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Bundesverfassungsgericht muss sich erneut mit Kritik an Rüstungsexporten beschäftigen

Verfassungsbeschwerde gegen Strafurteil wegen Flugblatt-Verteilens vor der Waffenschmiede Krauss-Maffei Wegmann.

Während sich der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts gerade mit der Organklage der Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, Katja Keul und Claudia Roth (Grüne) in Sachen "Information des Parlaments über Rüstungsexporte" (2 BvE 5/11) beschäftigen muss, hat das Thema Rüstungsexporte nun auch den für das Ausloten der Meinungsfreiheit zuständigen Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts erreicht (1 BvR 1341/14).

Der Heidelberger Friedensaktivist und Mitglied des Grundrechtekomitees, Hermann Theisen, hat Verfassungsbeschwerde gegen seine Verurteilung durch das Oberlandesgericht München eingereicht. Er wurde wegen Aufforderung zum Geheimnisverrat verurteilt, weil er vor den Rüstungskonzernen Rheinmetall (Düsseldorf) und Krauss-Maffei Wegmann (München) Flugblätter verteilte hatte, um gegen eine Lieferung von Leopard 2-Panzern an Saudi-Arabien zu protestieren. Daraufhin wurde er zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.600 Euro verurteilt. Siehe Landgericht München verurteilt Friedensaktivisten wegen einer Flugblattaktion gegen Leopard 2-Lieferungen an Saudi-Arabien .

Die Mitarbeiter der Rüstungsschmieden wurden mit den Flugblättern aufgefordert, ihren Einblick in den geplanten Panzerdeal der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, nachdem sich sowohl die Rüstungskonzerne als auch der Bundessicherheitsrat weigerten, den Bundestag und die Zivilgesellschaft über die Hintergründe des geplanten Panzerdeals mit Saudi-Arabien zu informieren.

Damit habe Theisen zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG) aufgefordert, so die Münchener Richter. In dem Strafverfahren hatte sich der Miteigentümer von Krauss-Maffei Wegmann, Burkhart Braunbehrens, bereit erklärt, als Zeuge auszusagen, was das Gericht jedoch abgelehnt hatte.

Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler (Münster), der Verfahrensbevollmächtigte von Theisen, begründet die Verfassungsbeschwerde mit einem Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz und Art. 103 Grundgesetz.

Zusammenfassend erklärt Achelpöhler: "Spricht nach alldem Vieles für die Auslegung, dass der Beschwerdeführer durch die Flugblätter lediglich auf die Problematik eines Waffendeals mit Saudi-Arabien aufmerksam machen wollte, um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten und haben sich die Strafgerichte mit einer solchen Auslegung nicht auseinandergesetzt, so verletzen die Urteile den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG" (Meinungsfreiheit). - "So sieht es auch die Staatsanwaltschaft Heidelberg, die die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ablehnte, da sie zu recht in dem Flugblatt einen Beitrag zum Meinungskampf sah." (StA Heidelberg, 150 Js 17822/12)."

Theisen erklärt zur Verfassungsbeschwerde: "Das sog. Lüth-Urteil von 1958 ist die bekannteste und wichtigste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Grundrechten. Bis heute beruht die bundesdeutsche Rechtsprechung zu wesentlichen Teilen auf diesem Urteil. Das Bundesverfassungsgericht erklärte damals: `Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist.´ (BVerfGE 7, 198ff) In diesem Sinne hoffe ich sehr, dass der wegweisende rechtspolitische Klang des Lüth-Urteils in den Ohren der heutigen Bundesverfassungsrichter noch einen gewissen Nachklang haben wird und er nicht bereits (wieder) erloschen ist, denn es gibt eine ganze Reihe überzeugender verfassungsrechtlicher Gründe, sich der Auffassung von Rechtsanwalt Achelpöhler anzuschließen."

Martin Singe (Referent des Grundrechtekomitees und Initiator der Kampagne "Legt den Leo an die Kette") erklärt zu der Verfassungsbeschwerde: "Aktuell werden von Deutschland Waffen in Kriegs- und Kriegsgebiete sowie an Regime, die schwere Menschenrechtsverletzungen begehen, geliefert, z.B. Saudi-Arabien, Katar und Indonesien. Dieser Skandal muss auch mit zugespitzten Formulierungen und Aktionen angeprangert werden. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit hat nur einen Wert, wenn es extensiv in Anspruch genommen werden kann."

Quelle:  Komitee für Grundrechte und Demokratie - Pressemitteilung vom 02.06.2014.

Fußnoten

Veröffentlicht am

03. Juni 2014

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