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Konstantin Wecker: “Kein rechtes Herz für’s Vaterland”

Konstantin Weckers Auseinandersetzung mit dem Wiedererwachen nationalistischer Gefühle während der Wendezeit 1989/1991 war beispielhaft. Seine Aussagen und Liedtexte damals zeugten von Standfestigkeit und Weitblick. Sie können uns auch heute noch inspirieren, in einer Zeit, in der es scheinbar nichts Wichtigeres zu klären gibt als die Frage, ob ein "gesunder Patriotismus" uns 72 Jahre nach Kriegsende nicht guttäte. Konstantins Antwort: So etwas wie einen harmlosen Patriotismus gibt es nicht. Seine Begründung: dem neonationalistischen Rausch folgte ein fürchterlicher Kater in Gestalt von Ausschreitungen gegen Asylbewerberheime. Roland Rottenfußer hat das Thema "Konstantin Wecker und die Wiedervereinigung" in einem Abschnitt der Biografie "Konstantin Wecker: Das ganze schrecklich schöne Leben" dargestellt. 

Von Roland Rottenfußer

Ein wenig unernst wirkte die ganze LP "Stilles und Glück und trautes Heim" schon. Mit Ausnahme eines Liedes "Sturmbannführer Meier". Das enthielt zwar auch ironische Untertöne, jedoch war das Thema bitter ernst. Ein Morgenluft witternder Altnazi visionierte das Kommen einer neuen Zeit, in der der völkische Geist wieder Oberwasser haben würde. Mit Blick auf das, was wenige Jahre nach Veröffentlichung des Liedes geschehen sollte, erscheint das Werk geradezu prophetisch:

Da hat man sich vierzig Jahre lang
verstecken müssen und schweigen,
doch jetzt geht´s wieder los.
Jetzt werden wir´s denen
mal wieder so richtig zeigen!

Im Hintergrund stand noch der Schock, dass ein Rechtspopulismus oberhalb der 5-Prozent-Hürde in Deutschland nach 1945 wieder möglich sein konnte. Franz Schönhuber, ein ehemaliger Fernsehmoderator und Autor der fragwürdigen Autobiografie "Ich war dabei", war ein früher Vorläufer der heute populären Rechtsausleger Thilo Sarrazin und Frauke Petry. Damals noch bekamen der bundesdeutsche Politikbetrieb und der Zeitgeist die Kurve. Nach dem Ausscheiden Schönhubers im Jahr 1990 verschwanden die Republikaner in der Bedeutungslosigkeit. Wecker allerdings zeigte sich schockiert, "wie sehr Menschen auf hohle Sprüche reinfallen. Das hätte ich wirklich nicht mehr gedacht." Sehr hellsichtig analysierte der Liedermacher, dass das Biedermeier "durch seine Verlogenheit ein Nährboden für gefährliche politische Verhältnisse sein" könne.

So weit dachte damals noch kaum einer. Es war eigentlich eine heitere, eine hoffnungsfrohe, ja begeisternde Zeit, in die die "Stilles Glück"-Konzerte Konstantin Weckers fielen. Fast jeden Tag konnten sich Fernsehzuschauer 1989, 1990 und 1991 über jene guten Nachrichten freuen, die sonst in den Medien gänzlich im Schatten der gängigen Katastrophenberichterstattung stehen. Das marode System der DDR brach zusammen, die Mauer öffnete sich im November ‘89, und eine kreative Protestbewegung fand sich plötzlich im Zentrum des Weltgeschehens wieder. Etablierte Politiker schienen in jener Epoche des rasanten Wandels den Ereignissen eher zu folgen als dass sie diese gestalten konnten. Jedoch absorbierte das System der alten Bundesrepublik alles, was in Wendezeiten neu und aufregend gewesen war, binnen weniger Jahre bis zur Unkenntlichkeit. Statt eines dritten Weges erfolgte de facto ein Anschluss, und Zweifel - so es sie gab - verstummten im Taumel ergriffener "Helmut"-Rufe.

Nur noch Günter Grass mahnte ungnädig an Auschwitz, und Wolfgang Niedecken stänkerte in "Mir sin widder wer" gegen die neue deutsche Nationaltümelei: "Deutsch-besoffen vor Glück, und es gibt kein Zurück". Oskar Lafontaine, dem der paneuropäische Weingenuss im deutsch-französischen Grenzgebiet näher stand als die Einverleibung der Gebiete an Oder und Neiße, verlor die Kanzlerwahl 1990 haushoch gegen den Platzhirsch Helmut Kohl, der so behäbig wie listig auf der Klaviatur deutsch-deutscher Befindlichkeiten spielte. "Stilles Glück und trautes Heim", nach Angabe des Künstlers ein "Psychogramm dieser momentanen Bundesrepublik", wirkte da schon fast wie aus einer anderen Zeit, einer präheroischen Epoche der Stagnation, in der die Macken einiger Schickis und der Rückzug in Heim und Herd das Aufregendste waren, über das sich ein kritischer Liedermacher entrüsten konnte.

Zum überschaubaren Chor der Skeptiker gesellte sich auch Konstantin Wecker. Der fremdelte beträchtlich damit, dass man plötzlich wieder von Deutschland begeistert sein musste. "Vor ein paar Jahren wäre das Wort Wiedervereinigung für jeden Linken oder Intellektuellen ein Horror gewesen, und plötzlich ist das Wort in aller Munde", beklagte er sich. Allem Nationalen abhold und unverbesserlicher Sozialromantiker, fühlte sich Konstantin Wecker plötzlich vom Zeitgeist abgehängt, ein Oskar Lafontaine des gesungenen Wortes. "Ich bin kein begeisterter Wiedervereiniger", bekannte er in einem Interview. Und bei anderer Gelegenheit, im Februar 1990, sogar: "Ich war immer ein Gegner der Wiedervereinigung". Diese werde, so Wecker damals, "hoffentlich sowieso nicht kommen, das wäre eine Katastrophe."

Dabei konnte Wecker glaubwürdig versichern, sich bei den Machthabern "drüben" nie angebiedert zu haben, mochte es auch ein paar ideologische Schnittmengen gegeben haben. Zwei Jahre vor der Wiedervereinigung, 1988, war Konstantin schon einmal in der DDR aufgetreten - damals auf Einladung eines Pfarrers. "Die SED wollte nicht so gern, dass ich drüben spiele", erzählt er. Nicht jedoch wegen seiner Kritik an der bundesrepublikanischen Wirklichkeit - die lag ja ganz auf Parteilinie - vielmehr störten "meine anarchistischen Lieder". Konstantins lebenspralles Italien-Gedicht "Eine ganze Menge Leben" habe bei den im spröden Nordostdeutschland Eingemauerten einen Nerv getroffen, ein verschüttetes Lustverlangen in ihnen geweckt. Nein, der Autor des Satzes "Keine Parolen, schenk lieber noch mal ein" war zu bunt und vital, um den Phrasen der grauen Herren aus dem Politbüro der SED zu erliegen; er war aber auch zu freiheitsliebend, um neoliberal mit den Wölfen zu heulen.

Konstantin Wecker beklagt in vielen Statements der Wende-Zeit, dass der Kapitalismus ausschließlich mit Freiheit gleichgesetzt werde, man seine "Auswüchse und Schandtaten" jedoch totschwieg. Man habe versuchen müssen, die Werte, die dem Sozialismus zugrunde lagen, in die neue Zeit hinüber zu retten. Wecker räumt gern ein, anlässlich der Maueröffnung "nur Freude" empfunden zu haben. Er bleibt sich jedoch in eine Hinsicht ganz treu: "Was mir überhaupt nicht gefällt, ist diese Deutschtümelei. Ich bin nun mal kein Nationalist und ich halte Nationalismus für einen ganz gefährlichen Unfug." Der Liedermacher beklagte, die Wiedervereinigung sei für seinen Geschmack viel zu schnell vonstattengegangen, ohne dass ernstlich um einen gemeinsamen Weg abseits der bloßen Osterweiterung Kohlscher Behäbigkeit gerungen wurde. Als Künstler, räumte Konstantin ein, könne er den Lauf der Geschichte nicht aufhalten, aber "da wenigstens noch einen Stachel reinsetzen."

Tastsächlich gelang Konstantin Wecker 1990 ein Lied-Schnellschuss, der seine Zerrissenheit und sein Schwanken gut zum Ausdruck brachte. In "Prost Deutschland" bekennt Wecker anfangs unverhohlen seine Ratlosigkeit: "Als könnte man stets überall/ eindeutig Position beziehn, / ich bin verwirrt in diesem Fall." Er gibt an, ihm fehle "das rechte Herz fürs Vaterland" (ein durchaus zweideutiger Ausdruck) und kokettiert mit einem Image, das ihm Zeitgeist-Konforme in den Wende-Jahren tatsächlich verpasst hatten:

Vielleicht bin ich ein alter Sack,
der noch von achtundsechzig träumt,
von Bier und Beifall aufgeschwemmt,
schon lang den letzten Zug versäumt.

Noch nicht in all seinen Auswirkungen übersehbar war damals der Siegeszug der Wende-Profiteure, mit dem das groß angelegte neoliberale Projekt in seine heiße Phase trat:

Jetzt rasen sie zum Ausverkauf,
die Wucherer und Makler und
das ganze Leichenschänderpack,
und tun sich groß und geben kund

und grölen von der alten Mär,
vom Wunder, das zu guter Letzt
nur ihnen hilft, und übrig bleibt
ein Volk: verraten, aufgehetzt.

Konstantin Wecker würdigt die Protestkultur der Vor-Wende-Zeit, beklagt jedoch deren Vereinnahmung durch das System.

Wer hat das alles eingeheimst?
In welchen Schlund fiel diese Zeit,
fiel dieser viel zu kurze Herbst
der Wärme und der Einigkeit?

Was war das doch für ein Triumph,
als Mauern bröckelten zu Sand,
da hatte ich für kurze Zeit
ein Herz für dieses Vaterland.

Als Schnell-Diagnose der Geschehnisse um 1989/90 war das Lied beachtlich. Es wäre sicher auch mehr beachtet worden, wären derartige Positionen nicht seinerzeit mega-out gewesen. "Liebenswert unzeitgemäß" war noch eine der freundlicheren Bezeichnungen, die Journalisten für den Alt-Bedenkenträger fanden. Vorgetragen wurde das Lied erstmals im "Scheibenwischer" im Oktober 1990, 12 Tage nach der Wiedervereinigung. Ebenfalls in Dieter Hildebrandts Kabarettsendung erklang zwei Jahre später die "Ballade von Amadeu Antonio Kiowa, auch bekannt als "Willy 2". Darin präzisierte Wecker seine Kritik an der ökonomischen Abzocke, die sich in den Wendejahren im Windschatten des nationalen Taumels vollzogen hatte:

Aber man hat halt wieder alles falsch gemacht, was
falsch zu machen war. Unsere Flottmänner haben in
Windeseile die DDR aufgekauft, wildgewordene
Versicherungsvertreter sind wie die biblische
Heuschreckenplage über das Land hergefallen, und
unsere Politiker, diese mutierten
Gebrauchtwagenhändler, haben es wieder
fallen lassen. Und drüben will sich jetzt keiner mehr
daran erinnern, wie begeistert sie dem Kohl zugejubelt
haben, weil er ihnen wunderschöne Videorecorder
versprochen hat.
Und jetzt: Arbeitslosigkeit und eine große Leere im
Herzen.

Im Osten brannten Asylbewerberheime: Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Solingen und Mölln.Anmerkung Lebenshaus-Redaktion: Solingen (NRW) und Mölln (Schleswig-Holstein) liegen allerdings in Bundesländern der alten Bundesrepublik und nicht im Osten. Brandsätze flogen, vietnamesische Gemüsehändler rannten um ihr Leben. Der Wiedervereinigungsrausch hatte einen fürchterlichen Kater nach sich gezogen. Gemeint ist hier nicht die Invasion der "Gebrauchtwarenhändler", die den Osten nunmehr penetrierten und alles Ausschlachtbare auf seinen Warenwert reduzierten. Es war der nackte Hass auf Fremde, der sich damals, wie seit 1945 nicht mehr, breit machte. Eine Ausländerfeindlichkeit (fast) ohne Ausländer übrigens - auch dies ein Faktum, das an das Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen des Jahres 2016 erinnert.

"Es ist zur Zeit einfach nicht möglich, politisch Abstand zu nehmen, so sehr man das manchmal auch möchte", resümierte Wecker im Januar 1993 mit Blick auf die "Uferlos"-Schaffensperiode. So trat er im März 1993 auch mit Peter Maffay, BAP und Heinz-Rudolf Kunze bei einem Rock-gegen-Rechts-Festival mit dem an damaligen Sprachgebrauch angepassten Titel "Gewalt ätzt" auf. Politisches Engagement war für Konstantin Wecker immer (auch) privat, eine Art von Notwehr gegen Missstände, die ihn beim Lustvollzug störten. "Zuerst mal pendle ich immer zum uferlosen Vor-sich-hin-Leben. Und wenn ich da drin gestört werde, dann packt mich auch das Engagement." Gemeinsamer Nenner des privat wie politisch Erstrebenswerten war und ist für ihn vor allem die Toleranz: "Ich möchte ein Leben führen, in dem ich Menschen tolerieren kann und in dem ich selber toleriert werde." Schon insofern ist er in puncto Ausländerfeindlichkeit nie gefährdet gewesen.

Für Konstantin Wecker bedeuteten die Bilder brennender Asylbewerberheime vor allem eines: So etwas wie einen ungefährlichen Nationalismus kann es nicht geben. Die "Wir sind wieder wer"-Euphorie artet rasch aus in "Alle, die nicht zu uns gehören, sind minderwertig". Die etablierte Politik zeigte sich schon damals entrüstet über die Geschehnisse, lieferte den Tätern aber zugleich ein ideales Zeitgeist-Umfeld, indem sie über Jahre das rechte (!) Herz fürs Vaterland beschworen hatte. Die Wiedervereinigung hatte Wecker als Anti-Nationalisten scheinbar ins Unrecht gesetzt und ließ ihn "alt aussehen"; die rechte Gewalt ab 1991 schien seiner bedenkentragenden Distanz vom allgemeinen nationalen Taumel auf einmal im Nachhinein Recht zu geben. Die Gewalttaten selbst, so zeigte sich, waren nur die Spitze eines Eisbergs aus latentem Fremdenhass. Letzterer war aus der deutschen Volksseele niemals ganz verschwunden, sondern nur lange im Standby-Modus gewesen. Konstantin Wecker dokumentierte diese schockierenden Ereignisse in der "Ballade von Amadeu Antonio Kiowa" so künstlerisch schmucklos wie aufwühlend.

Hast as schreien ghört, in Rostock, Willy, du muaßts
doch ghört habn, Ausländer, Asylanten, die Ärmsten
und Schwächsten habn sich diese Feiglinge natürlich
ausgesucht. Aber die dummen Buben waren gar nicht
das Schlimmste, sondern diese ganze feixende und
Beifall klatschende Meute, die drum rum gestanden ist.
Ja, Willy, Beifall hams geklatscht, während über
hundert Vietnamesen verzweifelt um Hilfe geschrien
haben.

Besonders empörten den Sänger die Untätigkeit der Polizei und die Kumpanei der deutschen Voyeure, Claqueure und Mitläufer:

Jetzt macht die Polizei einen Schichtwechsel, wenn
Vietnamesen abgefackelt werden und Neger
aufgeklatscht. Abfackeln, aufklatschen, ja wo samma
denn, Willy - und glaubst du, einer unserer Politiker
hätte sich persönlich entschuldigt, nix da, als Antwort
auf diese Schweinereien haben sie versprochen, das
Asylproblem in den Griff zu bekommen - dem Mob recht
geben, nur um an der Macht zu bleiben und die
nächsten Wahlen zu gewinnen, pfui Deife, Willy, pfui
Deife!

Dann schildert das Lied das Martyrium des Angolaners Kiowa, erstes verbürgtes Opfer rechtsradikaler Gewalt im Deutschland nach der Wende. Totgetreten von einer Horde Skinheads. Verbürgt ist auch, dass ein Polizeioberer seine Kollegen davon abgehalten hatte, sich einzumischen, da er "mit dieser Gruppe nicht in Konflikt geraten wollte". Weckers zweiter "Willy" ist ein präzise recherchiertes und aufwühlendes Stück Zeitgeschichte, das seine Wirkung auf sein Publikum nicht verfehlte. Statt des "Heulen und Zähneklapperns", das der Chronist über die Premiere des ursprünglichen "Willy" zu berichten weiß, erinnere ich mich eher an langes betretenes Schweigen, als das Lied vor der Konzertpause der Uferlos-Tournee verklungen war. Darauf folgte heftig aufbrandender, kathartischer Applaus.

Noch dichter und wirkungsvoller war "Sage nein!", der ultimative Aufschrei gegen Fremdenfeindlichkeit, bis heute unentbehrlich bei jedem Wecker-Konzert. Konstantin erklärte dazu, die Ereignisse in Ostdeutschland hätten ihn derart erschüttert, dass er erstmals in seinem Leben ganz bewusst ein politisches Kampflied habe schreiben wollen - also genau das, was Linke in den 70ern immer von ihm verlangt und nie bekommen hatten: ein Lied, das nicht mehr poetischer Selbstzweck ist, sondern sich ganz in den Dienst der Agitation stellt. Es knüpfte einerseits an ein gleichnamiges Gedicht des Nachkriegsschriftstellers Wolfgang Borchert an, andererseits war "Sage nein" auch eines der Mottos der Münchner Lichterkette gegen Fremdenfeindlichkeit (6. Dezember 1992), bei der 400.000 Kerzen brannten. Musikalisch ist "Sage nein" äußerst wirkungsvoller "Art-Pop", gehalten in bedrohlich anschwellendem Mollton; textlich verzichtet das Lied völlig auf Schnörkel.

Wenn sie jetzt ganz unverhohlen
wieder Nazi-Lieder johlen,
über Juden Witze machen,
über Menschenrechte lachen,
wenn sie dann in lauten Tönen
saufend ihrer Dummheit frönen,
denn am Deutschen hinterm Tresen
muss nun mal die Welt genesen,
dann steh auf und misch dich ein:
Sage nein!

Die aufwiegelnde Kraft dieses Liedes, das alle Hörer ("Penner oder Sänger, Banker oder Müßiggänger") ganz zu einer Entrüstungsgemeinschaft zusammenschweißt, muss man im Konzert erlebt haben. Wecker, den die Drogensucht niedergestreckt hatte, richtete sich an der Politik gleichsam wieder auf, erlangte Würde und entfesselte Kraft zurück. Er schien seinem Publikum zuzurufen: "So am Ende kann ich gar nicht sein, dass ich nicht mehr gegen Nazis aufstehen würde". In seinen gnädigeren Momenten allerdings versuchte Wecker, Neonazis zu analysieren und kam zu überraschendenden Schlussfolgerungen: Der Ausbruch rechter Gewalt "kommt aus der blinden Wut gegenüber den nicht eingehaltenen Versprechungen und aus der Tatsache, dass für uns wie für die im Osten eine Utopie, an die wir uns noch klammern konnten, geplatzt ist. Wir haben im Moment keine Utopien mehr und eine Menschheit ohne Utopien ist etwas Trauriges". Trauriger fast noch, dass sich in mehr als 20 Jahren am damals diagnostizierten Zustand nichts geändert hat.

Buchtipp: Konstantin Wecker, Günter Bauch, Roland Rottenfußer: Das ganze schrecklich schöne Leben. Die Biografie, Gütersloher Verlagshaus, 480 Seiten, € 24,99.

Quelle: Hinter den Schlagzeilen - 03.10.2017.

Fußnoten

Veröffentlicht am

07. Oktober 2017

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