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Gegen Widerstände der lokalen Bevölkerung weitet Brasilien Uranabbau nach Ceará aus

Von Thomas Bauer

Wenn es um Uranabbau und den anschließenden Verarbeitungsprozess des Uranerzkonzentrates "Yellow Cake" geht, verbinden uns - so scheint es mir zumindest - überall auf der Welt, sei es im Niger, Frankreich, Brasilien oder sonstigen Ländern, ähnliche Probleme. Vor allem die absolut fehlende Transparenz und der äußerst unverantwortliche und vielfach kriminelle Vorgang gegenüber den lokalen Bevölkerungsgruppen von Seiten der Politik mit ihren Lobbyisten in Zusammenarbeit mit staatlichen Konzernen wie AREVA, URENCO, INB, … die sich dabei hohe Gewinne und geopolitischen sowie militärischen Einfluss versprechen, sind milde ausgedrückt einfach unverschämt.

Eingebettet im semiariden Hinterland des Bundestaates Bahia, im Nordosten Brasiliens, liegt in der von der langanhaltenden Trockenzeit stark gekennzeichneten hügeligen Landschaft das kleine Bauerndorf Riacho da Vaca (ca. 750 km von der Bundeshauptstadt Salvador entfernt). Den seit Jahrzehnten hier ansässigen Familien von Kleinbäuerinnen und -bauern fehlte bis vor wenigen Jahren nichts. "Hier lebten wir und ernährten uns vom Ertrag unserer Ernten, auf dem Wochenmarkt mussten wir fast nichts einkaufen", erzählt Elenilde Cardoso. "Wir pflanzten Reis und Bohnen an und hielten Schweine, Hühner und einige Rinder", sagt sie. Sie selbst lebt seit ihrer Geburt hier im Dorf.

Die Informationen über den Abbau des Uranerzkonzentrates der seit fast 15 Jahren einzigen aktiven Mine und die damit verbundenen Konsequenzen haben die lokale Bevölkerung der umliegenden Dörfer im Hinterland Bahias nur sehr spärlich erreicht. Elenilde Cardoso erzählt von damals: "Als die MitarbeiterInnen der INB (=Industria Nucleares do Brasil) zum ersten Mal von ihren Plänen, den Uranvorkommen und den unzähligen Arbeitsplätzen für die Dorfbewohner der 14 umliegenden Gemeinden, die in der Mine entstehen sollten, sprachen, glaubten ihnen noch einige." Getäuscht von leichtfertigen Versprechungen, groß angelegten Werbekampagnen sowie Bildungsveranstaltungen mit gelben Keksen und Setzlingen zur Wiederaufforstung, versprachen sich viele der AnrainerInnen gute Chancen auf Arbeit und ein besseres Leben. Nach all den Jahren hat sich der Traum der lokal ansässigen Familien allerdings zu einem regelrechten Alptraum entwickelt.

Denn heute, nach knapp 15 Jahren, sieht die Realität ganz anders aus. "Der Bergbau hat den DorfbewohnernInnen keine neuen Arbeitsplätze eingebracht, vielleicht aber der Stadtbevölkerung", berichtet Elenilde Cardoso. Einige aus der Stadt hätten dort Arbeit gefunden, aber der Großteil der MinenarbeiterInnen komme von auswärts. "Wenn wir das Minenunternehmen darauf ansprechen, sagen sie uns nur, dass es in unserem Dorf keine qualifizierten Fachkräfte gibt", fährt sie fort.

Dazu kommen die permanente Radonbelastung und die großen Mengen an Schlamm verseucht mit Uran, Thorium und Radium, die den Alltag sehr schwer machen. Immer wieder - vor allem während der Regenzeit - bringen sie die Abwasserbecken zum Überlaufen. Der verseuchte Schlamm geht direkt in das Bachbett und die Felder der Gemeinden. In einigen wenigen Dörfern gibt es noch Bauernfamilien, die für ihren Eigenverbrauch und Verkauf produzieren. Wenn sie allerdings auf dem lokalen Wochenmarkt etwas von ihrer Produktion zu verkaufen versuchen, dann zeigt sich: Viele der KundenInnen wollen das Obst und Gemüse nicht. Sie haben Angst vor radioaktiver Verstrahlung. "Die Leute wollen unsere Produkte nicht, kaufen sie nur, wenn es gar keine anderen gibt. Uran - das ist ein total giftiges Ding und die Radioaktivität ist hoch. Vor dem haben die Leute Angst", schildert Florisvaldo Cardoso.

Mittlerweile gibt es großen Widerstand unter der Bevölkerung, der sich aber nur langsam ausbreitete. Da man die Bedrohung der Radioaktivität nicht sehen, riechen oder fühlen kann, fällt es nicht leicht, die Betroffenen vor Konsequenzen zu warnen. Nach all den Jahren gibt es noch viele unbeantwortete Fragen, die die Verantwortlichen des staatlichen Urankonzerns INB und die Bundesregierung in Brasília nicht beantwortet haben. Leider haben auch die gesetzlich vorgeschriebenen sowie die von den DorfbewohnerInnen gemeinsam mit der CPT (Landpastorale) und ansässigen Nichtregierungsorganisationen einberufenen öffentlichen Anhörungen nicht wirklich zur Klärung beigetragen. Während der letzten Anhörung im Gebäude der Uni von Caetité, im Mai letzten Jahres, unter Anwesenheit von Bruno Chareyron, Mitarbeiter der französischen NGO CRIIRAD (Commission for Independent Research and Information about Radiation), Marcelo Firpo und Renan Finamore des staatlichen Institutes Fiocruz gab es für die lokale Bevölkerung zum ersten Mal die Möglichkeit, mehr über die vorläufigen sehr erschreckenden Ergebnisse der vor zwei Jahren initiierten Studie zu erfahren.

An verschiedenen Orten, an denen wir Messungen durchführten, waren die Ergebnisse weit über dem Grenzwert. Dazu kommt, dass die Messergebnisse sich nur auf die Strahlenbelastung der Erde, des Wassers und der Luft beziehen, nicht aber auf die landwirtschaftlichen Produkte aus dem Umkreis, die von der Stadtbevölkerung täglich auf dem Mittagstisch verzehrt werden. Im Anschluss haben die Mitarbeiter vom staatlichen Institut Fiocruz über die ersten Anzeichen der Erhöhung der Krebsrate gesprochen. Davon betroffen sind vor allem Kleinkinder und Jugendliche. Die Firmenverantwortlichen der INB selbst wollten sich einmal mehr nicht zu Problemen und der momentanen Situation äußern und glänzten durch Abwesenheit. Ihrerseits versuchen sie, den Vorwürfen aus dem Weg zu gehen und die Bevölkerung weiterhin mit Versprechungen und kleinen finanziellen Unterstützungen zu ködern.

Weder die angesprochenen fatalen Folgen für die lokal ansässige Bevölkerung im Hinterland Bahias noch die weltweit spürbaren Auswirkungen der Nuklearkatastrophe von Fukushima halten die staatliche Atomfirma INB davon ab, gemeinsam mit dem Konzern Galvani, auch im Bundesland Ceará mit dem Uranabbau zu beginnen. In Santa Quitéria soll mit öffentlichen Mitteln von 270 Millionen Euro die dritte Uranmine, das "Projekt Santa Quitéria", - nach der Mine Osamu Utsumi in Poço de Caldas - Minas Gerais (nicht mehr aktiv) und Caetité - Bahia (noch aktiv) - auf brasilianischem Boden entstehen. Laut offiziellen Angaben des Bundesministeriums für Wissenschaft und Technologie gilt es hier, in naher Zukunft jährlich 1.600 Tonnen Uran sowie 1.050.000 t Phosphat zu fördern. Das bedeutet viermal so viel wie derzeit in der Mine in Caetité abgebaut wird.

Die lokale Bevölkerung der 42 umliegenden Dörfer in Santa Quitéria, Ceará hat bereits einiges aus den Erfahrungen und dem Widerstand der Bevölkerung aus Bahia gelernt. Gemeinsam mit MitarbeiterInnen der Landpastorale von den Regionalstellen Bahia und Ceará und der aus StudentInnen und ProfessorInnen zusammengeschlossenen Organisation Nucleo TRAMAS (=Núcleo Trabalho, Meio Ambiente e Sáude) der öffentlichen Universität von Ceará waren sie bei den Betroffenen in Caetité und haben für beide Seiten wichtige Informationen ausgetauscht.

Nach diesem Austausch haben sie sich in der Region von Santa Quitéria organisiert und begonnen, die lokale Bevölkerung im Vorfeld darüber zu informieren, was sie erwartet. Die halbtrockene Region ist von Wasserknappheit geprägt. Ein Hauptkritikpunkt der Bevölkerung richtet sich gegen den Abbau von Uran und Phosphat, weil dies in Zukunft stündlich eine Million Liter Wasser aus dem Staubecken Edson Queiroz verschlingen soll. Dabei handelt es sich um dieselben Wasserressourcen, die derzeit der Bevölkerung zugestanden werden. Der Abbau würde somit zu einem unweigerlichen Konflikt mit der lokalen Bevölkerung führen.

Um die Bevölkerung von ihrem Vorhaben zu überzeugen, haben die Verantwortlichen des Konsortiums INB/Galvani unter Anwesenheit der Beamten des Umweltamtes IBAMA, sowie der Nationalen Kommission für Nuklearenergie CNEN am Ende des letzten Jahres drei öffentliche Anhörungen ausgerichtet. Während dieser drei Anhörungen, wurden ähnlich wie in Caetité, wichtige Fragen über die radioaktive Strahlenbelastung des Abraums, den Konflikt rund um die knappen Wasserressourcen sowie die negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit nicht beantwortet. Für weitere Fragen und Wortmeldungen von Seiten der betroffenen Bevölkerung gab es kaum Platz und Zeit. Als sich die Anwesenden zu dem komplexen Lizenzverfahren äußern wollten, gaben ihnen die Beamten und Verantwortlichen der INB jeweils nur das Recht für eine Wortmeldung von einer Minute. Der Unmut und das Misstrauen gegenüber den Verantwortlichen des Konsortiums nahmen somit zusätzlich zu.

Quelle:  PIRAMA (= NachDenkZeit) vom 17.08.2015.

Veröffentlicht am

24. August 2015

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