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Paul Schobel: “Werft eure Zuversicht nicht weg!”

Redebeitrag von Paul Schobel für die Abschlusskundgebung des Ostermarsches Baden-Württemberg in Stuttgart am 15. April 2017

Von Paul Schobel

Liebe Freundinnen und Freunde,

Noch nie ist mir das bekannte Jesus-Wort so unter die Haut gefahren wie in diesen Tagen: "Ihr wisst doch", so heißt es sinngemäß bei Matthäus, "wie es in der Welt zugeht: Die Herrschenden richten die Völker zugrunde und die Mächtigen missbrauchen ihre Macht.." (Matthäus-Evangelium 20,25). Als hätte damals schon Donald Trump als König von Jerusalem vom Tempelberg herunter getwittert.

Dieser Vogel zwitschert inzwischen rund um den Erdball. Eine Nachtigall klingt anders! Diesem politischen Talent und seiner Laienspielschar ist es in wenigen Wochen gelungen, die Welt noch labiler zu machen als sie ohnehin schon war: Luftschläge gegen Syrien, Kampfschiffe vor Nord-Korea, die Super-Bombe in Afghanistan. Es ist kein gutes Gefühl, dass diesem hochroten Kopf der "Rote Knopf" auf Schritt und Tritt nachgetragen wird. Manchmal fürchte ich, das Überleben der Menschheit hinge grad mal noch am seidenen Faden einer Befehlsverweigerung.

Was wir momentan erleben, ist eine Art globaler Mobilmachung. Dabei weiß jedes Kind: Mobilmachungen haben sowohl den Ersten als auch den Zweiten Weltkrieg erst möglich gemacht. Ein kleiner Funke, den irgend ein Irrer zündet, und schon fliegen uns die Fetzen um die Ohren. Wo sich Nationen bis an die Zähne bewaffnet gegenüberstehen, ist es immer nur noch eine Frage der Zeit bis zum großen Knall. Wohin man schaut, wird hochgerüstet, werden die Rüstungshaushalte aufgedonnert und die Arsenale des Todes bis zum Bersten gefüllt.

"Rüstung tötet - auch ohne Krieg!" Wie oft müssen wir das denn noch sagen! Massenhaft führt die Hochrüstung zu Not und Tod, zu Flucht und Vertreibung, zu Elend und Leid. Nun sieht sich Afrika einer verheerenden Hungersnot gegenüber. Allein im Jemen sind 7 Mio. Menschen akut vom Hungertod bedroht. Ganze 2 Mrd. US-Dollar könnten das Massensterben verhindern, mahnt die Welthungerhilfe - bislang vergebens! Ein Klacks gegenüber den 130 Mrd. Euro, mit denen nun allein die Bundeswehr aufgepäppelt wird.

Wie geht das, so frage ich mich, in den Köpfen der Regierenden zusammen. Sie kennen doch die Daten und Fakten. Am liebsten würde ich jedem Machthaber ein verhungerndes Kind in die Arme legen. Ich will wissen, ob er diesem Blick standhält und hoffe immer noch, es könnte dem einen oder der anderen das Herz erweichen, und es rührte sich in ihnen ein Hauch von Fürsorge und Menschlichkeit. Vielleicht würden sie dann erkennen, dass sie Brot liefern müssen statt Waffen, Lebensmittel statt Raketen.

Und darum sagen wir heute in aller Entschiedenheit:

  • Es darf nicht sein, und wir lassen das nicht zu, dass Kinder verhungern, weil man Milliarden in Rüstung verpulvert. Rüstung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
  • Es darf nicht sein, und wir lassen das nicht zu, dass der von uns mühsam erwirtschaftete Reichtum als Schießzeug gebunkert und an die Waffen-Lobby verfüttert wird.
  • Es darf nicht sein, und wir dulden nicht länger eine Politik, die tötet und trennt, statt heilt und verbindet.

Darum stehen wir uns heute wieder einmal die Beine in den Bauch, lärmen und protestieren gegen Krieg und Gewalt und für den Frieden. Wir sind zornig und empört, dass man seit Jahrzehnten die Erkenntnisse der Friedensforschung und bewährte Konzepte der Gewaltfreiheit in die Tonne tritt. Dass Friedensarbeit nichts wert ist und ziviler Widerstand nicht eingeübt wird. Dass man statt dessen immer nur diesen alten Gevatter wiederbelebt, den Krieg - das Dümmste und Widerwärtigste, was der Menschheit zur Regelung ihrer Konflikte eingefallen ist.

So wird auch nun wieder aufmarschiert und durchgeladen. Die Friedenskompetenz der Regierungen ist schauderhaft:

  • Eine erfahrene Erzieherin, die in der Kita einen Stuhlkreis bildet, versteht mehr von Frieden als der UN-Sicherheitsrat. Denn dieser hochrangig besetzte Stuhlkreis kommt nicht einmal mit Resolutionen zu Potte, geschweige denn zu wirksamen Maßnahmen.
  • Ein junger Streitschlichter in der Grundschule versteht mehr von Deeskalation und Interessenausgleich als der Nordatlanktik-Rat der NATO.
  • Die Mobbingberater und Konfliktlotsen in den Betrieben wissen, wie Abrüstung geht und lassen nicht nach, ehe man sich die Hände reicht.
  • Der Kollege da drüben in der Döner-Bude sorgt für mehr Völkerverständigung als mancher teure Diplomat.
  • Und die ehrenamtliche Helferin, die syrischen Kindern Deutsch beibringt, verdient den Friedens-Nobelpreis!

Wie oft müssen wir uns denn noch wiederholen: Militärische Gewalt ist kein Mittel der Politik, sie produziert neue Gewalt. Gerade wir hier in unserem schönen Land sind auf Gedeih und Verderben auf Verständigung, Versöhnung und Frieden in Ost und West angewiesen.

Oder haben wir schon wieder vergessen, was hier abgeht, wenn es zu einer neuen Ost-West-Konfrontation und zu einem Krieg in Europa käme? Glückauf - wir sind dann das Aufmarschgebiet. Wir würden an erster Stelle zerrieben. Eine tolle Zielscheibe mit den amerikanischen Depots und Kommando-Zentralen, den Atomkraftwerken und unserer Rüstungsindustrie. Wacht endlich auf! Nicht erst dann, wenn US-Bulldozer übungshalber Massengräber ausheben, wie schon einmal geschehen. Falls im Ernstfall überhaupt noch jemand da ist, der die Toten begräbt, füge ich sarkastisch hinzu. Denn längst sie ja auch die Atombomben wieder scharf. Erzählt das Euren Kindern und Enkelkindern!

Wir haben schon um des eigenen Überlebens willen gar keine andere Wahl. Doch es geht gar nicht um uns allein, sondern um den Frieden zwischen allen Völkern auf dieser Erde.

Darum rufe ich Euch zu: Friede ist möglich! Gebt dem Frieden Gestalt und Gesicht! Parolen allein tun es nicht, die perlen an den Rüstungen der Kriegstreiber ab. Bauen wir vielmehr eine Mauer - freilich nicht wie Trump eine Mauer der Trennung, sondern eine Mauer der Friedfertigkeit. Lassen wir sie dagegen rennen mit ihren Panzern. Und das bedeutet:

  • Schafft erst mal Frieden in Euren Herzen, in Euren Beziehungen. Weg mit dem alten Gerümpel aus Neid, Rechthaberei und dumpfem Eigennutz! Wer nur sein eigenes, kleines Ego pflegt, wird niemals ein Friedensstifter!
  • Nehmt Euch derer an, die von sozialem Abstieg betroffen oder bedroht sind. Sie laufen am meisten Gefahr, den Schalmeienklängen der Rattenfänger von rechts nachzulaufen. Denen aber, die die Ängste schüren, müssen wir das Maul stopfen. Vergessen wir nicht: Die Despoten um uns herum haben sich nicht an die Macht geputscht, sondern bekamen diese artig von der Mehrheit ihrer Völker übergeben. Der Populismus bereitet den Boden für Möchtegern-Sultane und -zaren und Potentaten aller Art.
  • Friedenspolitik ist vorrangig Sozialpolitik! Soziales Unrecht ist der Sprengstoff, mit dem man Kanonen stopft und Raketen befüllt.
  • Friedenspolitik ist Bildungspolitik; Bildung, die Bewusstsein schafft und die Horizonte erweitert.
  • Friedenspolitik ist vor allem auch Entwicklungspolitik, die die wahren Fluchtursachen bekämpft.
  • Kümmert Euch um die Flüchtlinge - sie sind die Opfer von Krieg und Gewalt und Politikversagen.

Vielleicht ist der wichtigste Ratschlag der: Tut nicht alles gleichzeitig, sondern nur eines, verzettelt euch nicht!

Und was die politischen Analphabeten anbelangt, müssen wir denen endlich das Alphabet neu buchstabieren. Und das heißt: "Peace first", Mister Trump, "Peace first", sonst bist auch Du samt Deinem Amerika verloren.

Ich schließe mit einer Ermutigung aus dem Neuen Testament, mit dem ich begonnen habe. Sie stammt aus dem Brief an die Hebräer (10,35 und 39):

"Werft eure Zuversicht nicht weg. Was ihr braucht ist Ausdauer, damit wir nicht zu denen gehören, die zurückweichen, sondern zu denen, die das Leben gewinnen".

Paul Schobel ist Betriebsseelsorger im Ruhestand und lebt in Böblingen.

 

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Veröffentlicht am

15. April 2017

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