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Nordkorea: Kim Jong Un baut um

Von Karl Grobe

Der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un entledigt sich der alten Generation - blutig und brutal. Nach der Hinrichtung seines Onkels Jang Song Thaek nimmt er sich jetzt Eliteeinheiten des Militärs vor. Deren führende Offiziere waren Jang sehr ergeben.

Es ist nicht nur ein Familienstreit. In Nordkorea findet - nach allem, was man erfahren kann - eine politische Säuberung statt. Dabei ist die gegenwärtige Verlierer-Fraktion die, deren Funktionäre bis Dezember auf Jang Song Thaek bauten, Onkel des Dynastie-Erben Kim Jong Un. Den Onkel hat Kim in größtmöglicher Öffentlichkeit demontiert - aber verschwiegen, wie er hingerichtet wurde. Dass er von zwei Dutzend ausgehungerten Hunden zerrissen und gefressen wurde, ist wohl ein Schauermärchen, um das Kim-Regime so böse wie möglich erscheinen zu lassen. Vielleicht streut das Regime sogar selber solche Erzählungen, damit das Volk angststarr bleibt.

Erst flog der General

Es deutet viel darauf hin, dass Kim Jong Un sich nach dem Onkel einige Eliteeinheiten des Militärs vorgenommen hat. Deren führende Offiziere waren Onkel Jang wohl besonders ergeben. Doch ihre Loyalität galt weniger der Person als dem Funktionsträger, also der Kontinuität des Systems. Jang war ein Aufsteiger. Sein Schwager Kim Jong Il hatte ihn auserkoren, gemeinsam mit General Ri Yong Ho die ersten Schritte seines Sohnes an der Macht zu begleiten. Der emanzipierte sich, warf zuerst General Ri raus und stutzte damit unter Mithilfe Jang Song Thaeks den Bewaffneten die Flügel. Dann wurde ihm Onkel Jang zu mächtig. Der Rest ist bekannt.

Jetzt ist die nächste Schicht dran: zentrale Einheiten der Armee. Wegen der aufs Militär zentrierten Struktur Nordkoreas unter dem Schlagwort "songun" (Militär zuerst) hat die Aktion grundsätzliche Bedeutung.

Der für die Vorbereitung eines Partisanenkriegs besonders ausgebildeten Einheit 570 ging es um die Jahreswende an den Kragen. Sie wurde völlig umgekrempelt. Ihr Kommandeur liquidiert, viel Personal ausgewechselt. Das 5. und das 8. Armeekorps erhielten gleichzeitig neues Führungspersonal. Das 5. Korps steht an der Demarkationslinie, das heißt der Grenze gegen Südkorea, das 8. an der chinesischen Grenze.

Über die 570er-Partisanen heißt es, ihr Offizierskorps habe Jang Song Thaek besonders nahegestanden. Mit den Grenzern der beiden anderen Korps - ihren Offizieren - hatte er vor allem wegen seiner Devisen- und Rohstoffinteressen zu tun; zugleich rivalisierten seine Anhänger mit dem übrigen Militär-Establishment wegen eben dieser Geschäftsmöglichkeiten. Jang war der staatlich konzessionierte internationale Schieber Nr. 1. Nebenbei war er auch der Kontaktmann nach Peking.

Dass eine Säuberungsmaschine, wenn sie einmal anläuft, nicht so leicht zu bremsen ist, ist seit 1937 bekannt - dem Jahr, in dem Stalin die erste Generation der russischen Revolutionäre und die Spitze der Roten Armee umbringen ließ. Stalin brauchte als Symbolgegner seinen früheren Genossen Leo Trotzki: Was falsch lief, war dessen Schuld; wer leise Kritik oder gar hörbaren Widerspruch äußerte, bekam das Etikett "Trotzkist" angeheftet, wurde in den Gulag verbannt oder gleich erschossen. Danach beherrschte eine neue, auf Stalin verpflichtete Machtelite die Sowjetunion. Der zum Zweck der Massenrepression geschaffene Apparat hieß damals GPU, dann NKWD, später KGB und jetzt FSB.

Nordkoreas Machthaber hat sich augenscheinlich ein ebensolches Instrument angeschafft, das in englischsprachigen Texten mit "Special Task Force" umschrieben wird. Aus Chongjin im Norden Nordkoreas erfuhr die südkoreanische Publikation "Daily NK" Details: Die Truppe sei eine von Kim Jong Un selbst eingesetzte Kommission mit unbegrenzter Vollmacht, zu verhaften, zu verhören, zu foltern und zu erschießen.

Shakespeare und Stalin

Andere südkoreanische Quellen lasten ihr an, zig enge Verwandte Jangs, darunter seine Kinder und Enkel, sämtlich ins Lager Suseong verschleppt und dort liquidiert zu haben. Als Indiz wird ein Satz des Machthabers zitiert: "Von Jang dürfen keine Spuren bleiben." Ein auf Nordkorea spezialisierter Kommentator bilanzierte: ein Shakespeare-Drama mit stalinistischem Inhalt.

Die persönliche, clan-interne Auseinandersetzung ist jedoch nur ein Teil des Dramas. In der Sache geht es um die Kontrolle über die gesamte nordkoreanische Gesellschaft durch eine neue Generation von Funktionären, die ihren Aufstieg Kim Jong Un verdanken. Wenn diese Umschichtung gelingt - alles spricht dafür -, dann stabilisiert sich das System. Kims Clan kann dann Manövrierraum gewinnen. Ob er ihn nutzt, um Reformen anzugehen, wie sich in den ersten Wochen nach Kim Jong Uns Machtübernahme andeutungsweise vermuten ließ, und wie weit die jüngsten Entspannungsgesten gegenüber Südkorea tragen, hängt nicht von dem Clan allein ab.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 15.02.2014. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

15. Februar 2014

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