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Wiederholungstäter, Wiedergänger

Auf der 53. Münchner Sicherheitskonferenz ist die neue US-Regierung erkennbar auf Präsenz bedacht. Wie sehr wird sie auf den Präsidenten festgelegt sein?

Von Lutz Herden

Nichts ist klar, weder die Russland- noch die China-Politik der neuen US-Regierung noch das Verhältnis zur NATO, zur EU oder zur UNO. Verbale Kraftakte ersetzen weder Kausalitäten noch Entscheidungen. Allein der Drang zum Protektionismus kann als gesichert gelten, dem die Außenpolitik der Trump-Administration wohl angepasst, aber nicht untergeordnet wird.

Dass sich der Nebel mit der 53. Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende lichtet, steht kaum zu erwarten, auch wenn der diplomatische Salon im Bayerischen Hof der Umstände halber zum informellen Weltgipfel taugt. Die US-Delegation ist mit Vizepräsident Pence, Verteidigungsminister Mattis, Heimatschutzminister Kelly, den Senatoren McCain und Whitehouse um repräsentative Besetzung bemüht, umgeben von den Außenministern fast aller G-20-Staaten, der deutschen Kanzlerin wie dem UN-Generalsekretär.

Was sollte sie einen? Am besten die Überzeugung, dass Geschichte das Zeug zum Wiederholungstäter hat und von solchen bevölkert wird. Man muss sie nur erkennen, wenn sie sich zu erkennen geben. Nur leidet offenbar das Erinnerungsvermögen, wenn Donald Trump bei einigermaßen entgeisterten Verbündeten für Unbehagen, zumindest Verblüffung, sorgt. Wäre es anders, würde auffallen, dass es sich mit diesem Präsidenten um einen Wiedergänger handelt, der einem Amtsinhaber wie George W. Bush bei Manie und Manieren die Treue hält. Nach den Anschlägen zu 9/11 gebärdete der sich ähnlich verstiegen, selbstherrlich und gottgewollt. Das Prinzip Shock and Awe (Furcht und Schrecken) wurde zur Ultima Ratio von Kriegen, die sich als Fortsetzung von Politikverzicht mit untauglichen Mitteln erwiesen. Erst traf es Afghanistan, dann den Irak.

Mehr Provokateur

Trump lässt es (vorerst) mit Shock and Awe auf den Schlachtfeldern der Politik bewenden. Ihn beseelt weniger imperiale Hybris als der hybride Reflex, eine Weltordnung als Zumutung zu schmähen, wenn sie den USA nicht länger zum Vorteil gereicht wie gewohnt. Verglichen mit Bush ist er weniger Prediger als Provokateur.

Seine Emissäre in München werden sich natürlich in Beschwichtigung üben, um den NATO-Partnern die Unruhe über den reservierten Atlantismus im Weißen Haus zu nehmen. Immerhin wäre es eine kesse Laune der Geschichte, würde die westliche Allianz davon eingeholt, seit 1990 überholt zu sein. Und das ausgerechnet, weil sich die Führungsmacht rar machen will. Um deren politisch-moralische Führungsqualitäten ist es ohnehin geschehen. Die haben sich längst erledigt. Nicht erst seit Trump, aber mit ihm erst recht.

Wie würde Europa jetzt dastehen, gäbe es ein kollektives Sicherheitssystem (die Betonung liegt auf System, nicht Pakt) vom Atlantik bis zum Ural oder bis Wladiwostok? Man könnte den US-Präsidenten als anachronistischen Trampel an sich abtropfen lassen. Stattdessen hat die NATO in Europa neuerliche Polarisierung vorangetrieben, die sich nur durchhalten lässt, wenn die USA mitspielen.

Damit nicht genug. Auch die EU hat es verstanden, den Kontinent auseinanderzutreiben. Was heißt es, wenn sie als globale Wirtschaftsmacht, Warenbasar und Währungsraum den Rückfall Europas in Nationalismus, Xenophobie und kulturelle Entfremdung nicht aufhält, sondern beschleunigt? Ist man Trump eventuell näher als befürchtet?

Dem mit Einsichten beizukommen, wäre doch mal ein Meeting wie in München wert.

Quelle: der FREITAG vom 16.02.2017. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

17. Februar 2017

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