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K. wie Korruption - Deutsche Rüstungsexporte nach Griechenland

Von Otfried Nassauer

Nun ist es passiert: Antonios K., bis 2002 im griechischen Verteidigungsministerium für Rüstung zuständig, hat Ermittlern an seinem Beispiel erzählt, was schon lange vermutet wird, aber doch so schwer zu beweisen ist: Bei Rüstungsgeschäften sind oft jene Firmen am erfolgreichsten, die bestechen. Das gilt auch für deutsche Firmen. Zum Beispiel in Griechenland. Entschuldigung: Erfolgreich sind oft jene Firmen, die sich im Blick auf "nützliche Aufwendungen" für Berater, Vermittler und andere Helfershelfer beim Ergattern von Rüstungsaufträgen finanziell nicht lumpen lassen. Bis 1999 war Bestechung im Ausland nach deutschem Recht weder verboten noch ehrenrührig. Nützliche Aufwendungen verhalfen offenbar auch in EU-Staaten wie Griechenland zu Aufträgen, Das blieb, so Antonios K. auch nach 1999 so, als aus den nützlichen Aufwendungen auch in Deutschland das wurde, was sie immer waren: Bestechungszahlungen.

Deutsche Kriegswaffenexporte in NATO und EU-Länder werden grundsätzlich genehmigt. Ergänzend muss man deshalb vorsichtshalber festhalten: Griechenland ist mit hoher Wahrscheinlichkeit beileibe kein Einzelfall: In Österreich steht der Kauf von Eurofightern im Verdacht, in Portugal der von U-Booten. Deutsche Rüstungsfirmen gehörten in schöner Regelmäßigkeit zu jenen, die "sich nicht lumpen ließen", wenn es um Millionen- oder Milliardengeschäfte im Ausland ging.

Antonios K. gehörte zu jenen, die davon profitierten. Knapp 14 Millionen € haben griechische Behörden auf Konten gefunden, die ihm zugerechnet werden. Er hat deren Herkunft erklärt. Rund 6 Millionen sollen von deutschen Rüstungsfirmen gekommen sein, bei denen Griechenland für Millionen oder Milliardenbeträge bestellt hat.

Der ehemalige Beamte berichtet nicht von einem einzelnen Fall, den er nicht mehr leugnen konnte, sondern von vielen einzelnen Fällen, in denen er von Bestechung profitiert haben will. Betrachten wir also ausschließlich die Deutschland betreffenden Fälle. Da deutsche Firmen in Griechenland traditionell zu den wichtigsten Rüstungslieferanten gehören, wundert es kaum, dass ihre Zahlungen einen Großteil der Summe erklären, die K. bekam. In Medienberichten tauchen bislang Angaben zu folgenden Fällen auf, die Antonios K. während seiner Vernehmungen kurz vor Weihnachten bestätigt haben soll. Schöne Bescherung:

  • Für die Lieferung von 170 Leopard 2A6 HEL-Panzern will K. insgesamt 1,7 Millionen € von der Firma Krauss Maffei Wegmann (KMW) erhalten haben, davon in einem ersten Schritt 600.000 Euro, um Bedenken gegen den Kauf zu zerstreuen. Das Geld soll ein Unternehmensvertreter - so die griechische Zeitung "To Vima" - in seinem Büro einfach "vergessen" haben. KMW wies die Vorwürfe zurück, K. sei bei der Vertragsunterzeichnung im März 2003 auf griechischer Seite gar nicht zuständig gewesen. Schon richtig. Richtiger wäre gewesen, er sei "nicht mehr" zuständig gewesen. Denn bis 2002 war er zuständig und die griechische Grundsatzentscheidung, den Leopard 2 zu kaufen, fiel bereits 2002. Das Panzer-Geschäft hatte ein Volumen von 1,7 Milliarden € und ist bis heute noch nicht ganz abgeschlossen. Zunächst wurden rund 30 fertige Panzer aus Deutschland geliefert, dann wurden etwa 140 Fahrzeuge beim staatlichen griechischen Rüstungsbetrieb EBO endmontiert und an die griechischen Streitkräfte ausgeliefert. Auf deutscher Seite waren neben KMW die Firmen Rheinmetall und STN-Atlas (heute Rheinmetall Defence Electronics - RDE) als wichtige Zulieferer beteiligt.
  • Weitere 1,5 Millionen Euro will K. für den Kauf von 54 Flugabwehrsystemen "ASRAD" erhalten haben. ASRAD steht für Advanced Short Range Air Defence System, also ein Luftabwehrsystem für den Nahbereich und den Truppenluftschutz. Es wurde ursprünglich bei der Bremer Firma STN-Atlas (heute RDE) für die Bundeswehr als Leichtes Flugabwehr-System Ozelot (LeFlaSys) entwickelt. Die Systeme für Griechenland sind mit Zulieferungen aus Deutschland bei der staatlichen griechischen EBO in Lizenz gebaut worden und nutzten das US-Radfahrzeug Hummer statt des deutschen Luftlandepanzers Wiesel als Träger für einen 4-fach-Starter, aus dem in den USA entwickelte Stinger-Raketen verschossen werden können. Der Vertrag mit STN-Atlas Elektronik (später RDE) wurde in den Jahren 2000-2007 umgesetzt und hatte einen Wert von mindestens 53 Millionen €; K. erinnert sich an Gesamtkosten in Höhe von insgesamt 60-70 Millionen €.
  • Rund 750.000 Euro sollen im Kontext eines Artilleriegeschäftes von KMW geflossen sein. Dabei dürfte es um den Kauf von 24 Panzerhaubitzen 2000, 24 Munitionstransportern und vier Munitionsladefahrzeugen von KMW gegangen sein, der von 2001 bis 2004 abgewickelt wurde und nach Angaben von SIPRI zwischen 164 und 228 Millionen Dollar kostete. Auch an diesem Geschäft waren neben KMW Rheinmetall beteiligt. Während der Verhandlungen bewarb sich die Firma Wegmann aus Kassel bis 1999 eigenständig. Dann erst erfolgte der Zusammenschluss mit Krauss Maffei zu KMW.
  • Vorgeblich eine Million Euro erhielt Antonios K. für die Modernisierung von älteren US-Panzern des Typs M48. Auch dabei dürfte es sich um ein Geschäft der STN-Atlas Elektronik gehandelt haben. STN Atlas (heute RDE) rüstete in den 1990er Jahren rund 400 M48 der griechischen Armee mit dem computerisierten Feuerleitsystem MOLF (EMES 18 FCS) nach, das eine Weiterentwicklung des Feuerleitsystems des Leopard 2 (EMES 15) darstellt und ursprünglich von Krupp Atlas Elektronik (KAE), einer Vorläuferfirma von STN-Atlas, entwickelt worden war.
  • Zwischen 500.000 und 600.000 Euro will K. im Kontext der Lieferung von vier U-Booten der Klasse 214 schrittweise von einem Vertreter des deutschen U-Boot-Ausrüsters Atlas Elektronik (vormals ebenfalls STN-Atlas) erhalten haben, dem wichtigsten Zulieferer für U-Boote. Das Geschäft wurde nach sechsjährigen Verhandlungen in den Jahren 2000 und 2002 in zwei einander ergänzenden Verträgen vereinbart. Es sah den Bau des Typ-Bootes in Kiel, die Fertigung von drei weiteren U-Booten aus Materialpaketen in Griechenland, sowie die umfassende Modernisierung von drei oder vier älteren griechischen U-Booten der Poseidon-Klasse (griechische Klasse 209/1200 (Neptun II Programm) vor. Dieses U-Boot-Geschäft ist inzwischen wiederholt wegen Korruptionszahlungen gerichtsnotorisch geworden. ThyssenKrupp, der heutige Eigentümer der Herstellerwerft HDW und Miteigentümer des U-Boot-Ausrüsters Atlas Elektronik hat 2010 nach einer internen Prüfung hohe Provisionszahlungen an die Staatsanwaltschaft gemeldet. Die heute zu Rheinmetall gehörende Ferrostaal AG (damals ein Teil des MAN-Konzerns) hat für Korruptionszahlungen im Kontext dieses und anderer U-Boot-Geschäfte eine Strafsumme von mehr als 140 Millionen Euro gezahlt und zwei ihrer Mitarbeiter, darunter der ehemalige Chefverkäufer Hannfried Haun, sind in diesem Kontext verurteilt worden. Der damalige griechische Verteidigungsminister Akis Tsohatzopoulos wurde im Oktober 2013 zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt, weil er von solchen Zahlungen profitierte. 16 Mitangeklagte, darunter der Leiter seines Sekretariats, erhielten ebenfalls hohe Haftstrafen. Nun gibt mit K. ein weiterer hoher Mitarbeiter des griechischen Verteidigungsministeriums zu, im Kontext dieser Beschaffung Bestechungsgelder erhalten zu haben. Und zwar von einer weiteren deutschen Firma, die an diesem Geschäft beteiligt war - der Bremer Atlas Elektronik.
  • Schließlich sollen nach Medienberichten im Kontext eines Auftrags aus dem Jahr 1999 zur Modernisierung der Kommunikationsinfrastruktur der griechischen Streitkräfte weitere 500.000 € an K. geflossen sein. Auftragnehmer war dabei die Siemens AG, eine weitere Firma, die bereits wegen ihrer Korruptionszahlungen bei griechischen Staatsaufträgen belangt wurde.

Hintergrundinformationen:

Von KAE zu Atlas Elektronik und RDE

Die Bremer Atlas-Werke haben eine lange und bewegte Geschichte. 1902 gegründet, wurde das Werk in den 1960er Jahren Teil der Friedrich Krupp GmbH und ab 1983 als Krupp Atlas Elektronik GmbH innerhalb des Konzerns selbstständig. Spezialität der Firma war zum einen die Elektronik für U-Boote, Minensuch- und -räumboote sowie zum anderen die Elektronik für gepanzerte Fahrzeuge. 1991 kaufte der Bremer Vulkan, ein Werftenverbund, die Firma und verschmolz sie 1992 mit der Systemtechnik-Nord (STN), in der die Deutsche Marinetechnik und Teile von MBB (MBB-UM) zusammengeschlossen worden waren, zur STN Atlas Elektronik GmbH. Nach dem Zusammenbruch des Bremer Vulkans erwarben die Rheinmetall AG (51%) und BAE Systems Deutschland (49%) das Unternehmen. Im August 2003 gliederten sie es rückwirkend zum 1.1.2003 in ein Unternehmen für Heereselektronik, die Rheinmetall Defence Electronics, und in ein Unternehmen für Schiffselektronik, die Atlas Elektronik GmbH, auf. Der Name STN verschwand. Die BAE Systems Deutschland GmbH veräußerte ihre Anteile 2006 an ThyssenKrupp Marine Systems (51%) und EADS (49%).

Die Liste hat es in sich: Sie erwähnt die meisten größeren deutsch-griechischen Rüstungsgeschäfte aus den Jahren 1995-2002/2003, aus denen etwas wurde. Geschäfte, die nicht realisiert wurden, fehlen dagegen: So zum Beispiel der schon vereinbarte, später aber wieder abgeblasene Kauf von 60 Eurofighter-Flugzeugen bei EADS oder die geplante Lizenzproduktion des deutschen Sturmgewehres G-36 von Heckler&Koch in Griechenland. Da "nützliche Aufwendungen" überwiegend auf Erfolgsbasis, also nach einem endgültigen Vertragsabschluss gezahlt werden, ist das nicht allzu verwunderlich.

Die Vorgänge in Griechenland lassen jedoch womöglich weitergehende Schlussfolgerungen zu: In Griechenland hat Korruption offenbar bei fast allen größeren Rüstungsbeschaffungen in den letzten 20 Jahren eine wichtige Rolle gespielt. Deutsche Firmen haben dabei in erheblichem Umfang "mitgespielt", keine Hemmungen gezeigt und entsprechende Zahlungen getätigt. Es gibt also kaum einen guten Grund, wohl aber etliche Indizien, um zu vermuten, dass sich deutsche Rüstungshersteller auch in anderen Ländern mit "nützlichen Aufwendungen" die Voraussetzung für Aufträge erkauft haben. Der Verdacht steht beispielsweise bei U-Boot-Export-Geschäften nach Portugal oder Südkorea, bei einem Korvetten- und U-Boot-Export nach Südafrika und bei dem Export von Eurofightern nach Österreich unausgeräumt im Raum. Da die Existenz der deutschen Rüstungsindustrie seit dem Ende des Kalten Krieges immer stärker von Exporten abhängt, muss davon ausgegangen werden, dass Korruptionszahlungen tendenziell eher ein wachsendes, denn ein Problem der Vergangenheit darstellen.

Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS

Quelle: BITS - 30.12.2013. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Otfried Nassauer.

Veröffentlicht am

03. Januar 2014

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