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NATO gegen ISIS?

Von Eric Margolis

Die NATO hat im Irak zugeschlagen. Oder, genauer gesagt, zwei französische Rafale Kriegsflugzeuge bombardierten ein Lagerhaus im Nordirak, das angeblich von ISIS benutzt wurde.

Washington bejubelte den französischen Angriff als die erste Welle von NATO-Militäroperationen gegen den neuen Feind vom Dienst, ISIS oder der Islamische Staat. Der französische Präsident Francois Hollande, dessen abgrundtiefe Beliebtheitswerte jetzt unter denen von Robbespierre liegen, dem Henker der Französischen Revolution, war freudig erregt über seine Machismo-Show, auch wenn es die französischen Wähler nicht waren.

Was die Franzosen in Wirklichkeit machten, war natürlich ihr neues Kriegsflugzeug Rafale vorzuführen. Es geht nichts über die Bombardierung von Arabern, um militärisches Gerät zu verkaufen, wie Israel schon seit langem gezeigt hat.

Paris hat verzweifelt versucht, den Rafale, ein sehr leistungsfähiges Flugzeug, an die Golfemirate, Saudi-Arabien und Indien zu verkaufen. Delhi unterzeichnete 2012 eine Bestellung von 126 Rafales, muss diese aber noch in die Tat umsetzen.

Indien weiß, dass Frankreich verzweifelt versucht, Rafales zu verkaufen, und hat Frankreich mit endlosen bürokratischen und vertraglichen Verzögerungen gequält, während es versucht, den Preis herunterzuhandeln und die Bedingungen für eine Koproduktion zu verbessern.

Zwei Rafales sind kaum als eine ausgewachsene Intervention der NATO im Irak zu werten. Washington hat die NATO seit Jahrzehnten gedrängt, als sein Gendarm im Mittleren Osten zu agieren. Wie auch immer, die Europäer hielten sich sehr zurück, in den Sumpf von Mittelost-Angelegenheiten zu waten oder als Washingtons Eingeborenensoldaten zu dienen, wie die indische Armee den militärischen Bedürfnissen des britischen Imperiums diente. Wie der ehemalige bayerische Anführer Franz Josef Strauß prägnant formulierte, "weigern wir uns, Fußsoldaten für die amerikanischen Atomritter zu sein."

Eine bemerkenswerte Ausnahme bildete der Sturz Muammar Gaddafis in Libyen unter französischer Führung. Der immer maßlose libysche Führer behauptete in einem Interview im Jahr 2011, dass er insgeheim den Wahlkampf des französischen Führers der Konservativen Nicholas Sarkozy zu finanzieren half, der gerade angekündigt hat, dass er sich 2017 wieder um das Präsidentenamt bewerben wird.

Unterstützt von der Obama-Administration schaffte es Frankreich, einige weitere zögernde europäische Länder in den Überfall auf Libyen hineinzuziehen. Französische und britische Sondereinheiten leiteten den Aufstand gegen Gaddafi. Gaddafis Konvoi wurde von französischen Kriegsflugzeugen bombardiert (wahrscheinlich Rafales), der libysche Anführer wurde dann von einem von französischen Agenten geführten Mob gefangen und ermordet.

Wenn NATO und Europa dachten, sie hätten mit dem hochwertigen libyschen Erdöl einen Glückstreffer gemacht, dann haben sie sich sehr getäuscht. Was sie bekamen, war Chaos in Libyen, jihadistische Aufstände in Mali und Nigeria, und Wellen von Bootsflüchtlingen, die sich auf den Weg nach Italien machten.

Unbeeindruckt von diesem furchtbaren Sauhaufen fordern die Vereinigten Staaten von Amerika, dass die NATO eine führende Rolle im Kampf gegen ISIS im Irak und Syrien übernimmt. Aber die amateurhaften Strategiedamen im Weißen Haus schafften es auch, sich in eine angsteinjagende Konfrontation mit Russland über eine Spaltung der Ukraine hineinzutheatern.

Die NATO fand sich selbst konfrontiert mit einem möglichen Krieg in Osteuropa, für den sie gänzlich unvorbereitet ist. Die Gefahr eines atomaren Zusammenstoßes wurde sehr real, als die NATO immer tiefer in die Krise in der Ukraine hineinstolperte.

Friedensnobelpreisträger Barack Obama war also mit größeren Konflikten in Osteuropa und Mesopotamien konfrontiert - während er versuchte, die "Achse" nach Asien zu schmieden. Während das Weiße Haus vielleicht hofft, dass der schlaue Vladimir Putin es wieder vor seinem eigenen Wahnwitz rettet, wie er es 2013 nach Obamas Drohungen, Syrien anzugreifen, getan hat, scheint es eher wahrscheinlich, dass die Vereinigten Staaten von Amerika schnell immer tiefer in das Schlamassel in der Levante und in Mesopotamien hineingezogen werden.

Inzwischen besuchte der Außenminister der USA John Kerry vor kurzem Ägypten, wo er versuchte, die ägyptische Militärjunta dazu zu bringen, gegen ISIS zu kämpfen und möglicherweise Libyen zu übernehmen, eine Idee, die aus der Zeit des verstorbenen Anwar Sadat stammt.

Was die NATO betrifft, so wundern sich viele Europäer, warum der Nordatlantische Verteidigungspakt noch immer existiert, nachdem dieser geschaffen wurde, um der sehr realen Drohung einer sowjetischen Invasion Westeuropas in den Anfangsjahren des Kalten Kriegs zu begegnen.

Die NATO, so der amerikanische Spitzenstratege Zbig Brzezinski, ist der Schlüssel zur amerikanischen Beherrschung Europas. Washington bezahlt 75% der NATO-Rechnungen. Die NATO hat es Europa erlaubt, militärische Ausgaben zu sparen. Kein Wunder, dass Europa sich dagegen sträubt, sich an einem neuen Krieg im Mittleren Osten zu beteiligen.

Die Allianz ist dermaßen schwach geworden, dass das beste, was Präsident Obama erreichen konnte, um der angeblichen russischen Gefahr entgegenzutreten, eine klägliche 4.000 Mann starke "Speerspitzen"-Einheit war, unterstützt von den gleichermaßen kläglichen 8-10.000 Mann Militärpersonal der USA, das über ganz Europa verstreut ist. Der Rest der einst mächtigen 400.000 Mann starken Besatzung der USA in Europa ist nach Hause gegangen oder auf imperialen Missionen eingesetzt. Russland steht militärisch nicht viel besser da.

Es gibt sogar Stimmen in Europa, die die Abschaffung der NATO fordern und die Aufstellung einer Armee der Europäischen Union, eine Idee, der Washington stark ablehnend gegenübersteht. Russland hat viele dieser NATO-Kritiker zurück in die Arme der Allianz gejagt. Aber sobald die Krise in der Ukraine abflaut, sind neuerliche Forderungen zu erwarten, dass Europa seine Abhängigkeit von den USA abschütteln und einen eigenständigen Kurs einschlagen soll.

Quelle: www.antikrieg.com vom 21.09.2014. Originalartikel: NATO v. ISIS? Übersetzung: Klaus Madersbacher.

Veröffentlicht am

22. September 2014

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