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Staatsgefährdende Friedenssymbole?

Von Ulli Thiel

Prämiertes Friedenssymbol aus der DDR damals in der DDR verboten

Vor genau 30 Jahren luden die Vereinten Nationen PolitikerInnen und VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt zu ihrer Zweiten Sondertagung über Abrüstung in das UNO-Hauptquartier nach New York ein. Die Einladungen und die Materialien (Plakate, Aufkleber etc.), mit denen für diese Veranstaltung geworben wurde, waren mit einer Grafik versehen, die allen PazifistenInnen und KriegsdienstgegnerInnen voll aus dem Herzen sprach: Ein stilisierter Mensch, der schützend vor der Erdkugel steht und ein Gewehr zerbricht. Dieses Emblem griff die damalige Vorsitzende der War Resisters International Myrtle Solomon (London) in ihrer Rede vor einer der sehr gut besuchten Plenarversammlungen der UNO-Sondertagung auf, indem sie ihre Ausführungen mit einem symbolischen Akt beendete: Sie hatte ein nachgebildetes Gewehr dabei und zerbrach es unter dem Beifall der ZuhörerInnen.

Große, aber kurze Freude

Ungewöhnlich war auch der Ursprung dieses Emblems und wie später mit ihm umgegangen wurde. 1981 hatte die UNO einen Plakatwettbewerb für diese Abrüstungstagung ausgeschrieben, die im Juni 1982 stattfinden sollte. Aus vielen Ländern wurden Entwürfe eingereicht.

In der DDR organisierte der Verband bildender Künstler den nationalen Plakatwettbewerb, aus dem dann Professor Gerhard Voigt aus Halle von der Hochschule für industrielle Formgestaltung mit seiner Grafik als Sieger hervorging. Sie zeigte den oben beschriebenen Menschen vor dem Globus. Von offiziellen DDR-Stellen wurde diese Arbeit dann für den internationalen Plakatwettbewerb eingereicht. Bald danach hat die UNO sie mit dem ersten Preis ausgezeichnet und zum offiziellen Poster ihrer 2. Abrüstungs-Sondertagung gekürt.

Die Freude in der staatsunabhängigen Friedensbewegung der DDR war groß, da man nun ein eindeutig pazifistisches Abrüstungssymbol hatte, mit dem man für die Idee der Gewaltfreiheit und des Friedens werben konnte und bei dem man nicht befürchten musste, dass einem dies verboten würde, da es ja aus der DDR stammte und den Segen höchster Staatsstellen hatte.
Die DDR-Medien berichteten zwar über die Uno-Entscheidung für den DDR-Entwurf, aber die Voigt-Grafik wurde nirgends abgebildet. Auch sonst fand dieses pazifistische Symbol keine Verbreitung. Wer es dennoch wagte, den Plakatentwurf unters Volk zu bringen, der bekam es mit den Sicherheitsorganen des Staates zu tun.

Ganz übel mitgespielt wurde zum Beispiel Georg Meusel, einem der ersten Kriegsdienstverweigerer der DDR und späteren Mitarbeiter des Friedensseminars in Königswalde/Werdau (Sachsen). Er hatte sich über kirchliche Stellen eine Druckgenehmigung für das UNO-Abrüstungsmotiv besorgt und ließ dann mehrere tausend Karten und Kuverts damit bedrucken. Als die staatlichen Stellen davon erfuhren, setzten die Sanktionen ein: Festnahme und ein mehrstündiges Verhör. Eine Beschlagnahme der Karten und Kuverts war zunächst nicht möglich, da sie anderen Ortes in einer kirchlichen Stelle deponiert waren. In der Zeit nach dem Verhör wurde die Überwachung von Georg Meusel und seiner Familie deutlich verstärkt, bis die angeblich staatsgefährdenden Materialien nach einiger Zeit schließlich von der Stasi und Volkspolizei sichergestellt werden konnten. Einige der insgesamt 7.000 Druckerzeugnisse konnte Georg Meusel vor der Konfiszierung für sich selbst abzweigen und sogar in den postalischen Umlauf bringen.

Mit einem anderen Abrüstungsmotiv verfuhren die DDR-Staatsorgane schon davor genauso rigide und repressiv: Das Emblem "Schwerter zu Pflugscharen", das sich die kirchlichen Friedensbewegten 1978 für ihre Arbeit und viele ihrer Aktionen auserkoren hatten, wurde von der Staatssicherheit so massiv bekämpft, als ob es sich hier um etwas handele, was den Staat in seinen Grundfesten erschüttern könnte.

Die Verbreitung dieses Friedensemblems wurde verboten, und wer es dennoch wagte, es zu tragen (z.B. als Aufnäher an Jacken), der musste es entfernen oder es wurde ihm von der Kleidung abgerissen. Einige Jugendliche kamen diesem staatlichen Eingriff zuvor, indem sie ein Loch in der Größe der Aufnäher in ihre Parkas schnitten und somit auch als Träger dieses Friedenssymbols erkennbar waren. SchülerInnen, die mit diesem Emblem ihre Schule betraten, wurde der Schulausschluss angedroht.

Auch der Hinweis, dass es sich bei dem "Schwerter zu Pflugscharen"-Emblem um eine sowjetische Skulptur von Jewgeni Wutschetitsch handele, die von der UdSSR der Uno gestiftet worden war und nun vor dem Hauptquartier in New York stehe, konnte die Sanktionen nicht stoppen. Es war schon erbärmlich und entlarvend, wie die DDR-Staatsführung, die sich ja immer laut für Frieden und Abrüstung aussprach, mit Menschen umging, die sie beim Wort nahmen und die konkret für diese positiven Ziele eintreten wollten.

Wie ideenreich und fantasievoll die aktiven PazifistInnen der DDR oft agierten, zeigt unter anderem die Verbreitung dieser "Schwerter zu Pflugscharen"-Grafik. Eine Genehmigung, um dieses Emblem auf Papier oder Karton zu drucken, hätte man nie bekommen. Für das Bedrucken von Stoffen brauchte man aber keine staatliche Erlaubnis. Deshalb ließ man die verbotenen Friedenssymbole in Massen auf Stoffe drucken und verbreitete sie so.

Misstrauisch beäugt in der DFG-VK

Nicht nur die kirchlichen FriedensaktivistInnen der DDR, sondern auch viele Friedensbewegte in Westdeutschland empfanden diese repressive Haltung der DDR-Regierung als empörend und skandalös. Wir vom DFG-VK-Landesverband Baden-Württemberg, dessen Geschäftsführer ich damals gemeinsam mit meiner Frau Sonnhild war, wollten dies nicht tatenlos hinnehmen. Wir suchten und fanden auch Wege, die staatsunabhängige Friedensbewegung der DDR zu unterstützen. Außerdem erstellten wir eine Reihe von Materialien (Aufkleber, Postkarten, Briefkuverts, Plakate, etc.) mit den in der DDR verbotenen Motiven und brachten sie in Umlauf.

Wir luden Georg Meusel, der als Frührentner ausreisen durfte, zu einem Landesverbandstreffen ein. Mit Sonnhild besuchte ich in den 1980er Jahren dreimal Wochenendveranstaltungen des Friedensseminars Königswalde, an denen jeweils 500 bis 700 friedensbewegte Menschen teilnahmen. Bei jedem der Seminare wurde ich um ein Grußwort gebeten, das ich gerne im Namen unserer DFG-VK Baden-Württemberg hielt.

Uns haben diese Begegnungen mit FriedensfreundInnen der DDR sehr stark beeindruckt und nachhaltig geprägt. Unverständlich war für mich, dass unsere grenzüberschreitenden Ost-West-Aktivitäten von einigen FriedensaktivistInnen im Westen - auch innerhalb der DFG-VK - kritisch hinterfragt und sehr negativ bewertet wurden.

"Sabotage durch den Klassenfeind"

Nicht überrascht war ich, als ich nach der "Wende" aus Stasi-Akten erfuhr, dass unsere Kontakte zum Friedensseminar Königswalde und zu unserem Freund Georg Meusel registriert und schriftlich festgehalten worden sind. Dass ich aber die DDR durch "politisch-ideologische Diversion" bekämpft haben soll, schien mir doch stark übertrieben. Denn Diversion bedeutet laut Duden "im kommunistischen Sprachgebrauch Sabotage durch den Klassenfeind".

Gefreut habe ich mich darüber, dass die kirchliche Friedensbewegung der DDR ab 1980 ihre Friedenswochen nicht nur unter dem Motto "Schwerter zu Pflugscharen" laufen ließ, sondern auch den Slogan "Frieden schaffen ohne Waffen" hinzufügte, der 1978 von unserem DFG-VK-Landesverband kreiert worden war. Auch in der BRD standen im Rahmen der Friedenswochen des undogmatischen Spektrums der Friedensbewegung beide pazifistischen Forderungen bei vielen Aktionen und Veranstaltungen im Mittelpunkt: Schwerter zu Pflugscharen - Frieden schaffen ohne Waffen.

Quelle:  Zivilcourage . Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK, Nr. 3/2012.

Veröffentlicht am

20. August 2012

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