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Aufrüsten beim Personal

Erstmals seit 25 Jahren soll die Bundeswehr mehr Soldaten bekommen. Etwa für mehr Auslandseinsätze?

Von Michael Schulze von Glaßer

Klein, aber effizient: Diesen Kurs hat die Politik ein Vierteljahrhundert der Bundeswehr vorgegeben. Doch jetzt will die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht nur mehr Geld für das Militär, sondern auch mehr Leute. Die Bundeswehr soll wieder wachsen. Die Trendwende ist gefährlich: Auslandseinsätze werden dadurch weiter zunehmen - und das, obwohl die Bevölkerung mehrheitlich dagegen ist.

Bislang wurde bei der Bundeswehr Personal abgebaut, auch wenn die Bundesregierung nicht gerade durch Pazifismus aufgefallen ist. Es erschien schlicht zweckmäßig. Die Armee für die Massenschlacht gegen den Ostblock wurde zu einer schnell verlegbaren, schlagkräftigen Armee im Einsatz transformiert. Die schweren Kampfpanzer wurden eingemottet, dafür kleine Radpanzer angeschafft, die mit Flugzeugen transportiert werden können. Von einer halben Million Soldaten am Ende des Kalten Kriegs sind momentan noch knapp 180.000 Soldaten übrig. Die Wehrpflicht, eines der letzten Relikte der "alten Bundeswehr", wurde im Jahr 2011 ausgesetzt. Die jungen Rekruten durften sowieso nicht ohne Weiteres im Ausland eingesetzt werden, ihre Ausbildung bündelte nur unnötig Kräfte, die für Einsätze gebraucht werden.

Aktuell ist die Bundeswehr an 17 internationalen Missionen beteiligt - so vielen wie noch nie: von den Dauerbrennpunkten in Afghanistan und dem Kosovo über die Operation Atalanta gegen Piraterie am Horn von Afrika bis hin zu neueren Missionen wie im afrikanischen Mali. Hinzu kommen Aufträge wie die Unterstützung von inländischen Behörden bei der Aufnahme von Flüchtlingen sowie die Hilfe für befreundete NATO-Armeen in Osteuropa bei der Abschreckung gegenüber Russland.

Bei so vielen Aufgaben scheint eine weitere Aufrüstung nur logisch. Doch es ist eine perfide Logik der Politik: Erst schicken wir unsere Soldaten in alle Welt, dann ist die Armee überlastet und braucht mehr Geld und Personal. Vor wenigen Monaten hat Verteidigungsministerin von der Leyen angekündigt, bis 2030 jährlich neun Milliarden Euro in neue Rüstungsprojekte zu stecken. Nun soll auch die Zahl der Soldaten steigen: 14.300 Soldaten und 4.400 zivile Mitarbeiter will die Bundeswehr in den kommenden sieben Jahren zusätzlich einstellen.

IT-Spezialisten gesucht

Die neuen Kräfte sollen die Bundeswehr aber nicht nur in vorhandenen Bereichen entlasten, sondern vor allem die offensiven Fähigkeiten der Armee ausbauen. Der Sanitätsdienst etwa soll für laufende Einsätze 500 zusätzliche Stellen erhalten. In der Vergangenheit hatte der Mangel an Sanitätern und Ärzten bereits zu Einschränkungen bei Auslandseinsätzen geführt, da etwa bei Patrouillen immer Rettungskräfte mitkommen müssen. Doch etliche Mediziner verließen die Armee, aufgrund der Arbeitsbelastung, des gesundheitlichen Risikos und der Konkurrenz durch die zivile Wirtschaft. Nun soll gegengesteuert werden.

Die Luftwaffe soll einen zweiten Transportstützpunkt erhalten und dafür neues Personal bekommen. Durch den zunehmenden Einsatz von Drohnen werden zudem extra dafür ausgebildete Piloten, Boden-Crews und Luftbildauswerter benötigt. Erst in der vergangenen Woche wurde der Bundeswehr-Einsatz in Mali ausgeweitet, dort kommen vor allem Aufklärungsdrohnen zum Einsatz. Mit der geplanten Anschaffung bewaffneter Drohnen muss noch mehr geeignetes Personal her.

Auch die Spezialkräfte von Heer und Marine werden Verstärkung bekommen. Allein die Eliteeinheit "Kommando Spezialkräfte" (KSK) soll mit rund 160 zusätzlichen Kräften unterstützt werden. Dabei geht es vor allem darum, die Unabhängigkeit der Einheit zu stärken - geheime Kommandoeinsätze könnten dann leichter durchgeführt werden. Bis 2021 möchte die Verteidigungsministerin außerdem eine neue Abteilung für den militärischen Kampf im "Cyber- und Informationsraum" aufstellen. 13.500 IT-Spezialisten sollen beispielsweise Hacker-Angriffe abwehren - erst mal. Langfristig will die Bundeswehr auch offensive Cyber-Fähigkeiten entwickeln.

Die personelle Aufstockung der Armee ist ein Signal nach außen - an Terroristen und an Russland. Die Pläne der Verteidigungsministerin sind aber auch ein Zeichen nach innen: Das Land ist angeblich bedroht. Die Gefahr vor islamistischem Terror wächst und der Russe steht wieder vor der Tür. Dumm nur, dass die deutsche Bevölkerung die von der Regierung ausgemachte Bedrohungslage kaum wahrnimmt und wahrscheinlich auch die Aufstockung auf wenig Resonanz stoßen wird. Die Armee dürfte Schwierigkeiten haben, die neuen Dienstposten überhaupt zu besetzen. Schon heute muss sie dafür riesige Rekrutierungsoffensiven fahren. Fast 15 Millionen Euro hat sie seit vergangenem November in eine Werbekampagne gesteckt. Aktuell sucht sie mit Großplakaten an Bahnhöfen und mit Anzeigen in Computer-Zeitschriften vor allem IT-Personal. Doch der Erfolg scheint fraglich. In Fragen der Sicherheitspolitik hat sich die Regierung längst von der Bevölkerung entfernt.

Seit dem Ende des Kalten Kriegs gibt es keine ernsthafte Bedrohung mehr. Der Ostblock ist zerfallen und vom aufkommenden islamistischen Terror sind deutsche Bürger kaum direkt betroffen. Den Bundesregierungen fiel es schon immer schwer zu begründen, warum Deutschland eigentlich die Armee in fremde Länder schicken muss. Die Frage, wie die deutsche Sicherheitspolitik überhaupt aussehen soll, wurde in den 90er Jahren, als die Weichen gestellt wurden, nie groß öffentlich diskutiert. Umfragen bescheiden seitdem immer wieder, dass die deutsche Bevölkerung Auslandseinsätzen sehr skeptisch gegenübersteht. So wurde der Afghanistan-Einsatz seit 2007 von einer Bevölkerungsmehrheit abgelehnt. Trotz der mangelnden Legitimation seitens der Bevölkerung führt die Bundesregierung ihren Kriegskurs unbeirrt weiter, wie jetzt die Aufstockung zeigt.

Keine Chance für Willy Brandt

Alternative sicherheitspolitische Konzepte werden ignoriert, das wurde vergangene Woche im Bundestag deutlich. Die Linksfraktion stellte einen Antrag zum Aufbau eines "Willy-Brandt-Korps für solidarische humanitäre Hilfe" - eine unabhängige Institution, die Hilfsorganisationen und UN-Hilfswerke logistisch unterstützen soll. Die Ausrüstung für dieses "neue Technische Hilfswerk" soll aus dem Bestand der Bundeswehr kommen. Der Vertreter der Unionsfraktion sah in dem Vorschlag eine "unzulässige Diskreditierung der Bundeswehr". Die Grünen störten sich vor allem am Namen des Korps und die SPD verwies darauf, dass es bereits viele deutsche humanitäre Hilfsorganisationen gibt. Der Antrag hat keine Chance im Bundestag.

Dabei dürfte es in der Bevölkerung durchaus Sympathien für ein aus der Armee hervorgehendes Willy-Brandt-Korps geben. Die Bundeswehr ist am stärksten akzeptiert in Einsätzen, die eigentlich nicht zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehören: als Hilfstrupp bei Naturkatastrophen wie Hochwasser und als Unterstützerin von Behörden in der Flüchtlingsarbeit. Es sind solche zivilen Einsätze, hinter denen die Bevölkerung steht - keine Kriegseinsätze.

Die Bundesregierung interessiert das aber ebenso wenig wie die desaströse Bilanz der vergangenen westlichen Kriegseinsätze. Die Aufstockung der Armee lässt daher nichts Gutes vermuten: Mit zusätzlichen Soldaten wird es für die Regierung einfacher, die Bundeswehr auch im Ausland einzusetzen. Die Zeit der Zurückhaltung ist vorbei.

Quelle: der FREITAG   vom 24.05.2016. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

26. Mai 2016

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