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UNO-Bericht über Syrien: Abschied von Kriegsnarrativen

Der UNO-Untersuchungsbericht zu Kriegsverbrechen in Aleppo malt nicht schwarz-weiß und zeigt: Die Genfer Friedensgespräche laufen ins Leere.

Von Andreas Zumach - Kommentar

Durch den Untersuchungsbericht der UNO zu den Kriegsverbrechen in Aleppo wird ein Narrativ der Ereignisse widerlegt, das nicht nur von der Propaganda in Damaskus und Moskau verbreitet wird, sondern auch von manchen hierzulande, die sich als links, fortschrittlich oder friedensbewegt verstehen.

Diesem Narrativ zufolge haben die syrischen und russischen Streitkräfte Ende Dezember nach fünfmonatiger Schlacht die Bewohner im Ostteil Aleppos aus der Geiselhaft islamistischer Terrorgruppen befreit und der Bevölkerung wieder Frieden gebracht. Behauptungen, die Streitkräfte hätten systematisch Krankenhäuser und andere zivilen Einrichtungen zerstört, gezielt humanitäre Hilfskonvois der UNO angegriffen sowie Chlorgas, Streumunition und andere Waffen mit fürchterlichen Folgen für die Zivilbevölkerung eingesetzt, sind nach diesem Narrativ sämtlich Propaganda westlicher Regierungen.

Der UNO-Bericht belegt, dass nicht nur die einst in Aleppo präsenten Kämpfer der Al-Kaida, sondern auch Rebellenmilizen ihren Kampf unter vollständiger Missachtung des Völkerrechts geführt haben. Wobei Umfang und Auswirkungen ihrer Kriegsverbrechen deutlich geringer ausfallen, da sie im Unterschied zu den syrischen und russischen Streitkräften weder über Flugzeuge und Hubschrauber, noch über Streumunition, Chlorgasbomben und andere Waffen verfügten.

Auf den militärischen Sieg der syrischen und russischen Streitkräfte folgte in Absprache mit der Türkei zunächst die "Umsiedelung" der Rebellen und der Zivilbevölkerung aus Ostaleppo in die Provinz Idlib und dann die Vereinbarung eines Waffenstillstandes. Dadurch seien bessere Voraussetzungen geschaffen worden für einen Erfolg der Genfer Syriengespräche, verbreitet der UNO-Vermittler Staffan de Mistura. Auch diesem realpolitisch-zynischen Narrativ widerspricht der UNO-Bericht in erfreulich eindeutiger Weise, indem er die "Umsiedelung" der Zivilbevölkerung aus Aleppo als "zwangsweise Deportation" und damit als Kriegsverbrechen einstuft.

Und das bedeutet: Auf dieser Basis kann aus den Genfer Gesprächen keine politische Friedenslösung erwachsen.

Andreas Zumach. Seit 1988 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan… geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung. Bücher: Globales Chaos - machtlose UNO (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995)

Quelle: taz - 02.03.2017. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zumach.

Veröffentlicht am

04. März 2017

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