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Der iranische Präsident repräsentiert nicht die Bevölkerung

Trotz der jüngsten Drohungen aus Teheran spricht sich der Friedensreferent des Versöhnungsbundes, Clemens Ronnefeldt, für eine Nichtangriffsgarantie Israels und der USA für Iran aus.

Von Clemens Ronnefeldt

Anfang bis Mitte Dezember hat eine 16-köpfige Friedensdelegation des Internationalen Versöhnungsbundes unter anderem die jüdische Gemeinde in Teheran besucht. Sie hatte auch Begegnungen mit Studierenden der Hochschule für Journalistik in Teheran, traf sich mit dem Erzbischof der armenischen Kirche in Esfahan und diskutierte mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen. Unter den 15 US-amerikanischen Mitgliedern der Delegation waren auch zwei Vertreter jüdischen Glaubens. Ich war als Friedensreferent des deutschen Zweiges des Versöhnungsbundes der einzige Europäer.

In der Hauptsynagoge von Teheran wurde die Delegation von Moris Motamed, Jude und Mitglied des iranischen Parlamentes für die jüdische Minderheit im Land, begrüßt. Vor der Revolution 1979 lebten nach seinen Angaben in Iran zirka 100.000 Menschen jüdischen Glaubens, heute sind es noch zirka 25.000. Nach 1979 seien bis auf aktuell drei alle Rabbiner ausgewandert. Landesweit gebe es derzeit in 15 Städten Synagogen, mindestens 12 allein in Teheran. Die Mindestzahl von zehn Gläubigen für einen Gottesdienst komme immer zustande. Weitere Gemeinden gebe es unter anderem in Yazd, Esfahan, Kashan und Shiraz. In Teheran und Shiraz seien Kindergärten, Grundschulen und High-Schools speziell für die jüdische Minderheit vorhanden. Die jüdischen Familien hätten die Wahl, ob sie ihr Kind auf eine jüdische Schule oder auf eine staatliche Schule schicken möchten. Zirka 40 Prozent wählten die jüdische Schule, zirka 60 Prozent die staatliche. Auch jüdische Männer müssten einen zweijährigen Militärdienst nach Abschluss der Schule ableisten. Jüdische Soldaten in Irans Armee würden in der Nähe ihrer Heimatorte stationiert, um ihnen den Zugang zu koscherem Essen sowie den Synagogenbesuch zu ermöglichen.

Bei der Vergabe politischer Ämter im Regierungsapparat oder auch an den Universitäten würden alle nichtmuslimischen religiösen Minderheiten diskriminiert, rügte Motamed. Erstmals in der iranischen Geschichte hätten die parlamentarischen Vertreter der religiösen Minderheiten nun aber erreicht, dass es im Staatshaushalt ein festes Budget für sie gebe. Früher habe es Probleme bei der Vergabe von Visa bei Auslandsreisen nach Israel gegeben. Nach der Ankunft in Iran seien zuweilen Befragungen der Rückkehrenden vorgenommen worden. Diese Probleme seien inzwischen behoben.

Motamed erzählte von einer Begegnung mit Mahmud Ahmadinedschad im Herbst, eine Woche nachdem Irans Präsident erstmals von einer breiteren Öffentlichkeit registriert öffentlich von der Auslöschung Israels gesprochen hatte. Motamed sagte dem Staatsoberhaupt, dass dessen Aussagen die jüdischen Menschen in Iran verletzt hätten. Zunächst habe Ahmadinedschad wegen des enormen internationalen Drucks ebenso wie wegen des Protests des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Rafsandschani seine Aussagen dann relativiert.

Moris Motamed erwähnte, dass in der Vergangenheit bereits mehrere hochrangige jüdische Delegationen Iran besucht hätten und von ebenso hochrangigen muslimischen Delegationen in Qom zu Kongressen empfangen worden seien. Derzeit gebe es Vorbereitungen zu einem internationalen Seminar zu Ehren eines jüdischen Philosophen, das auf Einladung muslimischer Geistlicher in Qom stattfindet.

Motamed selbst war vor sieben Wochen in den USA an der katholischen Universität in Washington zu Gastvorlesungen eingeladen. Zum Judentum in den USA bestünden intensive Kontakte. Bezüglich des israelisch-palästinensischen Konflikts betonte Moris Motamed, die jüdische Gemeinde habe Gewalt auf beiden Seiten stets zurückgewiesen. Beide Seiten müssten die Bereitschaft zeigen, etwas aufzugeben, um zu einer Konfliktlösung beizutragen.

Nach den intensiven Begegnungen in Teheran, Esfahan, Shiraz und Qom hatte unsere Delegation nicht den Eindruck, dass Ahmadinedschad Irans Bevölkerung repräsentiert. Um im aktuellen Konflikt um das iranische Atomprogramm die verhärteten Fronten aufzubrechen, scheint eine Nichtangriffsgarantie der USA und Israels gegenüber Iran äußerst wichtig, um das von US-Truppen umzingelte Land zu Zugeständnissen zu bewegen.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 17.12.2005. Wir veröffentlichen den Artikel mit freundlicher Genehmigung von Clemens Ronnefeldt.

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Veröffentlicht am

20. Dezember 2005

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