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Major Pfaffs Freispruch lehrt: Soldaten sind dem Recht und Gewissen verpflichtet!

Reinhard J. Voß - Erklärung vom 20.09.2005

Nachdem der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts seinen Freispruch für Major Florian Pfaff vom 21. Juni 2005 nun im September ausführlich begründet hat, wird noch klarer, welche grundsätzlichen Fragen zum Verständnis der Bundeswehr durch diesen Fall aufgeworfen werden.

Major Pfaff ist seit 1976 Berufssoldat, um nach eigener Aussage “Recht und Freiheit zu verteidigen”.

Als Zeichen dieser Überzeugung trug er eine weiße Rose am Revers und engagierte sich im so genannten “Darmstädter Signal”. Er wurde wegen seiner fachlichen Qualität mehrfach intern ausgezeichnet und arbeitete zum Zeitpunkt des Irakkriegs an einer Software zur logistischen und administrativen Unterstützung der Bundeswehr. Er verweigerte am 7. April 2003 diese Arbeit, “da er nicht ausschließen könne, damit die rechtswidrige Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an einem rechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak zu unterstützen” (Zitat aus der Anschuldigungsschrift vom 10.12.2003). Das Truppendienstgericht Nord in Münster degradierte ihn deshalb im Februar 2004 wegen Verstoßes gegen seine Dienstpflichten zum Hauptmann, weil es “keinerlei Kausalzusammenhang mit dem Irakkonflikt” sah. Da sein Vorgesetzter diesen Zusammenhang “nicht ausgeschlossen” habe, ging Pfaff in Berufung und erwirkte den bekannten Freispruch des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig.

Es bleibt ein Skandal, dass er anfangs eine Woche lang auf seinen Geisteszustand untersucht wurde, wo doch der Zustand der Bundeswehr seine Besorgnis erregte und eine Untersuchung verdient hätte.

Dieses Urteil geht weit über den Einzelfall hinaus. Wir begrüßen insbesondere seine ausführliche Begründung im Kontext des Grundrechts auf Gewissensfreiheit (Art. 4 GG). Das Gericht rät den Soldaten einen “mitdenkenden” und “bedenkenden Gehorsam”, der “insbesondere die Folgen der Befehlsausführung - gerade im Hinblick auf die Schranken des geltenden Rechts und die ethischen ‘Grenzmarken’ des eigenen Gewissens” mit einbezieht und steht damit deutlich in der historisch jungen Tradition des Bürgers in Uniform. Es zeigt detailliert die “rechtlichen Grenzen des Gehorsams” auf - wie den restriktiven Grundgesetzauftrag, Verletzungen der Menschenwürde oder Störungen des friedlichen Zusammenlebens der Völker, “insbesondere die Führung eines Angriffskrieges”.

Das Urteil berücksichtigt sowohl die “subjektive Gewissensentscheidung des Soldaten” als auch den politischen “Kontext der Gewissensentscheidung” wie z.B. das Völkerrecht oder die “Feststellung kriegsrelevanter Unterstützungsleistungen”. Es entspricht damit auch dem Anliegen von Major Pfaff, der sich nicht nur auf sein Gewissen, sondern auch auf die Rechtslage berief.

Dies macht Folgendes klar: Die unter Minister Struck aufgrund von “Verteidigungspolitischen Richtlinien” ohne Kabinettsbeschluss vorgenommene Ausweitung des Bundeswehrauftrages zu weltweiten Einsätzen untersteht künftig sehr strengen Kriterien; es reicht nicht, legitimatorisch die “Verteidigung Deutschlands am Hindukusch” zu verkünden. Damit stellt sich nun aktuell z.B. auch die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Einsätze des deutschen “Kommando Spezialkräfte” (KSK) in Afghanistan, dessen Aktionen samt Begleiterscheinungen im Rahmen der dortigen “Antiterroreinsätze” der deutschen Öffentlichkeit vorenthalten werden.

pax christi fühlt sich bestätigt in ihrem Protest gegen den völkerrechtswidrigen Irakkrieg und insbesondere gegen die deutsche Erlaubnis von Überflugrechten für die Krieg führenden Länder sowie die logistische und personelle Unterstützung der US-Basen in Deutschland.

pax christi wird sich im weiteren politischen Streit über die Zukunft der Bundeswehr einsetzen für eine klare Begrenzung ihres Auftrags auf das Verteidigungsgebot des Grundgesetzes und die Friedens-Verpflichtung des Völkerrechts im Rahmen der UN-Charta.

Jeder Auslandseinsatz der Bundeswehr wird noch genauer als bisher von Öffentlichkeit und Parlament im Lichte der UN-Charta zu befragen und von der Friedensbewegung kritisch und wachsam zu beobachten sein.

Reinhard J. Voß ist Generalsekretär der deutschen Sektion von pax christi

Weblinks:

  • Das Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 21. Juni 2005 BVerwG 2 WD 12.04 in voller Länge.

Veröffentlicht am

20. September 2005

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