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Gewaltlosigkeit muss unterstützt werden

Von Amos Gvirtz, Haaretz, 20.09.2005

Das Phänomen ist allgemein bekannt: jemand arbeitet an einem speziellen Platz und entdeckt, dass ein Kollege korrupt ist und berichtet dies an die verantwortliche Stelle der Firma. Wenn diese nicht reagiert, wendet er sich an andere externe Stellen, wie z.B. die Polizei oder die Medien. Gewöhnlich reagiert die Öffentlichkeit gegenüber dem Petzer positiv. Denn Korruption schädigt die Allgemeinheit und Kampf gegen die Korruption ist gleichzeitig ein Kampf gegen das Verbrechen. Aber hier taucht ein erstaunliches Phänomen auf: die meisten andern Kollegen betrachten den, der die Korruption aufdeckt, als Verräter. Er hat interne Angelegenheiten der Firma nach außen getragen. Immer wieder begegnen wir Fällen, in denen Leute, die Korruption aufgedeckt haben, ihren Arbeitsplatz verlieren.

Ein ähnliches Phänomen ereignet sich in Israel auf dem Gebiet der Menschenrechte. Yesh Gvul, das Komitee gegen Hauszerstörungen (ICAHD) und andere Menschenrechts- und Friedensgruppen wenden sich an nur jede mögliche Behörde in Israel, einschließlich der israelischen Öffentlichkeit und behaupten, dass die Sicherheitskräfte - unter dem Deckmantel des Krieges gegen den Terror - Handlungen begehen, die gegen die Ethik der Kriegsführung, gegen das israelische Gesetz und gegen das Völkerrecht verstoßen. Nachdem weder Polizei, Militärbehörden noch der Staatsanwalt oder die Gerichte reagieren und auf solche Behauptungen antworten, wenden sich diese Gruppen an ausländische Institutionen, um die Probleme schwerer Menschenrechtsverletzungen vorzubringen.

Seit Jahren sind Menschenrechtsprobleme universal gewesen, was in Ordnung ist. An Israels Intervention in Sachen Menschenrechte in Bezug auf Juden in der früheren Sowjetunion kann man sich noch gut erinnern. Und heute interveniert Israel zu Recht und zu jeder Zeit, wenn in irgendeinem Staat die Menschenrechte jüdischer Bürger verletzt werden.

Nun aber nennen hier viele die lokalen Menschenrechtsorganisationen Verräter und werden beschuldigt, gegen den Staat Israel zu arbeiten. Das folgenschwerste Beispiel ist ein Vorschlag des Knessetmitglieds Yuval Steinitz (Likud), jeder der Soldaten oder Offizielle wegen Kriegsverbrechen im Ausland verklagt, soll bestraft werden.

Alle, die darüber zornig sind, sollten die Konsequenzen ihrer Worte und Taten einsehen. In dem Fall, in dem es um Aufdeckung von Korruption am Arbeitsplatz geht, entsteht ein Konflikt zwischen Loyalität, Moral und Gesetz. Tatsächlich wird von uns im Namen der Loyalität gegenüber der Firma oder dem Staat verlangt, dass wir unser moralisches Bewusstsein und unsere moralische Beurteilung aufgeben. Tatsächlich sagen Kritiker, wenn Israel kriminelle Akte begeht, dann müssen sie verteidigt werden. Aber Loyalität darf keine Verbrechen legitimieren. Die an verschiedensten Orten in aller Welt begangenen schrecklichsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind im Namen der Loyalität begangen worden. Grausamen Herrschern in aller Welt ist es gelungen, ihre Verteidigungskräfte zu überzeugen, Genozid und Massenmord im Namen der Loyalität zu begehen.

Die Evakuierung der jüdischen Siedlungen im Gazastreifen hat Israelis die Bedeutung des Verlustes des eigenen Hauses, des Landes und des Wohnortes bewusst gemacht. Aber die meisten Israelis weigern sich, außerdem über die mehr als 5.000 Häuser, die Israel im Laufe der letzten 5 Jahre der Intifada zerstört hat, informiert zu werden. Mehr als 45.000 Palästinenser haben als Folge davon ihre Wohnungen verloren - und kein einziger hat eine Entschädigung erhalten; Zehntausende von Dunum Land sind gestohlen oder glatt gewalzt worden; Zehntausende palästinensischer Familien haben ihr Einkommen wegen Ausgangssperren, Absperrungen, den Mauerbau und die Straßensperren verloren. Es genügt, dass nur ein kleiner Prozentsatz derjenigen, die durch den Krieg der IDF gegen die zivile palästinensische Bevölkerung betroffen war, an uns Rache geübt hat für das, was die Armee und die Siedler ihnen getan haben - es genügt, damit wir verstehen, warum es solch schreckliche Attacken des Terrors uns gegenüber gibt.

Der von Palästinensern gegen Zivilisten ausgeführte Terror ist kriminell. Die Frage ist nur, welche Alternativen haben Palästinenser zu ihrer Verfügung in ihrem Kampf für ihre Rechte und gegen den unendlichen Schaden, der ihnen von den IDF und den Siedlern zugefügt wurde. In Bil’in - und vorher an vielen anderen Orten - hat sich ein Muster eines in erster Linie gewaltlosen Kampfes der gesamten Bevölkerung zusammen mit Israelis und ausländischen Menschenrechtsaktivisten herausgebildet. Dieser Kampf ist eine Alternative zum Terror.

Weite Kreise der palästinensischen Gesellschaft, einschließlich der Führung der palästinensischen Behörde, denken, dass der Terror den Palästinensern nur schadet. Sie sind dafür, dass man zu einem populären gewaltlosen Kampf übergeht. Klar ist, dass ein gewaltloser palästinensischer Kampf auch im Interesse von Israels Bürgern ist. Zu unserer Überraschung jedoch reagieren die Sicherheitskräfte hart gegen das ganze Dorf und gegen gewaltlose Demonstranten, einschließlich gegen Israelis. Viele von ihnen wurden geschlagen, verletzt, verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Doch keiner von denen, die die Menschenrechtsorganisationen Verräter nennen, hat einen Stopp der Verletzungen und Unterdrückung des gewaltlosen Kampfes gefordert.

Wollen sie denn lieber, dass die Palästinenser einen gewalttätigen Kampf fortsetzen?

Amos Gvirtz ist im Vorstand des Israelischen Komitees gegen Hauszerstörungen (ICAHD)

Deutsche Übersetzung: Ellen Rohlfs

Veröffentlicht am

27. September 2005

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