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Stimmungsmache und Stigmatisierung: Bayern will Abschiebelager einrichten

Die bayerische Staatsregierung will künftig eigene Aufnahmezentren in Grenznähe einrichten. Über Asylanträge von Flüchtlingen aus den Balkanstaaten soll dort in Kürze entschieden werden. De facto würden die Zentren so zu Abschiebelagern. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer will zudem nicht ausschließen, dass Flüchtlinge dort in Zelten untergebracht werden.

Die Pläne der bayerischen Staatsregierung sehen vor, dass noch bevor im Asylverfahren entschieden wird, eine Vorabentscheidung darüber getroffen werden soll, wer Schutzbedarf hat und wer ohne Bleiberechtsperspektive ist. Die bayerische Staatsregierung zeigt damit, dass ihr am individuellen Asylverfahren gar nichts, aber an Stimmungsmache sehr viel liegt.

Sonderlager in Grenznähe stempeln die Untergebrachten ab. Hauptziel der Lager ist diese Stigmatisierung, denn die Frage, wie schnell über Asylanträge von Menschen aus den Balkanstaaten entschieden werden kann, hängt im Wesentlichen von den Kapazitäten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ab. Seehofers Forderung, man wolle schon in Tagen Klarheit haben, ist in der nächsten Zeit unerfüllbar - es sei denn, man verzichte auch noch auf den Rest des für die Balkanstaaten jetzt bereits summarischen und defizitären Asylverfahrens.

Die Rhetorik von Horst Seehofer und seiner Partei unterscheidet sich kaum noch vom rechtspopulistischen Furor. Bayerns Planungen für Abschiebelager sprechen Rassisten aus der Seele, die schon von "Auffanglagern für den Abschaum" sprechen, wie ein Bürger von Freital am 6. Juli 2015 im ZDF.

Fluchtgründe werden aus politischen Gründen ignoriert

Daraus, dass Asylsuchende aus den Westbalkanstaaten nur zu einem sehr kleinen Prozentsatz anerkannt werden, auf einen "massenhaften Asylmissbrauch" zu schließen, ist nicht nur gefährlich, sondern auch falsch. Auch aus den Westbalkanstaaten kommen Menschen, die gute Gründe haben, ihr Herkunftsland zu verlassen - ihre Fluchtgründe werden jedoch nicht anerkannt.

In anderen europäischen Ländern lagen die Schutzquoten für Asylsuchende z.B. aus dem Kosovo bei um die 40 Prozent (Schweiz, Finnland) und bei Antragstellern aus Serbien bei 37 Prozent (Schweiz), im Fall von bosnischen Antragstellern bei ca. 20 Prozent (Frankreich und Belgien) und bezüglich albanischer Asylsuchender bei 18 Prozent (Großbritannien).

Wenn etwa Roma keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, zu Bildung, zu medizinischer Versorgung haben, ihre Siedlungen zwangsgeräumt werden und dies alles im Zusammenwirken massive Folgen hat, dann kann dies kumulative Verfolgung im Sinne des Asylrechts darstellen. Trotzdem werden Asylanträge rigoros abgelehnt. Diese Ablehnungspolitik den Opfern von Diskriminierung und sozialem Elend vorzuwerfen, ist zynisch. So wird mit der rassistischen Stigmatisierung ganzer Flüchtlingsgruppen der Nährboden für Hetze und Angriffe geschaffen.

CSU beschließt verfassungs- und europarechtswidrige Maßnahmen

Die sonstigen Maßnahmen, die die Bayerische Landesregierung beschlossen hat, liegen teilweise gar nicht in ihrer Kompetenz. Zum anderen sind sie teilweise offen verfassungs- und europarechtswidrig. So ist die Durchführung des Asylverfahrens vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Sache des Bundes und nicht die eines einzelnen Bundeslandes.

Gar nicht in der Kompetenz einer Landesregierung fällt die Frage, wie schnell Gerichte über asylrechtliche Klagen zu entscheiden haben. Dies ist bundesgesetzlich geregelt und im Zweifel eine Frage der richterlichen Unabhängigkeit.

Verfassungswidrig und europarechtswidrig ist die Forderung, Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG für Personen aus sicheren Herkunftsländern auszuweiten. Das BVerfG hat in seiner Grundsatzentscheidung zum AsylbLG 2012 festgestellt, dass die Menschenwürde, aus der das Grundrecht auf ein Existenzminimum hergeleitet wird, nicht migrationspolitisch relativiert werden darf. Im Klartext: Sozialkürzungen zur Abschreckung von unerwünschten MigrantInnen oder Flüchtlingen sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Dieses Ansinnen der Bayerischen Landesregierung ist außerdem mit der EU-Aufnahmerichtlinie nicht vereinbar, die gerade keine Leistungseinschränkungen aus migrationspolitischen Erwägungen vorsieht (Art. 17).

Auch die Arbeitsverbote, die Bayern vorschlägt, sind mit EU-Recht nicht vereinbar. Nach der Aufnahmerichtlinie besteht ein Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt nach 9 Monaten Aufenthalt. Die Forderung Bayerns, Beschäftigungserlaubnisse für Personen, die aus sicheren Herkunftsländern kommen, zu versagen, ist damit nicht vereinbar. Außerdem verbietet das europäische Recht Arbeitsverbote aus rein migrationspolitischen Erwägungen. Schon jetzt ist die bayerische Praxis der Arbeitsverbote gegenüber Asylsuchenden aus den Westbalkanstaaten rechtswidrig. Die Liste bayerischer Grausamkeiten ist in weiten Teilen rechtlich unzulässig.

PRO ASYL fordert die Bayerische Landesregierung auf, auf den Boden des Grundgesetzes und des europäischen Asylrechts zurückzukehren.

Quelle: PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V. - 22.07.2015.

Veröffentlicht am

24. Juli 2015

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