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Zieht nun in neue Kriege nicht, ihr Armen

Von der Leyen Die Bundesregierung hält Deutschland für berufen, die EU mit einer militärischen Eingreifstrategie für Afrika auszustatten. Afghanistan war gestern

Von Lutz Herden

"Zieht nun in neue Kriege nicht, ihr Armen, als ob die alten nicht gelanget hätten", hat der Dichter Bertolt Brecht in einem Gedicht seinen Landsleuten geraten, als der Zweite Weltkrieg vorbei war. Haben sie ihn erhört? Zweifel sind angebracht. Seit 1990 mehr denn je.

Aus Afghanistan kommt man nicht eben mit dem Lorbeer des Siegers im zerzausten Haar zurück, sondern mit Särgen. Sollte man sich darum keine neue Ziele setzen? Warum sollten die alten Kriege "nicht gelanget" haben? Es tut offenbar nichts zur Sache, dass in diesen Tagen so intensiv daran erinnert wird, wie Millionen Deutsche vor einem Jahrhundert in einen Weltkrieg zogen, um ein Jahrhundert lang davon gezeichnet zu sein.

Es ist Deutschland, das europäische Militärmacht gern nach Afrika verfrachtet sähe. Die Frage, dass man sich bei den Dimensionen des Kontinents und extrem unterschiedlichen, teils undurchsichtigen Konfliktlagen damit übernehmen könnte, ist nicht übermäßig erwünscht. Wird sie gestellt, reagieren Diplomaten wie Wolfgang Ischinger, derzeit Chairman der Münchener Sicherheitskonferenz, mit schnoddriger Zurechtweisung. Man dürfe Afrika nicht den Chinesen überlassen. Was soll das heißen? Wo zwischen Sahara und Kap der guten Hoffnung stehen Soldaten der Volksbefreiungsarmee? Wo im Südsudan, im Osten Kongos, in Mali, in Somalia? Gibt es Statements der chinesischen Regierung, dass man sich in Afrika in die Front der Anti-Terror-Krieger einzureihen wünsche, da davon auszugehen sei, dass der Kontinent zu viele Refugien für islamische Fundamentalisten beherberge? Ein Zustand, der nicht hingenommen werden dürfe.

Man hört derartiges Formelwerk eher von François Hollande und seinem Außenminister Laurent Fabius, wenn sie die Mali-Intervention vom Januar 2013 oder den massiven Druck begründen, der auf Niger ausgeübt wird, weil das nordwestafrikanische Land als mutmaßlicher Rückzugsort für Al-Qaida-Verbände gilt. Statt in Peking werden die argumentativen Schnittmuster aus Paris in Berlin übernommen und durch die Bundesregierung gerade mit strategischem Kalkül gesalbt.

Keine Trockenübung

Wo Frankreich in Mali, in der Zentralafrikanischen Republik oder der Elfenbeinküste aus postkolonialer Gewohnheit als Ordnungsmacht auftritt, will Deutschland entschieden mehr. Es geht um eine forcierte Integration bei der Verteidigungspolitik aller EU-Staaten. Damit aber das erstrebte Pooling und Sharing bei Streitkräften, Rüstungskonzernen und deren staatlichen Finanziers keine Trockenübung bleibt, wird gleich noch das Feld der Bewährung zugeteilt. Es liegt in Afrika.

Mit todfeierlicher Miene verkündet Ursula von der Leyen in der ARD, man dürfe auf diesem Kontinent die vielen Menschenrechtsverletzungen nicht hinnehmen und müsse militärisch dagegen vorgehen. Was an Vorgänger de Maizière erinnert und seine Überzeugung, der Auftrag eines deutschen Verteidigungsministers (nun auch einer Ministerin) sei die ganze Welt.

Wenn Ursula von der Leyen diesen Auftrag übernimmt und mit dem Ziel Afrika versieht, wäre zu erwarten, dass sie im gleichen Atemzug die schlimmsten Fälle präsentiert, sprich: eine Liste der von Krieg und Not am meisten gequälten Staaten und damit den kleinen Handatlas der Bundeswehr für anstehende Einsatzorte. Doch weit gefehlt. An Somalia, Südsudan, Darfur oder Libyen, das nach der NATO-Intervention von 2011 Chaos und Barbarei überlassen wurde, ist nicht gedacht.

Eine Schimäre

Dorthin zu gehen nach zwölf Jahren Bundeswehr-Einsatz und 54 toten deutschen Soldaten in Afghanistan, das könnte der Ministerin schwer auf die Füße fallen. Es unterbleibt deshalb. Man kann den Menschenrechten ja auch selektiv dienen. Wie in Europa, so in Afrika.

Deutschland exponiert sich vorerst nur dort, wo die Gefahren fürs Erste überschaubar bleiben, bei der Ausbildung von Armisten in Mali und beim Lufttransporten für Frankreichs Militärkorps in der Zentralafrikanischen Republik. An Kampftruppen, die sich dem offenen Schlagabtausch mit Dschihadisten stellen, ist nicht gedacht. Die "Kultur der militärischen Zurückhaltung", eine Schimäre, wird "zurückhaltend" aufgegeben. Ansonsten wackelt die innenpolitische Akzeptanz. Was nichts daran ändert, dass Vorposten einer Militärpräsenz in Afrika und damit vollendete Tatsachen geschaffen werden. Die sind gesetzt und so unwiderruflich wie seit 2001 in Afghanistan und jener Krieg, den man am Hindukusch führte.

Seine Mahnung an die eigenen Landsleute, die neuen Kriege zu meiden, wurde von Brecht umgehend begründet: "Ich bitt euch, habet mit euch selbst Erbarmen!" Sollte man sich das antun?

Quelle: der FREITAG vom 28.01.2014. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

30. Januar 2014

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