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Wie eine Bombe tickt das Herz

USA: Noch wirken Demokraten und Linke ziemlich ratlos, wie sie mit dem "Regime Trump" umgehen sollen

Von Konrad Ege

Ein großes Fragezeichen in der US-Politik: Was wird das mit der Opposition gegen das kommende Regime? Der neue Staatschef ist schwer zu packen. Donald Trump tun selbst Vorwürfe von russischem Hacking anscheinend nicht weh. Er verspottet die Wahlverlierer, die nicht zurechtkämen mit ihrer Niederlage. Doch vielleicht lernen die vom Erfolg der Tea-Party-Bewegung. Oder die Opposition gegen Trump sieht ganz anders aus. Occupy hatte vor dem September 2011 auch kaum jemand erwartet. Die politische Welt ist unübersichtlich.

Am 20. Januar legt Trump den Amtseid ab, und Hillary-Clinton-Wähler wie Amerikaner, die Clinton gewählt hätten, wäre sie eine "bessere Kandidatin" gewesen, halten sich fest an der Reling im Narrenschiff. Trump ist nicht das einzige Problem. Auch das Repräsentantenhaus ist fest in republikanischer Hand. Im Senat könnte wegen der komplexen Abstimmungsregeln eine geschlossene demokratische Minderheit nur bestimmte Gesetze blockieren. Und ist Trump erst fertig mit der Umbesetzung des obersten Gerichts, bestimmen die Rechten und das große Geld auch die Judikative.

Barack Obama ist 2009 schnell umgestiegen vom Wahlkämpfer zum institutionellen Politiker. Das liegt nicht in Trumps Natur. Sein Wahlkampf hört nicht auf. Eine Dankestour führte ihn zurück zu Wählern in den Bundesstaaten, die für ihn gestimmt hatten. Trumps Siegespose vermittelt seinen Wählern das Gefühl, sie hätten es dem Establishment um Obama und Clinton so richtig gezeigt. Wenn Trump Wladimir Putin lobt als "sehr klugen Mann" wegen seiner zurückhaltenden Reaktion auf die Ausweisung russischer Diplomaten, ist das die Fortsetzung der Angriffe des Kalibers: Obama ist ein schwacher Präsident, Putin eben nicht.

Viele Konflikte, die auf Trump zukommen, werden im rechten politischen Spektrum ausgetragen. Ziehen republikanische Parlamentarier mit, sollte dann Trump tatsächlich ein Infrastrukturprojekt ankurbeln wollen? Zieht Trump mit, wollen dann republikanische Abgeordnete wirklich von heute auf morgen Obamas Gesundheitsreform kippen, so dass Millionen Trump-Wähler plötzlich ohne Versicherungsschutz wären? Und Russland: Zum republikanischen Selbstverständnis gehört Feindseligkeit Richtung Sowjetunion oder wie auch immer dieses Land unter dem Ex-KGB-Mann heißen mag.

Eine Idee explodiert

Die Demokratische Partei, die bürgerliche Zivilgesellschaft und das, was man Establishment nennt, haben es im Wahlkampf nicht geschafft, Trump zu stoppen. Anfangs skeptische republikanische Politiker sind nach und nach auf den Trump-Zug gesprungen, um beim Sieger zu sein. Nun ist die Versuchung groß, Trump zu "normalisieren". Vom Autokraten oder von einer Gefahr für die Demokratie zu sprechen, würde das Glaubensbekenntnis infrage stellen, die USA seien eine besondere Nation und Maßstab für die Welt. Die verunsicherte journalistische Welt sucht ebenfalls: Wie berichtet man über diesen Präsidenten, der sich nicht um Umgangsformen kümmert, Medien benutzt und zum Feind erklärt? Der keine Anstalten macht, seine wirtschaftlichen Interessenkonflikte zu entschärfen?

Am Tag nach der Amtseinführung geht das bunte Amerika auf die Straße - in Washington wohl Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende. Das Projekt heißt "Women’s March on Washington", aufgefordert zur Teilnahme sind alle, die das Prinzip vertreten: Frauenrechte sind Menschenrechte. Es ist keine typische politische Kundgebung. Das Unterfangen begann mit einem Online-Post der Aktivistin Teresa Shook in Hawaii am Tag nach der Wahl: Sie wolle etwas tun und nach Washington gehen. Die Idee ist explodiert. Auf der Facebook-Seite des Women’s March teilten Anfang Januar gut 160.000 User mit, sie kämen nach Washington. Die Veranstalterinnen haben eine Demonstrationserlaubnis für die Gegend unweit des Kapitols. Gemanagt wird das Ganze von vier jungen Organisatorinnen mit beeindruckenden Lebensläufen, Tamika Mallory, Carmen Perez, Linda Sarsour und Bob Bland, einer Modeunternehmerin aus Brooklyn. Dutzende Partnerorganisationen unterstützen das Vorhaben, darunter der Familienplanungsverband Planned Parenthood, die Nationale Organisation für Frauen, Migranten, Organisationen gegen Schusswaffengewalt, für LGBT-Rechte und der Bürgerrechtsverband NAACP. Man werde der neuen Regierung eine deutliche Botschaft schicken: Die Verteidigung der Menschen am Rande schützt uns alle.

Bei den Demokraten gehen indes die Ansichten zum Leben als Opposition weit auseinander. Es gebe durchaus Politiker, die mit Trump kooperieren wollten, meint Donna Brazile, Interimsvorsitzende der Partei. Der kommende Präsident habe "enorme Chancen", Gemeinsamkeiten zu finden. Bernie Sanders sieht das anders: Er wolle Trumps Wählern die Versprechen ihres Kandidaten permanent vor Augen halten - über Jobs, die Unantastbarkeit der staatlichen Rentenversicherung und vieles mehr. Sanders will die Demokratische Partei offenbar radikalisieren. Versuchen, ihn für die Grüne Partei zu gewinnen, hat er eine Absage erteilt.

Wie das mit einer Reform der Demokraten weiter geht oder eben nicht, wird in wenigen Wochen deutlicher, wenn der Parteivorstand einen neuen Vorsitzenden wählt. Gute Aussichten haben der von Sanders unterstützte Keith Ellison, Kovorsitzender des progressiven Ausschusses im US-Repräsentantenhaus, und Obamas Arbeitsminister Tom Perez. Die alte Garde der Partei kann sich eher mit Perez anfreunden. Eine Gruppe von früheren Mitarbeitern demokratischer Abgeordneter und Senatoren lässt derzeit ein Strategiepapier zirkulieren, das viel Beachtung findet unter Trump-Kritikern: Tea-Party-Gruppierungen, zahlenmäßig eine Minderheit in der Republikanischen Partei, hätten eine Organisationsstrategie praktiziert, von der Progressive lernen könnten. Unmittelbar nach Obamas Wahlsieg 2008 hätten sich rechte Aktivisten auf lokaler Ebene zusammengetan zum absoluten Nein. Abgeordnete und Senatoren, die wiedergewählt werden wollen, seien beeinflussbar von Bürgern. Schlüssel zum Erfolg sei der lokale Charakter der Tea Party gewesen, dazu ihre Kompromisslosigkeit, die jegliche Zusammenarbeit mit Obama als Verrat angeprangert habe.

Barack Obama hat noch wenige Tage Zeit, um die Vorwürfe wegen des mutmaßlichen russischen Hackings zu erhärten, aber Donald Trump wird er kaum überzeugen.

Quelle: der FREITAG vom 05.01.2017. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

05. Januar 2017

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