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Mofaz’ Mitleid

Von Gideon Levy, Haaretz, 27.11.2005

Selbst wenn es so aussieht, als seien schon alle Rekorde von Zynismus und Unverschämtheit gebrochen worden, dann taucht ein neuer Politiker mit einem neuen Rekord auf: der Verteidigungsminister Shaul Mofaz spricht über Mitleid. Man kann es kaum glauben, aber nachdem er seine neue sozial orientierte Ministerkleidung übergezogen hatte, griff Mofaz Benyamin Netanyahu an und behauptete, “von Mitleid sei er weit entfernt”.

Hat Mofaz denn etwas mit Mitleid zu tun? Da gibt es keine Eigenschaft, die ihm mehr mangelt. Als Generalstabschef und Verteidigungsminister ist aber genau dies wesentlich. Wenn er doch bei unseren Beziehungen zu den Palästinensern ein wenig mehr Mitleid gezeigt hätte, dann würden diese Beziehungen etwas anders aussehen.

Aber das ist nicht nur eine Frage in Bezug auf die Haltung gegenüber den Palästinensern, sondern auch gegenüber den indirekten Opfern des Verteidigungs- und Siedlungsbudgets, das besser zu Zwecken hätte gesteuert werden können, die mehr Mitleid geweckt hätten als noch ein Panzer oder noch eine Apartheidstraße.

In den besetzten Gebieten hat Mofaz den Ruf als besonders grausamer Minister erlangt. Die Palästinenser sind von Israel niemals verwöhnt worden - aber kein früherer Verteidigungsminister hat so viel Zorn und Feindschaft geweckt. Es könnte sein, dass er darauf stolz ist, und vielleicht betrachtet das Likudzentralkomitee dies als Erfolg; aber Mofaz symbolisiert für die Palästinenser den unmenschlichsten aller Israelis.

Wenn man seine Statements überprüft, entdeckt man in ihnen keine menschliche Regung gegenüber den Palästinensern und ihrem Leiden. Er war immer gegen Vorschläge, die ihre Lebensbedingungen erleichtern könnten. Und das Schicksal der Bevölkerung unter Besatzung war für ihn völlig wurscht. Während seine Vorgänger noch Lippenbekenntnisse gegen kollektive Bestrafung und das Verletzen unschuldiger Leute abgaben - hat sich Mofaz hier selbst völlig zurückgehalten.

Etwa 1705 Palästinenser sind in den vergangenen drei Jahren, in denen er Verteidigungsminister war, getötet worden - sechs mal mehr als Israelis in derselben Zeit. Von den palästinensischen Todesfällen waren 372 Jugendliche und Kinder. Mofaz drückte nie sein Bedauern aus, dass sie getötet wurden. Damit signalisierte er der Armee, dass mit dem Töten - selbst von Kindern - nichts falsch gelaufen war. Er war einer der Verantwortlichen für das System des “gezielten Tötens”, und Israel hat während seiner Zeit 191 Palästinenser liquidiert: 117 waren ausgesuchte Ziele - die übrigen standen zufällig daneben.

Mofaz wurde niemals für diese alarmierenden Zahlen verantwortlich gemacht: “Wir zählen die Palästinenser nicht, die getötet werden.” Aber es ist unmöglich, diese Zahlen zu ignorieren, wenn er seine Kandidatur für das Ministerpräsidentenamt beantragt.

Mofaz neigt dazu, zu schweigen. Nicht, dass er nicht redet: Er sagt nur wenig. Er zitiert hohle Phrasen - “Wir werden sie besiegen!” und “wir werden den Terror zerschlagen.” Mehrere Mitglieder des Knesset-Komitees für Auslandsangelegenheiten kamen einmal von einem Treffen mit ihm und behaupteten, dass seine Darstellung eine “Beleidigung jeglicher Intelligenz” sei.
Es ist tatsächlich schwierig, unter seinen Statements eine Spur neuer Ideen zu finden. Er war in den Abzug aus dem Gazastreifen nur wegen seiner Abhängigkeit von Ariel Sharon hineingezogen worden. Einer seiner originellen Ideen war der Vorschlag, das Militär weiterhin im Gazastreifen zu lassen. Er sollte eine Verhandlungsmasse sein - eine Idee, die heute lächerlich erscheint. Wenn wir seinem Rat gefolgt wären, wären noch mehr israelische Soldaten sinnlos getötet worden.

Getreu seiner Auffassung, die er vor kurzem äußerte, nach der es in “der jetzigen Generation” keine Aussichten einer Übereinkunft geben wird, hat er sich von Begegnungen mit Palästinensern vollkommen ferngehalten. Er erklärte auch nicht, was sich in der nächsten Generation ändern wird, dass dann ein Abkommen möglich sein wird.

Mofaz wollte Arafat ermorden oder ihn wenigstens deportieren. Doch glücklicherweise kämpfte er nicht darum … Mofaz betrachtete den einseitigen Rückzug aus dem Libanon als eine Katastrophe. Wenn wir hier auf ihn gehört hätten, wären weitere Dutzende Soldaten getötet worden. Man sollte sich daran erinnern. … Mofaz kurzsichtige politische Doktrin, die mit der engen Weltanschauung eines Offiziers zusammenhängt, ist nichts im Vergleich zu seinen ausgeführten grausamen Maßnahmen.

Für Leute wie Mofaz sind im Kampf gegen die Palästinenser alle Mittel gerechtfertigt. Moral ist in seiner Weltsicht ein Fremdwort. Unter seiner Führung trennte sich die IDF von den letzten Resten einer moralischen Haltung, die sie bis dahin noch hatte.

Sein Versuch, sich selbst nun als Beschützer der Schwachen hinzustellen, macht einen nicht weniger wütend. Er unterstützte fast alle wirtschaftlichen Erlasse und kämpfte für die gewaltigen und aufgeblähten Budgets des Verteidigungsestablishments, einschließlich der Siedlungen - auf Kosten der subventionierten Medikamente und sozialen Vergünstigungen. Es gibt keinen Minister, der die sozial schwache Bevölkerung mehr schädigt als der Verteidigungsminister, der nicht bereit ist, sein Budget beschneiden zu lassen. Es gab nie einen Minister, der so anti-sozial eingestellt war wie Mofaz.

Man kann nicht wissen, wie dieser Bericht das Likudzentralkomitee beeinflussen wird. Vielleicht wird es einen Minister lieben, der zu den Palästinensern grausam ist, sie gnadenlos tötet, einkerkert und ihr Leben zur Hölle macht. Sie sollten aber wenigstens fragen: Mofaz und Mitleid? Gibt es eine lächerlichere Wortkombination als diese?

Übersetzung: Ellen Rohlfs

Veröffentlicht am

01. Dezember 2005

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