jahren betrieben werden - an einem neuen Nuklearsprengkopf! Aber man würde dabei ebenfalls wichtige Erkenntnisse für einen konventionellen Sprengsatz schöpfen, rechtfertigen die Waffenschmiede den Etikettenschwindel. Auch bei der geplanten "Modern Pit Facility" zur Produktion von Plutoniumkernen, die in den Bomben die nukleare Kettenreaktion auslösen, geht es auf Umwegen voran. Schon jetzt produziert das Los Alamos National Laboratory in New Mexico jährlich mehr als 10 "Pits" und strebt bis 2012 rund 40 an. Die neue Kernwaffenfabrik würde zukünftig in jedem Jahr sogar rund 450 Bombenkerne für neue Sprengköpfe herstellen.

Die Technologien, die in der Produktionsstätte zum Einsatz kommen sollen, werden bereits im Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien entwickelt und getestet. Und das, obwohl noch gar nicht entschieden ist, ob und wo die neue Fabrik errichtet werden soll. Zusätzlich wird die Kapazität zur Plutoniumlagerung mehr als verdoppelt, die dann für 300 Kernwaffen ausreicht. Die Waffenbauerteams wetteifern bereits in einer Designausschreibung um den Bauauftrag für entsprechende Sprengkörper, der im kommenden September vergeben wird. Während die Wissenschaftler und Ingenieure von Livermore daran arbeiten, der nuklearen Megabombe des Typs B83 mit bis zu 170 Kilotonnen Sprengkraft eine verstärkte Fähigkeit zur Erdeindringung zu verleihen, will Los Alamos den relativ kleinen B61 Sprengkopf zur bunkerbrechenden nuklearen Präzisionswaffe weiterentwickeln. Gleich mehrere exotische Versuchsanlagen werden zur Ausweitung des vorhandenen Wissens über Kernwaffenphysik gebaut. Dazu gehört unter anderem die 30 Mrd. Dollar teure "National Ignition Facility". Hier sollen Kernspaltungs- und Kernverschmelzungsbrennstoffe so miteinander kombiniert werden, dass damit die Entwicklung vollständig neuer Waffentypen möglich wird.

Um schließlich die Wiederaufnahme der 1992 ausgesetzten Atomwaffenversuche vorzubereiten, werden neue Diagnoseverfahren ausgearbeitet, die die Bereitschaft zur Durchführung von Nukleartests erhöhen und die Vorbereitungszeit von 36 auf 24 Monate verkürzen. Abrüstungsexperten gehen davon aus, dass die Waffentechniker in einem nächsten Schritt verstärkt auf die Wiederaufnahme von Atomwaffenversuchen in der Wüste von Nevada drängen werden, um die neuen Designs durch reale unterirdische Testexplosionen überprüfen zu können. Insgesamt werden jetzt die Weichen für ein auf Jahrzehnte angelegtes Aufrüstungsprogramm gestellt. Die USA brauchten, "nukleare Macht und die Fähigkeit, Atomwaffen zu haben und diese zu modernisieren", hat Brooks erst kürzlich öffentlich gefordert. Da die übrigen Kernwaffenmächte und nuklearen Möchtegerne dies nicht unbeantwortet lassen, wird das atomare Wettrüsten weiter eskalieren.

Dieser Artikel von Wolfgang Kötter ist ebenfalls erschienen bei ND vom 30.03.2006.

Veröffentlicht am

01. April 2006

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