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American Way of Entertainment

USA: Die National Football League bekommt noch mehr Fernsehzeit, doch das Image ist beschädigt

Von Konrad Ege

Es ist Herbst, der Profifootball hat wieder angefangen. Er findet mindestens so viel Beachtung wie der IS, der Islamische Staat. Jede der 32 Mannschaften der National Football League (NFL) darf hoffen. Doch die NFL-Bosse müssen umdenken bei der Verteidigung. Sonst könnten der Liga einmal die Zuschauer ausgehen. Der Vergleich drängt sich auf zu den am rechten Rand der Gesellschaft herumstochernden Republikanern. Der Kern weißer, sozialkonservativer und männlicher Wähler wird kleiner.

Lange war "alles" gut. Die Übertragungen der NFL-Spiele sind in den Vereinigten Staaten die meistgesehenen Fernsehprogramme. Der Unterhaltungswert ist hoch, die Fankultur schafft Gemeinschaft. Rund 110 Millionen saßen vor den Bildschirmen beim Endspiel ("Superbowl") der vergangenen Saison. Während der Hauptrunde von September bis Januar sind Profifootball und Diskussionen über den Football allgegenwärtig. An Samstagen laufen die Spiele der Collegemannschaften. NFL-Live-Übertragungen bestimmen sonntags den gesamten Nachmittag und Abend, sie sind montags im Programm und erstmals seit 2014 auch am Donnerstagabend. Der Sender CBS hat die Rechte für den Donnerstag, der eigentlich gar nicht in den Spielrhythmus passt, für 275 Millionen Dollar gekauft. Wie die Los Angeles Times berechnet hat, zahlen ESPN, NBC, Fox, CBS und DirecTV der NFL dieses Jahr rund 5,5 Milliarden Dollar.

Dennoch war der September kein guter Monat für NFL-Commissioner Roger Goodell, den von den Klub-Eigentümern eingesetzten und seit 2006 amtierenden Wächter über Regeln und Image (Jahresgehalt: 44 Millionen Dollar). Erst gab es diesen horrenden "Vorfall" mit dem Baltimore-Ravens-Starspieler Ray Rice, der seine Verlobte Janay Palmer bei einem Streit in einem Casino bewusstlos schlug. Goodell suspendierte Rice für zwei Spiele. Das kam nicht besonders gut an in der Öffentlichkeit, vor allem als das Klatschportal tmz.com Anfang September das Casino-Überwachungsvideo mit der Gewalttat online stellte. Roger Goodell korrigierte seine Entscheidung und suspendierte Rice "auf unbestimmte Zeit". Die Ravens setzten den Spieler schließlich vor die Tür.

Blutige Striemen

Dann Mitte des Monats die Nachricht, Adrian Peterson von den Minnesota Vikings sei wegen Misshandlung seines vierjährigen Sohns festgenommen worden. Einem Fernsehsender zugespielte Polizeifotos zeigten blutige Striemen. Goodell musste wieder manövrieren, hatte er doch versprochen, die NFL werde "zu einem Modell beim Umgang mit häuslicher Gewalt". In der Vergangenheit hat die Liga solche Sachen eher unter den Tisch gekehrt. Die Nationale Organisation der Frauen vermerkte, unter Goodell habe es bei NFL-Profis "56 Fälle häuslicher Gewalt gegeben, die mit Suspendierungen für insgesamt 13 Spiele" geahndet worden seien. Zehn Spieler hätten ihre Mannschaften verlassen müssen. Mehrere Eigentümer nahmen Goodell in Schutz. Er sei ein sehr guter Commissioner, sagt Jerry Jones, Besitzer der Dallas Cowboys, ein Team mit einem Marktwert von 3,2 Milliarden Dollar laut Forbes. Jones hat freilich gerade selbst ein Problem: Eine Frau hat ihn wegen sexueller Nötigung verklagt. Jones streitet ab, die Klägerin wolle ihn erpressen.

Die Szene: Eine Wartehalle in einem Flughafen, ein uniformierter Mann wird fest umarmt von einer jungen Frau. Hubschrauberpilot Charles Nadd kehrt zurück aus Afghanistan. Er wird bejubelt von Menschen mit selbstgemalten Plakaten, "Thank you!" und mit einem zweckentfremdeten Zitat aus der "I Have a Dream"-Rede des pazifistischen Bürgerrechtsführers Martin Luther King, "Let Freedom Ring". Dann steigt Leutnant Ladd auf einen von den ikonischen Clydesdale-Pferden gezogenen Bierwagen mit der Aufschrift "Budweiser" und umarmt nun auch seine Mutter. Die Geschichte ist ein Werbespot für Budweiser, eigens produziert von der Brauerei Anheuser-Busch für den letzten Football-Superbowl. Die Plattform foreignpolicy.org berichtete Monate später, es habe im Pentagon Unstimmigkeiten gegeben über die Bierwerbung mit einem US-Offizier in Uniform, doch Verteidigungsminister Chuck Hagel habe das Projekt dann abgesegnet.

Die NFL präsentiert sich als eine Institution, die Patriotismus schlechthin symbolisiert. Da kann der Mann noch Mann sein. Die Nationalhymne ist selbstverständlich, und bei ganz wichtigen Spielen fliegt schon mal die Blue-Angels-Vorzeigestaffel der Army über das Stadion. Und die TV-Übertragung wird ergänzt durch Bilder von GIs irgendwo in einem fernen Land, die sich über Touchdowns freuen. Beim letzten Superbowl telefonierte Präsident Barack Obama mediengerecht mit einem Soldaten in Kabul, dessen Kameraden in einem Raum saßen mit einem Schild an der Wand: "Waffen nicht auf den Boden legen!"

Vorzeitige Altersdemenz

Football hat ohnehin etwas Militärisches. Die Spieler sind Spezialisten. Bei jedem Spielzug kommen von 53 nur elf auf den Rasen. Anordnungen werden vom Coach am Spielfeldrand erteilt. Verletzungen sind einkalkuliert. Mitte September schrieb die Washington Post über die Knöchelverletzung von Washingtons Quarterback Robert Griffin beim Spiel gegen die Jacksonville Jaguars: So sei "das Gesetz am Arbeitsplatz NFL: Ein Körper wird weggebracht, der nächste packt seinen Helm und übernimmt". Griffin habe seinen Fuß nicht mehr aufsetzen können; er habe ihn hochgehalten "wie ein verletzter Vollblüter".

Und doch sieht die Optik der NFL nicht gut aus. Zwei Drittel der Spieler, die sich dem Gesetz der NFL unterwerfen, sind Afroamerikaner. Sie verdienen gut, doch die Karriere dauert nur ein paar Jahre. Alle Eigentümer bis auf einen - den in Pakistan gebürtigen Eigentümer der Jaguars, Shahid Khan - sind weiße Multimillionäre und Milliardäre mittleren und gehobenen Alters, viele politisch konservativ eingestellt. (Nur eine Mannschaft - die Green Bay Packers - ist im Besitz von Zehntausenden Kleinaktionären.) NFL-Fans sind vornehmlich weiße Männer mittleren und gehobenen Alters mit relativ guten Einkommen, ermittelte die Marktforschungsfirma Experian Simmons.

Ungut war der September für die NFL auch wegen einer von der Liga selbst in Auftrag gegebenen Studie über Gehirntrauma und Football, die bei einer Zivilklage von rund 5.000 ehemaligen Spielern publik wurde. Wegen der zahlreichen Gehirnerschütterungen, wenn die muskelbepackten und behelmten Athleten aufeinanderprallen, müsse knapp ein Drittel ehemaliger Spieler langfristig mit "kognitiven Problemen" rechnen, heißt es in der Studie. Bei Ex-Spielern seien Risiken für diese Symptome höher als beim Rest der Bevölkerung, und sie träten deutlich früher ein. So "ungeschönt", vermerkt die New York Times, habe die NFL das Problem noch nie beschrieben. Noch 2005 behauptete die Liga, kein Spieler habe jemals permanente Gesundheitsschäden durch Gehirnerschütterungen erlitten. Dabei häuften sich schon damals Diagnosen von "chronisch traumatischer Enzephalopathie" (CTE), ausgelöst durch wiederholte starke Erschütterungen des Kopfs. Laut NFL kam es in der Vorsaison bei den Spielen und im Training zu 228 Gehirnerschütterungen, 43 weniger als 2012.

Das könnte Nachwuchsprobleme verursachen in den Colleges, deren Teams die Zulieferer sind für die NFL. Die Liga kann sich Anwaltskosten und selbst Zahlungen an kranke Exspieler leisten, die Colleges hingegen sitzen nicht auf dicken Finanzpolstern. Und fürs Image ist es schädlich, das Doppelproblem: häusliche Gewalt und schwere Gesundheitsschäden durch geplante Gewalt auf dem Rasen. Will man sich wirklich unterhalten lassen von jungen Männern, die im Dienste einiger weniger Superreicher vorzeitige Altersdemenz riskieren? Seit Jahren will die NFL mehr Frauen anziehen, die Liga veranstaltet im Oktober eigens eine Kampagne gegen Brustkrebs, bei der sie pinke Ansteckbänder verkauft. Spieler tragen gelegentlich pinkfarbene Schuhe.

Sehr viel mehr muss sich die NFL um ihre Sponsoren kümmern. Die Brauerei Anheuser-Busch verbreitet die Erklärung, die Firma sei "enttäuscht und zunehmend besorgt" über die NFL-Antwort auf häusliche Gewalt. Auch McDonald’s ist besorgt.

Quelle: der FREITAG vom 26.09.2014. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

29. September 2014

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