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Schlecht bezahlt, keine Fortbildung, keine Kontrolle: Dolmetscher beim BAMF

PRO ASYL: Ein Abgrund an Dilettantismus

Die Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen durch die Bundesregierung zeigt nach Auffassung von PRO ASYL einen Abgrund an Dilettantismus, was den Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) betrifft. Es gibt keine klaren fachlichen Kriterien, welche Qualifikationen diejenigen haben müssen, die in Hunderttausenden von Asylverfahren bei der Anhörung Asylsuchender dolmetschen. In diesen Anhörungen geht es um alles. Was dort zu Protokoll genommen wird, ist die entscheidende Grundlage für die Zuerkennung eines Schutzstatus oder die Ablehnung. Vor diesem Hintergrund ist es unfassbar, wie das Bundesamt mit dem Dolmetscherthema umgeht. Beim BMI fehlt es zudem auch noch an jedem Problembewusstsein.

Praktisch jede/r kann als DolmetscherIn eingesetzt werden, der/die dem BAMF als "persönlich zuverlässig und sprachlich geeignet" (Siehe Antwort 6a) scheint. Selbstauskunft und Überprüfung durch die Sicherheitsbehörden genügt. Gesonderte Sprachprüfungen gibt es nicht. Absurd: "Die sprachliche Eignung wird im Rahmen der Honorarvereinbarung und der ersten Einsätze vor Ort geprüft." (Siehe Antwort 6a) Wenn also jemand auf Deutsch über sein Honorar verhandeln kann, dann ist dies die erste und u.U. einzige Qualifikation. Wie die Überprüfung der Übersetzungsfähigkeiten dann im Rahmen von Einsätzen geprüft wird, bleibt völlig unklar.

Es gibt keine Vorbereitung der Dolmetscherinnen und Dolmetscher auf ihre Einsätze, geschweige denn ein Curriculum für ihre Weiterbildung, oder eine Schulung vor dem Einsatz. Die Qualifikation neu angestellter DolmetscherInnen wird vom BAMF in seinen Außenstellen mittels eines Standardfragebogens bewertet. Wie das gehen soll, bleibt unerfindlich. Supervision, Überprüfung der Übersetzungsleistung durch Dritte: Fehlanzeige! Die Honorare der Dolmetscher werden individuell ausgehandelt. Nach allen Erfahrungen liegen sie weit unterhalb dessen, was GerichtsdolmetscherInnen erhalten. So sucht das BAMF z.B. Dolmetscher für 25,00 Euro/Stunde. Qualifizierte und geprüfte DolmetscherInnen haben deshalb in vielen Fällen kein Interesse, in den z.T. abgelegenen Außenstellen des Bundesamtes zu dolmetschen.

In den Bundesamtsanhörungen geht es oft um recht komplizierte Sachverhalte, etwa weil sich Termini, Bezeichnungen für Institutionen usw. nicht ohne Weiteres ins Deutsche übersetzen lassen, wenn sie keine unmittelbare Entsprechung hierzulande haben. Übersetzungen in diesem Kontext sind deshalb nichts für Amateure. Die Dolmetscherleistung muss angemessen vergütet werden, auch im Interesse der Qualität der Anhörungen und Entscheidungen.

Keinerlei Fantasie wird beim Bundesamt offenbar auf die Frage verwendet, wie man  - nicht allein durch die Erhöhung der Honorarsätze - DolmetscherInnen systematisch anwerben, ausbilden und für die konkrete Aufgabe weiterqualifizieren kann. Stattdessen redet die Bundesregierung in ihrer Anfragebeantwortung von fehlenden Dolmetscherkapazitäten für bestimmte Sprachen. Ihre Erklärung: Bei den vom BAMF stark benötigten Sprachen gebe es keine jahrelange Zuwanderung aus den entsprechenden Herkunftsländern und deshalb keinen Pool geeigneter Dolmetscher (Antwort 3). Das ist völlig absurd, wenn man sich die Liste der als Beispiel aufgeführten Sprachen ansieht. Seit Beginn der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts gibt es eine eritreische Einwanderung in Deutschland. Vor diesem Hintergrund soll es an Tigrinya-DolmetscherInnen fehlen? Ebenso blickt Deutschland auf vier Jahrzehnte erfolgreicher Integration von Menschen aus Afghanistan zurück. Und da fehlt es dem BAMF an Paschtu-DolmetscherInnen? Seit einigen Jahren werden aus Afghanistan ehemalige Ortskräfte deutscher Institutionen, vor allem der Bundeswehr, aus humanitären Gründen aufgenommen, überwiegend Dolmetscher. Gibt es keine Erhebung  zu ihren  Fähigkeiten? Es soll an DolmetscherInnen für Dari und Farsi mangeln, so die Bundesregierung. Iranerinnen und Iraner, aber auch Afghaninnen und Afghanen stellen eine große Community in Deutschland dar. Es sollten sich, vernünftige Arbeitsbedingungen und Honorare vorausgesetzt, qualifizierte Personen finden lassen. Dasselbe gilt für die verschiedenen Varianten der kurdischen Sprache und für Arabisch.

Die Folgen des BAMF-Dilettantismus sind schwer zu überschauen. Es lässt sich allein durch die Überprüfung der Protokolle der Bundesamtsentscheidungen kaum feststellen, ob Übersetzungsfehler vorliegen. Da derselbe Dolmetscher, der die Anhörung gedolmetscht hat, auch die Rückübersetzung des Protokolls an den Asylsuchenden vornimmt, bleibt selbst ein sinnentstellender Übersetzungsfehler u.U. erhalten. Unterschreibt der Asylsuchende dann am Ende der Anhörung nach Rückübersetzung das Protokoll, dann wird zur Aktenwahrheit, was möglicherweise fehlerhaft übersetzt war.

Der Personalrat des Bundesamtes hat die Schwachstelle Dolmetscher in einem kritischen Brief deutlich formuliert: "Letztlich wird diesen Dolmetschern alleine die Prüfung des Asylgesuchs…..überlassen."

PRO ASYL fordert ad hoc Maßnahmen zur Verbesserung der Situation, denn auch in Zeiten starker Belastung des Bundesamtes muss diese entscheidende Schwachstelle beseitigt werden.

Quelle: PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V. - Pressemitteilung vom 20.05.2016.

Veröffentlicht am

21. Mai 2016

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