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Leonardo Boff: Das Ende einer Epoche, eine neue Zivilisation oder das Ende der Welt?

Von Leonardo Boff

Einige hoch angesehene Persönlichkeiten warnen davor, dass wir uns bereits in einem Dritten Weltkrieg befinden. Derjenige unter ihnen, der die höchste Autorität innehat, ist Papst Franziskus. Am 13. September sagte er während des Besuchs eines Friedhofs für italienische Soldaten, die in Radipulia in der Nähe von Slowenien ums Leben kamen: "Der Dritte Weltkrieg könnte bereits begonnen haben. In Teilen wird er bereits ausgefochten in Form von Verbrechen, Massakern und Zerstörung." Am 12. Dezember 2014 warnte der 93-jährige Altbundeskanzler Helmut Schmidt vor einem möglichen Dritten Weltkrieg (Boletim Carta Maior vom 22.12.2014). Genauso kann man hier und da auch andere maßgebliche Stimmen hören.

Die für mich am überzeugendste Analyse, die ich für prophetisch halte, da bereits stattfindet, was in ihr vorhergesagt wurde, stammt von Jacques Attali in seinem bekannten Buch "Die Welt von morgen. Eine kleine Geschichte der Zukunft" (Parthas, 2008). Er war ein Berater François Mitterands und steht nun der Kommission zur "Freisetzung des Wirtschaftswachstums" vor. Er arbeitet mit einem hochqualifizierten, interdisziplinären Team zusammen. Attali sah drei Szenarien voraus:

1. Das Super-Empire, bestehend aus den USA und ihren Verbündeten. Seine Stärke liegt in seiner Kapazität, die ganze Menschheit zu vernichten. Doch es befindet sich im Niedergang aufgrund der systemischen Krise des kapitalistischen Systems. Es folgt der Ideologie des Pentagon von der "Dominanz des ganzen Spektrums" in allen Bereichen, im Militär, der Ideologie, der Politik, Wirtschaft und Kultur. Doch es wurde auf dem wirtschaftlichen Feld von China überholt und hat Schwierigkeiten, anderen seine imperialistische Logik aufzuzwingen.

2. Der Super-Konflikt. Mit dem langsamen Niedergang des Empires taucht eine Balkanisierung der Welt auf, wie es zurzeit an den regionalen Konflikten in Nordafrika, dem Mittleren Osten, in Afrika und der Ukraine zu beobachten ist. Diese Konflikte können sich mit dem Gebrauch von Massenvernichtungswaffen verstärken (siehe Syrien und Irak), dann mit kleinen Nuklearwaffen (es gibt Tausende davon in Aktentaschen-Größe), die zwar wenig zerstören, aber ganze Regionen für viele Jahre durch hohe radioaktive Strahlung unbewohnbar machen. Mit der weit verbreiteten Nutzung nuklearer, chemischer und biologischer Waffen könnte eine Zeit kommen, in der die Menschheit sich dessen bewusst wird, dass sie sich selbst zerstören könnte. Und dann träte das dritte und letzte Szenario in Kraft:

3. Die Super-Demokratie. Um nicht sich selbst und einen Großteil der Biosphäre zu zerstören, würde die Menschheit einen Welt-Sozial-Vertrag abschließen, der verschiedene Instanzen globaler Regierungen umfasst. Mit knappen natürlichen Ressourcen haben wir das Überleben der menschlichen Spezies und der ganzen Lebensgemeinschaft zu gewährleisten, die ebenfalls von Mutter Erde (Gaia) geschaffen und aufrechterhalten wird.

Sollte es nicht zu dieser Phase kommen, könnten wir das Ende der menschlichen Spezies und eines großen Teils der Biosphäre erleben. Der Fehler läge in unserem rationalistischen Zivilisations-Paradigma. Der Ökonom und Humanist Luiz Gonzaga Belluzzo fasste dies kürzlich gut zusammen: "Der westliche Traum von der Schaffung eines menschlichen Lebensraums basierend ausschließlich auf Vernunft, Ablehnung von Tradition und Verwerfung von jeglicher Transzendenz, befindet sich in einer Sackgasse. Die westliche Vernunft kann nicht gleichzeitig die Werte der universalen Menschenrechte, die Ambitionen technischen Fortschritts und das Versprechen von Wohlstand für alle umsetzen." (Carta Capital, 21.12.2014). Durch seine Irrationalität schafft diese Art von Vernunft die Mittel, um ihre eigene Zerstörung zu bewirken.

Wahrscheinlich bedürfte es dann Tausende oder Millionen von Jahren für den Evolutionsprozess, um wieder ein Wesen hervorzubringen, das ausreichend komplex wäre und in der Lage, den Geist zu erhalten, der sich zuerst im Universum befand und danach erst in uns.

Doch es könnte ebenso gut zu einer neuen Epoche kommen, die den sensiblen Verstand (Liebe und Achtsamkeit) mit der instrumentell-analytischen Vernunft (Technowissenschaft) vereint. Schließlich käme dann heraus, was Teilhard de Chardin im Jahr 1933 in China als Noosphäre bezeichnete: Geist und Herz vereint in Solidarität, Liebe und Achtsamkeit für das Gemeinsame Haus, die Erde. Attali schrieb: "Ich möchte endlich glauben, dass der Schrecken über die zuvor erwähnte Zukunft uns dazu führen wird, dies unmöglich zu machen Dann würde das Versprechen einer Erde, die allen durch das Leben Reisenden gegenüber gastfreundlich eingestellt ist, erfüllt". (a.a.O. S. 210)

Und am Ende überlässt er uns Brasilianern diese Herausforderung: "Wenn es ein Land gibt, das so aussieht wie ein Land, in das die ganze Welt sich verwandeln könnte, im Guten wie im Schlechten, dann ist dieses Land Brasilien". (S. 231)

Leonardo Boff ist Theologe und Philosoph; Mitglied der Erd-Charta Kommission

Quelle:  Traductina , 08.01.2015.

Veröffentlicht am

09. Januar 2015

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