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Die ersten Ostermärsche

Andreas Buros Wirkungskreise

Von Konrad Tempel

Zur Vorbereitung des ersten Ostermarsches gegen Atomwaffen in Ost und West hatte ich 1960 von Hamburg aus pazifistische Gruppen in Bremen, Hannover und Braunschweig angeschrieben, deren Vertreter sich aus Kriegsdienstverweigerer-Treffen kannten. Als wir uns - vermutlich Anfang Februar - zur ersten gemeinsamen Beratung in Bergen-Belsen trafen, war aus Braunschweig neben Heinz-Günther Friedrich, einem Postbeamten, auch Andreas Buro gekommen.

Er war zurückhaltender und abwägender als viele andere und stellte mehrfach Fragen, ehe er sich zu einem Besprechungspunkt äußerte. Ich erinnere mich gut daran, dass er dort, wo Bedenken gegeneinander standen oder wo es schwer fiel, die nötigen Entscheidungen zu treffen, ein pragmatisches Vorgehen anregte und dies mit einem Schmunzeln in die Runde gab. Aus den Beratungen im von Jahr zu Jahr größer werdenden und immer differenzierter argumentierenden Kreis von Menschen unterschiedlicher Weltanschauungen ist mir vor allem sein achtungsvoller Umgang mit divergierenden Positionen im Gedächtnis geblieben; auch aus Ideen, die ihm gegen den Strich gingen, vermochte er Vorschläge abzuleiten, denen alle zustimmen konnten.

Soweit ich weiß, war seine pazifistische Haltung ursprünglich wenig ausgeprägt und hat sich erst im Laufe dieser Jahre unserer intensiven Zusammenarbeit bis 1964 differenziert, so dass es bei ihm nicht den geringsten weltanschaulichen Unterton gab. Auch ihm ist es zu verdanken, dass die Ostermarsch-Bewegung unterschiedliche Ansätze zu integrieren verstand, politischer werden und auf parallele gesellschaftliche Entwicklungen offen reagieren konnte, sich von Jahr zu Jahr veränderte, also lernfähig blieb. Einer der Belege dafür ist der Oster-Aufruf von 1962 für unsere zweiten Märsche, der maßgeblich von ihm mitgestaltet wurde und auch Nicht-PazifistInnen erträglich erschien.

Über die Lernfähigkeit aller, die in diesen frühen Jahren für eine Politik ohne atomare Gewaltmittel und für eine Verständigung auf die Straße gegangen sind, hat Andreas 1977 in den von Reiner Steinweg redigierten "Friedensanalysen" (Nr. 4, "Die Entstehung der Ostermarsch-Bewegung als Beispiel für die Entfaltung von Massenlernprozessen") berichtet. Der Blick auf diesen Text, 39 Jahre nach der Veröffentlichung, zeigt mir heute noch mehr als beim früheren Studium, wie genau Andreas hinsehen konnte, zu welcher Empathie er fähig war, mit welcher Sorgfalt und Souveränität er unser gemeinsames Wirken analysiert hat.

Treffender als alle anderen hat er unparteiisch die Motivation und Weltsicht der frühen Organisatoren der Ostermärsche (und damit zu Teilen seine eigene Sehnsucht und Offenheit) erkennbar gemacht. Wenn für spätere Generationen etwas bleibt, was zu lesen und zu bedenken sich lohnt, dann vermutlich diese Analyse.

Konrad Tempel war 28 Jahre lang in der LehrerInnen-Bildung am Studienseminar und an der Universität Hamburg tätig, initiierte 1960 die Ostermärsche gegen Atomwaffen in Ost und West, wirkte jeweils fast zehn Jahre als Vorsitzender der Bildungs- und Begegnungsstätte Kurve Wustrow und des Bund für Soziale Verteidigung, entwickelte federführend die ersten Curricula für die Qualifizierung von Friedensfachkräften. Er ist Quäker und Autor der "Anstiftung zur Gewaltfreiheit, Über Wege einer achtsamen Praxis und Spiritualität" (2008).

Quelle: FriedensForum 2/2016 - Sonderbeilage zum Gedenken an Andreas Buro.

Veröffentlicht am

15. März 2016

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