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Mut der Verzweiflung

Die junge afghanische Frauenrechtlerin Malalai Joya sprach in Berlin über ihren Kampf gegen Warlords und Besatzung

Von Jana Frielinghaus

Es ist eine bittere Ironie, dass die Burka, die dem Westen als augenfälligstes Symbol der Frauenunterdrückung in Afghanistan gilt, für Malalai Joya eine lebenserhaltende Funktion bekommen hat. Es gibt kein besseres Versteck für die gerade 29jährige, wenn sie trotz der vielen Morddrohungen gegen sie durch ihr Land reist, um vor ihrer Anhängerschaft zu sprechen oder sich um die Geschicke des von ihr gegründeten Hamoon Gesundheitszentrums für Frauen und Kinder in ihrer Heimatstadt Farah zu kümmern. Nicht fassbar, woher die zarte, fast schüchtern wirkende Frau die Kraft nimmt, nach vier bereits auf sie verübten Anschlägen und nach öffentlichen Auftritten in den USA, Australien und Europa, immer wieder in ihr Land zurückzukehren.

Am Mittwochabend sprach sie auf einer von der Linksfraktion im Bundestag veranstalteten Podiumsdiskussion im voll besetzten Grünen Salon der Volksbühne über die Situation der Frauen in Afghanistan und über das, was sie, man kann es sehen, in einen permanenten Zustand von Wut und Empörung versetzt hat: "Die USA und ihre Verbündeten haben das Land von den Islamisten befreit, um sie durch andere Fundamentalisten zu ersetzen", sagt sie. Warlords und Drogenbarone, die auch nach Ansicht der US-Organisation Human Rights Watch als Kriegsverbrecher verurteilt werden müssten, seien Mitglieder der Regierung von Hamid Karsai. Der ebenfalls auf dem Podium sitzende, aus Afghanistan stammende Marburger Professor Matin Baraki bestätigt dies. Die USA hätten den Krieg gegen das Land - wie den gegen den Irak - nachweislich bereits vor den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA geplant. Er diene ausschließlich der Wahrung geostrategischer Interessen.

Dass Joya diese Dinge bereits unmittelbar, nachdem sie 2003 in die Loya Dschirga gewählt worden war, laut aussprach, brachte ihr den Hass der Mächtigen ein. Doch die Mehrheit der Menschen, traumatisiert und verängstigt von Jahrzehnten Krieg und Unterdrückung, verehrt sie für ihren unerhörten Mut. Tausende demonstrieren immer wieder dafür, dass sie ihren Parlamentssitz zurückerhält. Denn Joya, die 2005 erneut ins Parlament gewählt worden war, hat derzeit Hausverbot. Nach einer weiteren zornigen Rede im Mai 2007 entzog man ihr für drei Jahre das Mandat.

In Berlin antwortet Malalai Joya engagiert und in fließendem Englisch auf alle Fragen. Mehr Rechte für Frauen gebe es nur in einigen Teilen der großen Städte. Sogar im Parlament würden Frauen geschlagen. "Das Problem der Frauen ist nicht die Burka. Sie brauchen Wasser, Essen, Gesundheitsversorgung und vor allem Bildung", sagt sie. Es ist zu sehen, wie sehr sie das Leid der Frauen und Kinder - sie ist auch Mitbegründerin eines Waisenhauses - bewegt. Bereits 1998 kehrte die in Flüchtlingslagern in Pakistan und im Iran Aufgewachsene in das damals von den Taliban beherrschte Land zurück und unterrichtete Mädchen und Frauen - ebenfalls eine lebensgefährliche Arbeit.

Von sich spricht sie erst, als sie direkt nach ihrer Motivation gefragt wird: "Denken Sie, ich tue das meinetwegen? Wenn es nach mir ginge, würde ich nicht hier sitzen - ich habe soviel Schockierendes erlebt", sagt sie entrüstet. Aber: "Jemand muss es tun". Und tatsächlich scheint sie die einzige zu sein, die in der afghanischen Öffentlichkeit so klar ihre Stimme erhebt und auch in Deutschland nicht diplomatisch erklärt, die deutschen Soldaten machten einen prima Job und die deutsche Aufbauhilfe habe schon viel bewirkt. Wahrscheinlich hat man sie deshalb auch nicht in den Auswärtigen Ausschuss des Bundestages gelassen, wie die entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Heike Hänsel berichtete. Statt dessen seien in dessen Sitzung diese Woche nur Vertreter afghanischer Organisationen zu Wort gekommen, die für die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes werben. Hänsel verwies darauf, dass die Ausgaben für die Bundeswehr in Afghanistan sich auf rund 600 Millionen Euro pro Jahr belaufen, während für die Entwicklungszusammenarbeit nur 88 Millionen ausgegeben werden.

Quelle:  junge Welt , 21.09.2007.

Veröffentlicht am

25. September 2007

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