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Liebling des Monarchen

Mohammed bin Salman ist neuer saudischer Kronprinz - und führt bereits im Jemen Krieg gegen Irans Verbündete

Von Sabine Kebir

Der Vater, König Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud, hat am 20. Juni entschieden, dass dem 1985 in Dschidda geborenen Mohammed bin Salman der Titel eines Kronprinzen übertragen wird. Damit hat der Lieblingssohn des Monarchen eine Würdigung erfahren, die bislang dem königlichen Neffen Mohammed bin Naif zuteil wurde. Letzterer wurde nicht nur degradiert - er musste überdies das Amt des Innenministers aufgeben. Dass der Wechsel zuvor die Zustimmung des Weißen Hauses fand, kann als sicher angenommen werden. Im März hatte Mohammed bin Salman als erster bedeutender Repräsentant Saudi-Arabiens - damals noch als Verteidigungsminister - seine Aufwartung bei der neuen Administration gemacht und gemeinsame außenpolitische Ziele besprochen. Die gewannen freilich erst nach Donald Trumps Teilnahme am traditionellen saudischen Säbeltanz Ende Mai in Riad deutlich an Kontur.

Mohammed bin Salman, der das Amt des Verteidigungsministers behält und zusätzlich stellvertretender Premierminister geworden ist, kann ab sofort zwar nicht als einziger, aber wohl wichtigster Entscheider im saudischen Königreich gesehen werden. Er gilt von den Umgangsformen her als smart, in seinen Entschlüssen dagegen als unbeirrbar, wobei er bisher zuweilen die Kompetenzen eines Vizekronprinzen überschritt. Als 2016 in Doha ein Abkommen zahlreicher Ölländer ausgehandelt war, um Fördermengen zu drosseln und Weltmarktpreise zu stabilisieren, fiel bin Salman seinem zur Unterschrift bereiten Außenminister in den Rücken und sorgte dafür, dass jenes Vorhaben platzte.

So wenig konstruktiv die Rolle Saudi-Arabiens im Nahen Osten und darüber hinaus bislang auch gewesen ist, unter der Ägide von Mohammed bin Salman dürfte sie sich weiter radikalisieren. Die spektakuläre Entscheidung, den erst 31-jährigen Heißsporn mit großer Machtfülle auszustatten, fiel sicher nicht zufällig in einem Augenblick, da der Konflikt mit Katar kulminiert und die von Riad geführte Allianz ein abwegiges Ultimatum gestellt hat. Es kennt in der Geschichte des Völkerrechts kaum seinesgleichen. Der Konflikt mit dem Emirat stellt nichts anderes dar als das Vorspiel zu einem wie auch immer gearteten Schlag gegen den Iran. Einen solchen zu riskieren, ist Mohammed bin Salman zuzutrauen. Schließlich fungiert er als Commander-in-Chief für den 2015 von der saudischen Armee begonnenen Luftkrieg gegen den Jemen. Dieser wird nicht nur unter Missachtung humanitärer Prinzipien, sondern auch jeder Regel von "Kriegsrecht" geführt, weil Riad den Nachbarstaat um jeden Preis zur Räson bringen will. Die offiziell als Teil des "Kampfes gegen den Terror" firmierende Aggression hat im Jemen, einem der ärmsten Länder weltweit, eine latente Hungerkrise nicht nur extrem zugespitzt, sondern gleichzeitig zu einer Choleraepidemie geführt, die ein zusammengebrochenes Gesundheitssystem nicht mehr wirksam bekämpfen kann. Ihr fielen bereits hunderte Menschen, vor allem Kinder, zum Opfer. Und die Vereinten Nationen warnen, dass bis Ende August die Zahl der Erkrankten auf 300.000 steigen kann.

Es ist davon auszugehen, dass ein Zusammenspiel zwischen Mohammed bin Salman und den USA das Ende einer von Riad gestützten Position der Arabischen Liga zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern bedeutet. Bisher galt das Junktim: Wir erkennen Israel an, kommt es im Gegenzug zur Zwei-Staaten-Lösung. Der jetzige Kronprinz soll eine Anerkennung Israels ohne jene Bedingung in Erwägung ziehen. Es könnte sich um das Vorspiel einer gegen den Iran gerichteten Militärallianz handeln. Überlegungen, dass mit diesem Schritt Riads die sowieso nur mäßigen Sympathiewerte in der islamischen Welt, die man ja beherrschen will, erheblich sinken würden, scheint es nicht zu geben.

Eigentlich ist es erstaunlich, dass sich im Machtzirkel des saudischen Königreichs politisch niemand durchsetzen kann, der finanzieller Manipulation und militärischer Erpressung die Überzeugungskraft einer demokratischen Kultur vorzieht. Das täte Saudi-Arabien auch im Innern gut. Der junge Kronprinz steht dafür womöglich auch deshalb nicht zur Verfügung, weil sich seine Ausbildung auf einen in Riad erworbenen Bachelor in islamischer Rechtslehre beschränkt, während sein katarischer Rivale, Prinz Tamin bin Hamid al-Thani, immerhin eine Offiziersausbildung an der renommierten britischen Militärakademie Sandhurst absolviert hat. Obwohl von den Medien seines Landes hochgejubelt, gilt Mohammed bin Salman als korrupt, raffgierig und rücksichtslos. Die Massenpanik während der Hadsch 2015, bei der etwa 2.500 Menschen ums Leben kamen, soll durch eine für seinen Konvoi vorgenommene Absperrung der Route verursacht worden sein, auf der sich gerade Pilger zur Steinigung des Teufels auf den Weg machten.

Dass sich Präsident Trump mit allzu konkreten Stellungnahmen zur Krise zwischen Saudi-Arabien und Katar auffallend zurückhält, zeigt einmal mehr, dass die Vereinigten Staaten ihre Interessen im Nahen Osten - ähnlich wie schon unter Barack Obama - eher von Stellvertretern als aus eigener Kraft ausfechten lassen, um dann als vermeintlich gemäßigter Vermittler in Erscheinung zu treten. Genau das hat der Präsident mit seinem Besuch in Jerusalem und Betlehem schon praktiziert. Die Europäische Union sollte angesichts der Personalie Mohammed bin Salman das größte Interesse haben, sich in deeskalierender Neutralität zu üben. Es wäre ein Anfang, sich weder auf diplomatischer noch medialer Ebene am Hochzüchten von Feindbildern zu beteiligen und für kritische Analysen vorrangig die Dienste des Völkerrechts in Anspruch zu nehmen.

Quelle: der FREITAG vom 03.07.2017. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

03. Juli 2017

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